Notizen zu Nordkorea 22

Menschenrechte in Nordkorea: Internationale Herausforderung und europäische Lösungen

BERLIN. (hpd). Jihyun Park schilderte erstmals in Deutschland ihr Leben in Nordkorea und als Flüchtling in China. Auf der Veranstaltung, die gemeinsam von der European Alliance for Human Rights in North Korea, Saram e.V. und der Giordano-Bruno-Stiftung organisiert wurde, wurden Lösungsansätze zur Verbesserung der Menschenrechtslage von Nordkoreanern auf deutscher und europäischer Ebene vorgestellt. Außerdem berichten wir über die Ausweisung von Mitarbeitern zweier Hilfsorganisationen aus Nordkorea.

Unter dem Titel "Menschenrechte in Nordkorea: Internationale Herausforderung, Europäische Lösungen" hat eine Allianz, bestehend aus Saram e.V., der Giordano-Bruno-Stiftung und der European Alliance for Human Rights in North Korea eine Veranstaltung im Rahmen der Berliner Stiftungswoche organisiert.

Nach einem Grußwort der Vorsitzenden von Saram – Für Menschen in Nordkorea, Yvonne Yung Hee Bormann, lieferte Nicolai Sprekels (ebenfalls Vorstandsmitglied von Saram) eine kurze Einführung zur Situation in Nordkorea, um dem Publikum das zum Verständnis der weiteren Vorträge erforderliche Wissen zu vermitteln bzw. in Erinnerung zu rufen und verwies in diesem Zusammenhang auf die Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Nordkorea, wie sie durch den Bericht der UN-Untersuchungskommission zur Menschenrechtslage in Nordkorea erfasst worden sind.

Sprekels erwähnte das Songbun-Kastensystem und die Juche-Ideologie als Instrumente, die das Regime zu seiner Stabilisierung einsetzt, und verwies auf politische Unterweisungen und zwangsweise Teilnahmen an Massenveranstaltungen als Werkzeuge zur Unterdrückung der Bevölkerung. Im speziellen führte er als Beispiel die Verpflichtung nordkoreanischer Bürger an, ein Journal zu führen, in dem nicht nur eigene "Verfehlungen" gegen die herrschende Doktrin minutiös erfasst werden müssen, sondern das auch zur Denunziation von Freunden, Nachbarn und Familienmitgliedern dient.

Foto: © Sara Elro Photography
Foto: © Sara Elro Photography

Sprekels verwies auf die besondere Stellung Deutschlands, das neben den guten Beziehungen zu Südkorea aufgrund seiner DDR-Vergangenheit auch auf jahrzehntelange diplomatische Erfahrungen mit Nordkorea zurückgreifen kann. Weiterhin stünde Deutschland in Korea durch seinen offenen Umgang mit der eigenen Vergangenheit in hohem Ansehen, da die Bereitschaft, die Verbrechen der Nazi-Herrschaft zu sühnen, deutlich vermittelt werde – anders als in der japanischen Politik, in der die Gräueltaten des Zweiten Weltkrieges verharmlost oder verschwiegen würden.

Nicht zuletzt hat Deutschland die Teilung erfolgreich überwunden, was in Korea als Ansporn zur Wiedervereinigung betrachtet werde. Aufgrund seiner Erfahrungen könnte Deutschland als Vorbild dienen, um eine vorsichtige Annäherung der beiden koreanischen Staaten zu ermöglichen.

Als Überleitung zum Vortrag Jihyun Parks erläuterte Sprekels die spezielle Situation nordkoreanischer Flüchtlinge in China, die dort als solche nicht anerkannt, sondern als Wirtschaftsmigranten betrachtet und zwangsweise repatriiert würden. Um dauerhaft in Sicherheit zu leben, sei es für Flüchtlinge daher nicht nur erforderlich, erfolgreich aus Nordkorea zu fliehen, sondern auch unerkannt durch China in ein sicheres Drittland zu gelangen.

