Rezension

ISIS – Die islamistischen Gewalttäter in journalistischer Sicht

BONN. (hpd) Der Fachjournalist Bruno Schirra beschreibt in seinem Buch "ISIS – Der globale Dschihad" den Aufstieg dieser gewalttätigen Islamisten. Dabei entsteht ein interessantes Bild mit wichtigen Reflexionen, welche allerdings in der doch etwas unstrukturierten Darstellung unterzugehen drohen.

Das öffentliche Köpfen und Verbrennen von Menschen steht für das bislang höchste Ausmaß an Brutalität und Grausamkeit islamistischer Gewalttäter. Als "Islamischer Staat" (IS) bzw. "Islamischer Staat im Irak und Syrien" (ISIS) bilden sie ein Phänomen, das als reales Gefahrenpotential regelmäßig die Nachrichtenlage beherrscht. Doch worum handelt es sich eigentlich bei IS bzw. ISIS?

Eine Antwort auf diese Frage geben will das Buch "ISIS – Der globale Dschihad. Wie der 'Islamische Staat' den Terror nach Europa trägt", das der Journalist Bruno Schirra vorlegte. Der Autor hat sich seit Jahren auf den Nahen und Mittleren Osten spezialisiert und schreibt gegenwärtig insbesondere für die "Weltwoche" in der Schweiz. 2014 erlebte er vor Ort im Norden des Irak mit, wie ISIS entstand und mit den ersten Morden seine Schreckenswirkung entfaltete. Schirras Buch ist demgemäß auch eine etwas unsystematische Mischung aus persönlichen Erfahrungen und Gesprächen mit Schilderungen aus Forschung und Medien sowie eigenen Kommentaren und Reflexionen.

Bereits im Vorwort weist Schirra darauf hin, dass man nicht vom IS, sondern vom ISIS sprechen sollte. Denn er sehe keinen Sinn darin, den Gewalttäter "auch nur gedankenlos, den Anschein von Legitimität zu geben. ISIS nennt sich inzwischen 'Islamische Staat' und unterstreicht damit den globalen Anspruch seiner Herrschaft" (S. 11). Danach geht er ausführlicher auf die Bedeutung der Organisation ein, welche schon längst nicht mehr nur in der Region ihres Wirkens als politisch relevant gelte. Denn ISIS sei "weltweit für Islamisten ein Magnet mit ungeheurer Anziehungskraft, ein mythisches Land, das sich derzeit konkretisiert und auf lange Jahre weiterexistieren wird" (S. 17). Obwohl die Organisation 2011 an Bedeutung in ihrem Wirkungsbereich verloren hatte, habe sie seit 2014 eine Renaissance erfahren und alle Insignien eines Staates vorzuweisen: "eine eigene Armee, den Koran als eigene Verfassung, eine neu eingeführte Währung, eine eigenen Fahne. Seine Gebiete und seine Infrastruktur sind gesichert, seine Justiz ist eingesetzt" (S. 53).

Schirr beschreibt deren Agieren anhand von Gräueltaten und Versklavungen, liefert aber auch wichtige Informationen über Unterstützer. So heißt es etwa: "Ausgerechnet die Türkei, Nato-Partner und EU-Aspirant, sperrt sich seit Beginn dieses Krieges gegen alle Bestrebungen der USA und ihrer westlichen Verbündeten, ISIS effektiv zu bekämpfen" (S. 175) oder: "Nach wie vor fließen vor allem aus Katar die Spendengelder für den Heiligen Krieg. Aus staatlichen, substaatlichen und privaten Schatullen" (S. 190).

Besondere Aufmerksamkeit verdient das Agieren von Anhängern in Europa, wofür der Autor eine Fülle von Beispielen anführt. Besonders erschreckend ist sein Bericht über zwei Franzosen, die bei ihrem mörderischen Agieren gefilmt wurden: "Wer das Video angeschaut und in die Augen der beiden Schlächter gesehen hat, weiß, wie glücklich die beiden sind: beim Töten ihrer Opfer. Beide waren an dem Mord an dem US-Amerikaner Peter Kassig beteiligt, beide schnitten vor laufender Kamera syrischen Piloten, die der ISIS gefangen hatte, die Köpfe ab" (S. 305).

Wie die vorstehenden Auszüge verdeutlicht, beschreibt Schirra eindringlich das Agieren der islamistischen Gewalttäter, fragt aber auch immer wieder nach Motiven und Unterstützern. Man findet immer wieder interessante Bewertungen, sei es zur politischen Schwäche der Obama-Regierung bei der Bekämpfung, sei es zur westlichen Naivität gegenüber dem "Arabischen Frühling". Indessen fehlt es dem Gesamttext an einer klaren Struktur und systematischen Überlegungen. Auch mangelt es für viele Aussagen an genauen Belegen oder man liest in den Fußnoten lediglich "Gespräch mit einem deutschen Nachrichtendienstler" (S. 333).

Nun soll man einem journalistischen Buch nicht vorwerfen, dass es ein journalistisches Buch ist. Aber mehr Struktur hätte ihm schon gut getan, gehen doch ansonsten viele wichtige Kommentare unter. Dazu gehört etwa der Einwand, wonach sich ISIS nicht nach dem Motto "Von Underdog zum Topdog" nur Gescheiterte zuwenden würden. Es gibt denn auch "Tausende junger Anhänger des Dschihad, auf die dieses Schema nicht passt" (S. 306).

 


Bruno Schirra, ISIS - Der globale Dschihad. Wie der "Islamische Staat" den Terror nach Europa trägt, Berlin 2015 (Econ-Verlag), 335 S., 18,00 Euro