Intelligent Design 2.0 - Teil 1

Religions- oder Pseudowissenschaft

Hinzu kommen bei Pseudowissenschaftlern unsachliche oder Traditionsargumente hinzu, so zum Beispiel, dass nur religiöse Menschen etwas über Religiosität aussagen könnten. Anderen wird die Mitsprache nur im interdisziplinären Team zugebilligt, wenn sie sich der gewünschten Interpretation unterwerfen. Häufig wird auch das Autoritätsargument zur Geltung gebracht: schon Darwin, schon von Hayek, schon Eistein sagten, …, wobei die Autoritäten für den jeweiligen Fachbereich nicht nur als Zeugen, sondern sogar als überzeugte religiöse Mitstreiter vereinnahmt werden. Um der eigenen Argumentation nachzuhelfen, werden nicht nur Daten, sondern auch gleich wissenschaftliche Methoden selektiv präferiert. Warum Experimente für Kausalzusammenhänge ausdenken, wenn die Empirie doch schon offensichtlich ist?

Wer jetzt an bestimmte Personen denkt, dem sei gesagt, dass die grundlegenden Kriterien für schlechte Wissenschaft bereits 1997 von Amardeo Sarma publiziert – und hier lediglich vom Autor aktualisiert dargestellt – wurden. Thomas Waschke ergänzte diese Kriterien noch für das Intelligent Design im Jahr 2003. Er sieht, dass die Vertreter des Intelligent Designs versuchen, einen Keil zwischen den Naturalismus und die Wissenschaft zu treiben, da ihnen der Erfolg des Naturalismus zuwider ist [Waschke 2003]. Da gibt es anscheinend noch mehr, was Naturalisten ja nicht sehen können. Religiöse nehmen halt größere Zusammenhänge wahr. So vertreten die Befürworter des Intelligent Designs die theistische Evolution, die als Werkzeug Gottes nahtlos zum angeborenen Theismus beim Menschen führt.

In der Argumentation des Intelligent Designs ist von einer irreduziblen Komplexität der Sache die Rede, die sich nicht auf einfache logisch-lineare Ursache-Wirkungsmechanismen begrenzen lässt. Alles ist irgendwie religiös oder mit dem Religiösen verbunden, kann aber im konkreten Fall nicht genau bezeichnet oder beziffert werden.

Natürliche und kulturelle Prozesse, Evolvieren und Tradieren, Evolution und Kultur werden durcheinander geworfen, da doch alles "irgendwie" doch so oder so ähnlich sei und zudem miteinander verwoben ist. Religiös motivierte Wissenschaftler wollen den Erkenntnishorizont erweitern und sich nicht durch schnöden Reduktionismus oder präzise Definitionen einengen lassen.

Statt Materialismus wird der Empirismus als Grundlage des Intelligent Designs gewählt, da so das Wirken von "über-empirischen Akteuren" mit berücksichtigt werden kann. Irgendwie sind sie immer mit dabei, ohne explizit genannt werden zu müssen.

Hinzu kommt bei Pseudowissenschaftlern nicht selten die eliministische Induktion als Werkzeug zum Einsatz. Da die Anderen offensichtlich nicht Recht haben, muss das eigene Argument richtig sein. Als argumentum ad ignorantiam wird das Suchen nach Lücken in der Argumentation der Anderen bezeichnet, um daraus Vorteile für die eigene zu ziehen.

Zudem wird die Falsifizierbarkeit von Hypothesen durch die Verdrehung von Tatsachen oder subtile Sophistereien unmöglich gemacht.

Häufig erkennt man Vertreter des Intelligent Designs laut Waschke ganz einfach daran, dass sie keine eigenen Forschungsarbeiten, insbesondere keine eigenen Forschungsprogramme vorweisen können, sondern sich nur an den empirischen Ergebnissen anderer bedienen, um sie in ihrem Sinne religiös umzuinterpretieren [Waschke 2003].

Was ist neu am Intelligent Design 2.0?

Der alte Kreationismus der Sechs-Tage-Schöpfung und wörtlichen Bibelauslegung widersprach so sehr den Wissenschaften, dass nicht nur die Mehrheit der Christen, sondern zum Schluss sogar die Päpste ab Johannes Paul II. ein Einsehen hatten. Trotzdem müssen Christen einen Zugang in den Selbstorganisationsprozess der Evolution finden, damit ihr Gott irgendwelche Wunder oder Wohltaten für seine Schäfchen ausüben kann. Ohne Möglichkeit zum Eingriff ist nicht nur Gott zur vollkommenen Sinnlosigkeit verurteilt, sondern das gesamte Christentum mit kreativer Sohn-Schöpfung per heiligen Geist obsolet.

Im alten Intelligent Design war die Evolution noch eine trickreiche Schöpfungsmethode Gottes. Neben verschiedenen Organen, die zu komplex erschienen, wurde insbesondere die Seele ad hoc äußerst kreativ hinzugefügt und unterschied den Menschen vom Tier. Da hierfür trotzdem sowohl eine riesige Lücke zwischen Tier und Mensch als auch letztlich doch ein kreativer Akt angenommen werden mussten, waren sich die Gläubigen schnell einig, dass etwas Neues zur Rechtfertigung von Gottes Eingriffen gefunden werden sollte.

Das Intelligent Design 2.0 setzt daher auf den angeborenen Theismus, der felsenfest in unseren Genen verankert und irgendwie aus der Evolution hervorgegangen ist. Dieser angeborene Theismus mit seiner angeborenen Religiosität lässt uns Gott suchen und erklärt die Seele neurotheologisch. Dies soll nun kein Kreationismus mehr sein, sondern die Wissenschaft übersteigende Forschung. Dafür ist jetzt die Evolution nicht mehr nur gerichtet, sondern plötzlich sogar zielgerichtet zu interpretieren. Das Gegenteil müssen – wie immer – die Biologen darlegen. In Teil 2 wird damit begonnen.


Literatur

Blume, Dr. Michael: Religion und Demografie. Warum es ohne Glauben an Kindern mangelt. Sciebooks, Amazon Create Space, 2014.

Blume, Dr. Michael: Islamisierung, Säkularisierung, Re-Christianisierung? Religion & Demografie zwischen Thilo Sarrazin und Wolfgang Huber. (2015). http://www.scilogs.de/natur-des-glaubens/files/ReligionDemografieWolfgan... http://www.youtube.com/watch?v=OafWorK8kow

Müller, Wilfried: “Geisteskrankheit des Atheismus”. Wissenbloggt, 03.07.2015. http://www.wissenbloggt.de/?p=28544

Sarma, Amardeo: Wie sollten wir mit Parawissenschaften umgehen? Skeptiker, Ausgabe 4/1997. https://www.gwup.org/inhalte/56-themen/parawissenschaften/723-wie-sollte...

Schnückel, Jörg: Overbeck auf dem Weg zum Hassprediger? In: Humanisti­scher Pressedienst vom 16.5. 2012. http://hpd.de/node/13387.

Waschke, Thomas: Intelligent Design - Eine Alternative zur naturalistischen Wissenschaft? Skeptiker, Ausgabe 3/2003. https://www.gwup.org/inhalte/84-themen/kreationismus/785-intelligent-des...