Esoterik

Was die Impfgegner stark macht

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WIEN. (hpd) In Deutschland, in Österreich und in den USA lehnen immer mehr Menschen die moderne Medizin ab. Eine besonders auffällige Gruppe sind die Impfgegner. Sie beeinflussen mittlerweile bis zur Hälfte der Gesellschaft. Ein Erklärungsversuch.

Sie sind Realitätsverweigerer. Sie sind überzeugt. Sie sind laut. Sie treten in Gruppen auf. Sie sind gefährlich. Auf vier Prozent der Bevölkerung schätzt die österreichische Tageszeitung "Kurier" die Zahl der Impfgegner allein in Österreich. Und widmet dieser verschwindenden Minderheit breite, wenn auch kritische, Berichterstattung. Als ob es nicht vier Prozent der Bevölkerung wären sondern 60.

Der Kurier ist kein Einzelfall. Während der vergangenen Jahre hat es kaum Medienberichte zum Thema Impfen gegeben, in denen nicht Impfgegner in der einen oder anderen Form Thema gewesen wären.

Die Gefahr durch Impfgegner rechtfertigt Aufmerksamkeit

Bis zu einem gewissen Grad ist das berechtigt. Diese Menschen sind eine Gefahr für uns alle. Vor allem für kleine Kinder. Vor allem für kleine Kinder. Erst vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass in Deutschland ein kleines Mädchen an einer Gehirnhautentzündung stirbt, die es bei einer Maserninfektion bekommen hatte. Das Kind hatte sich im Alter von drei Monaten angesteckt. In einem Alter, in dem es nicht hätte geimpft werden können und darauf angewiesen war, dass ausreichend Menschen in seiner Umgebung gegen Masern immun sind.

Nur leider, wegen der dauernden Kampagnen der Impfgegner ist gerade bei Masern der Prozentsatz der ausreichend immunisierten Menschen viel zu gering. Das gefährdet Menschenleben.

Das macht es notwendig, über Impfgegner zu berichten.

Schlechte Berichte geben Impfgegnern viel Raum

Leider besteht bei solchen Berichten immer die Gefahr, dass die Positionen dieser Menschen mittransportiert werden. In der Regel verstärkt durch die Postings diverser Aktivisten in den zugehörigen Online-Foren. Leider gibt es auch viele Medienberichte, die die Meinungen der Impfgegner aus falsch verstandener Objektivität heraus als gleichberechtigt zu wissenschaftlichen Positionen stellen.

Das gibt den Impfgegnern breiten Raum. Sie dominieren mittlerweile im deutschsprachigen Raum den Diskurs zum Thema Impfen. Das hat Folgen. 57 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher stehen Impfungen zumindest zum Teil skeptisch gegenüber, schreibt etwa der Kurier.

Diese Skepsis rangiert von "Ich zähle zu keiner Risikogruppe und lasse mich daher nicht gegen XY impfen" bis "Ich glaube ernsthaft, dass eine Masernimpfung Autismus auslöst und lasse daher mein Kind nicht impfen." Auch wenn sich das nicht über einen Kamm scheren lässt: Dass sich 57 Prozent der Bevölkerung als Impfskeptiker titulieren lassen, sollte zu denken geben.

Offenbar ist das System Impfung zum Opfer des eigenen Erfolgs geworden. Krankheiten wie Pocken oder Polio sind zu lange ausgerottet oder zumindest aus unseren Breiten verschwunden, um noch einen Schrecken zu haben.

Je gebildeter, desto Impfgegner

Als Faustregel gilt: Je (formal) gebildeter, je mehr Mittelschicht, desto größer die Skepsis gegenüber Impfungen generell. Bis hin zur offenen Impfgegnerschaft: Der Überzeugung, Impfungen seien ohnehin nur schädlich/Infektionskrankheiten seien von selber verschwunden/ eine Verschwörung der Pharmaindustrie/eine Verschwörung der Regierung, um Bevölkerungswachstum/Menschheit zu kontrollieren.

Das sieht man mit schöner Regelmäßigkeit in so genannten Alternativschulen. Fast verlässlich sind sie Ausgangspunkt der Masernepidemien, die in diesen Breiten noch auftreten.

Je weniger gebildet, desto eher lassen die Menschen ihre Kinder impfen. Laut Zwischenergebnissen einer noch laufenden Studie an der MedUni Wien sollen etwa mehr als 90 Prozent aller Kinder aus Haushalten mit Migrationshintergrund gegen Masern immunisiert sein.

Was beweist, dass formale Bildung und Wissen beziehungsweise Intelligenz nicht immer miteinander zusammenhängen.