In einem erschütternden Vortrag schilderte anschließend Jihyun Park die Geschichte ihrer Flucht aus Nordkorea.

Sie wurde in der Stadt Chongjin, die in der nordöstlichsten Provinz Nordkoreas liegt, in den 1960er Jahren geboren und wuchs in einer bürgerlichen Familie auf. Nach einem Studium der Mathematik und Naturwissenschaften arbeitete Frau Park als Hochschullehrerin. Diese Zeit, die sie als "glücklich" bezeichnet, auch wenn Unterwerfung unter das Regime gefordert wurde, fand jedoch ihr Ende, als ihre Mutter gezwungen war nach China zu fliehen, um Schuldeneintreibern zu entkommen, und ihr Vater daher Repressalien ausgesetzt war. Während der Hungersnot musste Park ihrem Onkel beim Sterben durch Unterernährung zusehen und ihr Bruder, der vom nordkoreanischen Militär desertiert war und sich bei ihnen versteckt hielt, wurde nach dessen Entdeckung durch die Behörden schwer misshandelt.

Foto: © Sara Elro Photography
Foto: © Sara Elro Photography

Der auf der Familie lastende Druck führte dazu, dass ihr Vater krank wurde und starb. Die Geschwister beschlossen daher 1998 das Land in Richtung China zu verlassen, wo sie hofften, auf ihre Mutter zu treffen. In China angekommen, wurde Frau Park allerdings von Menschenhändlern zur Arbeit auf einem chinesischen Bauernhof verkauft und dort geschwängert. 2004 wurde sie von den chinesischen Behörden entdeckt und unter Zurücklassung ihres Sohnes nach Nordkorea zurückgeschickt, wo man sie zur Zwangsarbeit unter unmenschlichen Bedingungen in einem Lager verurteilte. Aufgrund einer Beininfektion, die so schwer war, dass ernsthaft in Betracht gezogen wurde das betroffene Glied zu amputieren, ermöglichten ihr etwas erleichterte Haftbedingungen die erneute Flucht nach China und sie versuchte dort, am Ende erfolgreich, ihren Sohn zu treffen. Beiden gelang es schließlich nach Großbritannien zu gelangen und dort eine neue Heimat zu finden.

Im dritten Teil der Veranstaltung analysierte James Burt von der European Alliance for Human Rights in North Korea, welche Ansätze der europäischen Gemeinschaft zur Verfügung stehen um Einfluss auf die Situation in Nordkorea nehmen zu können.

Foto: © Sara Elro Photography
Foto: © Sara Elro Photography

Burt geht von zwei orthodoxen Vorgehensweisen aus, die seiner Ansicht nach beide zum Fehlschlag verdammt sind: Entweder das herrschende Regime zu isolieren und auf dessen Zusammenbruch zu warten, oder bedingungslos mit Nordkorea zusammenzuarbeiten und dadurch Reformen und eine Öffnung des Landes zu fördern. Stattdessen schlägt er drei Strategien vor um die Situation der Menschenrechte in Nordkorea zu verbessern:

1. Eine Revision der Zusammenarbeit zwischen den Staaten

Europäische Politiker verstehen nicht, wie Nordkorea regiert wird, und glauben, dass es nicht möglich sei mit der nordkoreanischen Führung über Menschenrechte zu sprechen. Sie verhandeln mit nordkoreanischen Institutionen, die wenig Macht und Einfluss haben. Sie wären Burts Ansicht nach besser beraten, eine Durchsetzung der Menschenrechte in allen Aktivitäten zu fordern und Informationskanäle, die nicht der Kontrolle der nordkoreanischen Führung unterliegen, zu stärken um darüber zu vermitteln, wie das Regime funktioniert und in welcher Gestalt die Menschenrechte verletzt werden.

