Zuständigkeitsschizophrenie beim Katholikentag

"Dann sollen sie auch furchtbar engagiert Geld zusammen suchen!"

Verharren auf dem Niveau von 1648

Aber halt, die "Bewahrung des historischen Erbes" ist ein schöner Anknüpfungspunkt, um auch noch an die Floskel anzuknüpfen, dass doch gerade in der Stadt des Westfälischen Friedens ein Katholikentag eine super Sache sei. Auch diese Logik ist bestechend und sollte übertragen werden: Neben Camp David sollte demnächst ein Muslim-Tag abgehalten und großzügig von den USA unterstützt werden. Und in Versailles am besten ein Deutschen-Fest. Man möge sich erinnern: Im Westfälischen Frieden wurde der Augsburger Religionsfrieden bestätigt und damit die Gleichstellung der Katholiken und Protestanten – Botschaft dieses historischen Meilensteins sollte es also gerade nicht sein, Glaubensgemeinschaften zulasten anders- oder nichtkonfessioneller Menschen zu bevorzugen.

Gleichwohl war auch dieser Friedensvertrag nur ein Kind seiner Zeit, der die reformatorischen Täufer weiterhin von der rechtlichen Anerkennung auf Reichsebene ausschloss. Eine Gleichbehandlung wurde also nicht gegenüber allen Religionen und Weltanschauungen erreicht. Wenn die Stadt nun lediglich den Katholikentag (und ggf. später einen evangelischen Kirchentag) subventioniert, weil sie diese Veranstaltungen (irriger Weise) auch für einen ökonomischen Gewinn hält, bliebe Münster auf dem Niveau von 1648 stehen, da andere Religions- bzw. Weltanschauungsgruppen immer noch benachteiligt werden. Das deutsche Grundgesetz ist hingegen schon viel weiter, da es nicht nur die Gleichbehandlung der beiden christlichen Großkirchen, sondern gegenüber jeder Religions- bzw. Weltanschauungsgemeinschaft verspricht. Das 400-jährige Jubiläum des Beginns des 30-jährigen Krieges bietet jedoch eine passende Gelegenheit, damit Ernst zu machen. Wenn die Stadt in Zukunft nicht jeder noch so kleinen Glaubensgemeinschaft finanzielle Unterstützung zuteil werden lässt, aber auch nicht gegen die Verfassung verstoßen will, so besteht die einzige Handlungsmöglichkeit darin, gar keine Konfession zu unterstützen.

Screenshot der Caritas-Webseite – man beachte das Suchwort
Screenshot der Caritas-Webseite – man beachte das Suchwort

Nicht messbare Wohltätigkeit von Atheisten

Da die Logik in der Diskussion immer noch auf sich warten ließ, konterte ein älterer Herr aus dem Publikum: Was würde es bedeuten, wenn die Krankenhäuser in städtische Hände übergeben werden würden? Die Atheisten wären glaubwürdiger, wenn sie eigene wohltätige Projekte hätten, an die man die Kirchensteuer stattdessen zahlen könne.

  • Fehler Nr. 1: Von der Kirchensteuer fließt nur ein ganz geringer Teil in Wohltätigkeit.
  • Fehler Nr. 2: Neben Caritas und Diakonie gibt es sowohl konfessionsunabhängige (Paritätischer, Arbeiter-Samariter-Bund) als auch explizit humanistische (HVD) Verbände, die ebenfalls wohltätig sind.
  • Fehler Nr. 3: Atheisten bilden eben keine Glaubensgemeinschaft, also kann man schon der Logik nach ihre "Leistungen an die Gesellschaft" weder errechnen noch in Bezug zur Kirche setzen.
  • Fehler Nr. 4: Die implizite Unterstellung, dass Christen es eben doch irgendwie besser könnten, lässt vollkommen außer Acht, dass es gerade humanistische Initiativen wie die "Effective Altruism"-Bewegung sind, die wissenschaftlich untersuchen, wie Spendengelder am effektivsten eingesetzt werden können, um so viel Leid wie möglich in der Welt zu verhindern. Gerade die GBS Schweiz leistet hier mit ihren Projekten und Analysen vorbildliche Arbeit.

Und wie reagiert die Caritas hierauf? In der katholischen Zeitschrift "Aufbruch" hat sie sich daran gestört, dass die Spenden des GBS-Projekts Raising for Effective Giving aus der Pokerwelt kommen. Dies zeigt einmal mehr, dass die Kirche noch immer nicht im 21. Jahrhundert angekommen ist. Neben den lesenswerten Gegenargumenten der GBS Schweiz sprechen auch bereits die Zahlen für sich: 500.000 Dollar Fundraising seit Projektstart und ein Kosten-Nutzen-Verhältnis von 1:10 sind schlicht beeindruckend! Vielleicht sollte es das ZdK lieber damit versuchen, um seine Missionierungsparty zu finanzieren, anstatt bei einer hoch verschuldeten Stadt zu betteln.

Atheisten schützen Katholiken vor Doppelbesteuerung

Kurz vor Schluss der Diskussionsrunde holte Generalsekretär Stefan Vesper dann noch einmal zum Tiefschlag gegen diese widerspenstigen Atheisten aus, die stets den Eindruck vermitteln wollten, Katholiken wären keine Steuerzahler und nur die Atheisten müssten über ihre öffentlichen Abgaben für den Katholikentag zahlen. Natürlich hat er vollkommen recht, dass insbesondere die Atheisten dafür bekannt sind, die Menschen auf eine bestimmte Eigenschaft zu reduzieren. Doch tatsächlich waren es die Aktiven vom 11. Gebot, die den Katholiken in der Münsteraner Fußgängerzone erklären mussten, dass sie (anders als die Atheisten) von ihrer eigenen Kirche sogar doppelt herangezogen werden zur Finanzierung: Die von den Gläubigen abgeführte Kirchensteuer würde vollkommen ausreichen, um sich alle zwei Jahre ein solches Fest zu gönnen. Wenn die Stadt Münster infolge der kurzsichtigen Subventionierung einer fünftägigen Feier aber demnächst wieder die Eintrittspreise für Museen, Nahverkehr, etc. erhöhen muss, dann sind es eben auch die Katholiken, die hierfür aufkommen müssen.

Im Grunde bestätigt sich damit nur der Lauf der Geschichte: Mit ihrer Religions- und Kirchenkritik wollen Atheisten nicht nur sich selbst schützen, sondern auch die Gläubigen. Das ist doch auch eine Form der Nächstenliebe.


Die Sendung ist auf der Webseite von WDR 5 weiterhin nachzuhören.