"Krankheiten auszurotten ist kein Ziel"

Dieses Bildungs- und Sozialgefälle bei der Einstellung zum Impfen erleichtert den Impfgegnern die Agitation ungemein. Wenn sich "die Proleten" und "die Ausländer" alle impfen lassen, kann man das leicht mit dem Hinweis diffamieren, die ließen sich halt leicht beeinflussen, das sähe man ja an den Wahlurnen. Womit der Boden aufbereitet ist, die verweigerte Impfung zum widerständigen Akt zu heroisieren – gleichsam als Zugehörigkeitsausweis zur "richtigen" sozialen Schicht: Dem sich alternativ wähnenden Milieu der formal gebildeten weißen Mittelschicht.

Dem gehören auch Ärzte an. Wie jener Reinhard Mitter, den der "Kurier" zitiert: "Das Ausrotten von Erkrankungen kann kein Gesundheitsziel sein. Überall, wo wir in ein Ökosystem (…) eingreifen, kommt es zu Problemen." Grundsätzlich seien Infektionen positiv für den Körper: "Gerade bei Kinderkrankheiten sind bei guten Lebens- und Heilungsbedingungen Schäden extrem selten. Aber das bedeutet: Kein Fieber senken, dem Körper Zeit lassen zum Auskurieren, ganzheitlich – etwa auch mit Homöopathie und Naturheilkunde – die Abwehr stärken. (…)"
Und: "Außerdem haben Krankheiten immer auch einen Sinn: Sie sollen uns zur Ruhe bringen, auf etwas aufmerksam machen, unser Immunsystem umfassend stärken." Auf der anderen Seite würde man gesunde Kinder über Impfungen mit Zusatzstoffen und Verunreinigungen belasten, die schädliche Folgen haben können. Bei Frühgeburten müsse man besonders vorsichtig sein: "Hier habe ich schon neurologische Veränderungen durch Impfungen gesehen."

Das ist Ideologie, reine Ideologie und nicht als Ideologie. Es widerspricht jeglicher wissenschaftlicher Erkenntnis. Es ist einfach Eso-Öko-Schickimicki-Verblendung. Mit Medizin hat’s der Herr Doktor nicht so.

Man lasse sich das auf der Zunge zergehen: Ein Arzt (!) sagt, es könne kein Ziel sein, Krankheiten auszurotten. Weil Natur und so.

Wenn ihm die Natur wichtiger ist als seine kindlichen Patienten sollte er den Arztberuf gleich bleiben lassen. Menschen das Leben zu verlängern ist per se ein Eingriff in die Ökosysteme dieses Planeten. Wobei: Wenn dieser Arzt seine Patienten so behandelt wie er das in seinem Zitat schildert, wird sich in seinem Fall der Eingriff wohl in Grenzen halten.

Ärztekammer: Tut zu wenig dagegen

Was einen zum nächsten Faktor bringt, der den Siegeszug der Impfgegner ermöglicht: Da hat man Ärzte, die sagen, es könne kein Gesundheitsziel sein, Krankheiten auszurotten. Die Ärztekammer geht nur nicht dagegen vor. Sie anerkennt Weiterbildungskurse, in denen Pseudomedizin wie Homöopathie gelehrt wird, aus der sich derlei lebensgefährlicher Unfug ohne größere Umwege herausdestillieren lässt.

Diese Vorgangsweise bestärkt den esoterisch angehauchten Teil der Ärzteschaft in seiner Meinung. Der faselt im Zweifelsfall was vom mündigen Patienten. Allein, dieser würde voraussetzen, dass der durchschnittliche Patient im Zweifelsfall mehr Ahnung von Medizin hat als der behandelnde Mediziner. Das ist nicht Sinn der Sache.

Einschlägige Ärzte streng untersuchen

Es wäre wünschenswert, würde die Ärztekammer Standeskollegen, die öffentlich Infektionskrankheiten verharmlosen und Impfungen als Gefahr für Patienten darstellen, streng untersuchen. Nicht nur schadet das öffentliche Äußern dieser Meinung dem Ansehen der Ärzteschaft insgesamt und gibt gefährlichen Bewegungen Auftrieb.

Es stellt sich auch die Frage, wie die betreffenden Ärzte mit ihren Patienten umgehen. Wenn solche Ärzte etwa Eltern abraten, offiziell empfohlene Impfungen an ihren Kindern durchführen zu lassen, darf das nicht ohne Konsequenzen bleiben.

Ein solcher Rat gefährdet nicht nur die unmittelbar betroffenen Kinder. Er gefährdet auch alle, die aus welchen Gründen auch immer, nicht geimpft werden konnten. Wie jenes kleine Mädchen, das sich im Alter von drei Monaten mit Masern infiziert hat.