2. Eine Verbesserung des Schutzes nordkoreanischer Flüchtlinge

Aufgrund einer immer rigideren Gesetzgebung in der EU fällt es nordkoreanischen Flüchtlingen zunehmend schwerer in Europa Zuflucht zu finden, da Südkorea diesen Menschen automatisch die Staatsbürgerschaft gewähre. Die Praxis zeige jedoch, dass dies nicht immer der Fall sei und die Vereinigten Staaten hätten derartige Vorbehalte z.B. nicht. Es sei daher erforderlich, dass die juristischen Voraussetzungen geschaffen werden um nordkoreanischen Flüchtlingen Asyl in der EU zu gewähren.

3.Anhaltender Druck auf Nordkorea durch die Internationale Gemeinschaft

Nordkorea ist nicht immun gegen Kritik und so sei es zur allgemeinen Überraschung im Jahre 2014 gelungen, das Land dazu zu bringen, immerhin 113 der Verbesserungsvorschläge des Universal Periodic Review des UN-Menschenrechtsrats zu akzeptieren. Europa könnte hier seine Beziehungen zu Nordkorea nutzen, um von Pjöngjang einen Status zur tatsächlichen Umsetzung dieser Vorschläge zu bekommen.

Als Fazit unterstrich Burt, dass die Beziehung zu Nordkorea voller politischer und ethischer Fallstricke sei und was die Politik bisher erreicht habe nicht im Mindesten das widerspiegele, was erreicht werden könne. Es sei daher unbedingt erforderlich, dass Europa seine Politik ändere um eine Verbesserung für die nordkoreanische Bevölkerung zu bewirken.

Deutsche Welthungerhilfe: Landeschefin ausgewiesen

Erst kürzlich wurde durch Reuters bekannt, dass Regina Feindt, die Projektleiterin der Deutschen Welthungerhilfe für Nordkorea, bereits Ende Februar 2015 des Landes verwiesen wurde. Wenig später verließ auch ihr Kollege Karl Fall, der zwölf Jahre in Nordkorea tätig war, das Land. In der Folge wurde der nordkoreanische Botschafter in Deutschland zweimal ins Auswärtige Amt einbestellt.

Eine Sprecherin sagte gegenüber "Voice of America", dass diese Vorfälle weder die Anstrengungen der Nichtregierungsorganisationen zur Verbesserung der Lage der Menschen im Land noch den bilateralen Dialog fördern würden. Von nordkoreanischer Seite sollen keine Gründe für die Ausweisung genannt worden sein.

In einer Stellungnahme der Deutschen Welthungerhilfe heißt es, dass man nichts in Feindts Verhalten sehe, das eine Ausweisung gerechtfertigt hätte. Momentan sei man mit Nordkorea im Gespräch, um eine Basis zu finden, auf der die Arbeit in Nordkorea fortgesetzt werden kann. Zur Zeit befinden sich noch drei Mitarbeiter der Organisation im Land. Projekte zur Verbesserung der Wasserversorgung und des Abwassersystems werden fortgeführt. Ob und wie die Deutsche Welthungerhilfe in Nordkorea weiterarbeiten wird, scheint noch nicht geklärt.

Seit 1997 ist die Deutsche Welthungerhilfe in Nordkorea aktiv. Zu dieser Zeit litt das Land unter einer Hungersnot, die zwischen hunderttausenden und bis zu zwei Millionen Menschen das Leben gekostet hat. Nach einer Notversorgung in der ersten Zeit wandelten sich die Projekte der Welthungerhilfe zunehmend in Richtung "Hilfe zur Selbsthilfe": Durch kleine Gewächshäuser, die von den Menschen auf Dächern oder Balkonen aufgestellt werden können, konnte die Versorgung der Stadtbevölkerung verbessert werden. Und die Landwirtschaft wird beispielsweise durch den Anbau von Nahrungsmitteln gefördert, die an das Klima Nordkoreas angepasst sind. So sollen Frühkartoffeln die Versorgungslücke schließen, die jährlich im Frühsommer auftritt, wenn die Reisvorräte aufgebraucht sind. Auch die Möglichkeiten zur Lagerung von Saatgut wurden verbessert, so dass dieses den Winter unbeschadet überstehen kann.

Wenig später verbreitete die nordkoreanische Nachrichtenagentur KCNA die Meldung, dass Sandra Suh, die Gründerin der US-amerikanischen Organisation Wheat Mission Ministries, ebenfalls des Landes verwiesen wurde. In diesem Fall wurden ihre Verfehlungen klar benannt: Suh habe in ihren häufigen Besuchen in den letzten zwanzig Jahren unter dem Vorwand helfen zu wollen heimlich Fotos und Videos in Nordkorea aufgenommen und diese im Ausland als Propaganda-Material gegen Nordkorea verwendet. Man habe sie aufgrund ihres hohen Alters nur des Landes verwiesen statt sie wegen Spionage zu verurteilen, was die "Großzügigkeit" der Gesetze Nordkoreas zeige.

Auf der Website und dem Flickr-Account der Organisation wurden Fotos und Videos entfernt. Ob die Veröffentlichung von Bildern auf diesen Plattformen zu den Maßnahmen führte, ist unklar. Zu sehen waren dort vor kurzem etwa Bilder aus Waisenhäusern oder Krankenstationen, die von der Organisation versorgt werden. Die ärmlichen Zustände der Einrichtungen waren zwar deutlich zu erkennen, aber solche und noch viel drastischere Bilder sind auch von anderen Organisationen veröffentlicht worden.

Wheat Mission Ministries setzt sich seit 1989 für Nordkorea ein. Die Organisation soll Hilfen im Wert von 2 Millionen Dollar pro Jahr in das Land gebracht haben.

Währenddessen veröffentlichte das Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten der Vereinten Nationen einen Bericht, demzufolge 27,9 Prozent der nordkoreanischen Bevölkerung an chronischer und 4 Prozent an akuter Mangel- und Unterernährung leiden. Bei 18 Millionen Menschen (etwa 70 Prozent der Bevölkerung) sei eine adäquate Ernährung nicht sichergestellt. Für die Umsetzung geplanter Projekte im Ernährungs-, aber auch im sanitären oder medizinischen Bereich benötige man im Jahr 2015 111 Millionen Dollar, von denen erst 17 Prozent bei den UN-Organisationen eingegangen seien.

Kurznachrichten

Die seit Ende Oktober 2014 geltende Einreisesperre für Touristen wurde Anfang März 2015 wieder aufgehoben. Die Reisewarnung des Auswärtigen Amtes für Nordkorea wurde zurückgenommen. Auch die 21-tägige Quarantänezeit, die sowohl für in Pjöngjang lebende Ausländer als auch für von Reisen zurückkehrende Nordkoreaner galt, wird nur noch auf Personen angewandt, die aus von Ebola betroffenen Staaten kommen. Die Entscheidung Nordkoreas, Ausländern die Teilnahme am diesjährigen Pjöngjanger Marathon nicht zu gestatten, wurde offensichtlich zurückgenommen.

Meldungen zufolge soll ein nordkoreanisches Paar in Pakistan wegen des illegalen Verkaufs von Alkohol festgenommen worden sein. Es wurde kurz darauf wieder freigelassen, weil sich herausstellte, dass es sich um Mitarbeiter der nordkoreanischen Botschaft handelte. Der skurril anmutende Vorfall hat einen nachvollziehbaren Hintergrund: Die diplomatischen Vertretungen werden angehalten, im Ausland möglichst viele Devisen zu erwirtschaften. Erst im März wurde ein Gesandter Nordkoreas in Bangladesch kurzfristig festgehalten, weil er versucht hatte, in seinem Handgepäck 27 Kilogramm Gold in das Land zu schmuggeln.

Die (bekannten) Aktivitäten der nordkoreanischen Botschaft in Berlin wirken dagegen geradezu harmlos: Ein Gebäude auf dem Gelände wird seit 2007 an einen Hostelbetreiber verpachtet.

SARAM e.V.
www.saram-nk.org