MAINZ. (hpd) Freifunker setzen sich für ein flächendeckendes, jedem zugängliches Internet ein. Mittlerweile hat sich deutschlandweit eine beachtliche Szene entwickelt, die sich auch in der Flüchtlingshilfe engagiert. Ein Interview mit Florian Altherr, dem Vorsitzenden des Freifunkvereins der Stadt Mainz.
Ein lauer Sommerabend in Mainz-Gonsenheim. Ein Dutzend Männer unterschiedlicher Altersklassen hat sich um einen großen Holztisch versammelt, es wird angeregt diskutiert. Begriffe wie "Backbones", "Meshing" und "Gateway" fallen, für einen Laien ist das Gespräch teils schwer nachzuvollziehen. Dabei ist der Grundgedanke hinter dem Freifunk recht simpel, wie Florian Altherr, 1. Vorsitzender des Freifunk Mainz e.V., im Interview mit dem hpd erklärt.
hpd: Wie würdest du allgemein die Idee hinter dem Freifunk beschreiben?
Florian Altherr: Der Freifunk ist ein nicht-kommerzielles W-LAN-Netz, das eine Alternative zu zentralen Infrastrukturen wie dem Internet darstellt. Menschen stellen sich Freifunk-Router auf, die sich automatisch miteinander verbinden und so ein Netz aufbauen, von Wohnung zu Wohnung und Stadt zu Stadt. Mit relativ günstiger Hardware und freier Software wird ein Netzwerk gebaut, das von jedermann genutzt und erweitert werden kann. Es ist ein Netz in Nutzerhand, das von Menschen aufgebaut und von niemandem zentral besessen wird. Die Leute sind Betreiber und Nutzer zugleich, sie stellen es jedermann zur Verfügung.
Wie viele Unterstützer zählt der Verein in Mainz derzeit?
Wir sind eine Gruppe von 30, 40 Aktiven, die sich regelmäßig treffen. Es gibt insgesamt in Mainz, Wiesbaden und Umgebung über 300 Freifunker, die ihr Netz teilen und Freifunk-Knoten aufstellen. Und es kommen fast jeden Tag neue Knoten dazu. Die stellen die Leute bei sich zu Hause oder in ihren Geschäften und Betrieben auf. So pflanzt sich diese Idee fort, das Netz wird immer engmaschiger. Das führt auch dazu, dass die Geräte direkt miteinander kommunizieren können, das nenne wir „meshen“. Irgendwann können dann hoffentlich möglichst viele dieser Knoten direkt miteinander kommunizieren und wir sind nicht mehr auf Infrastrukturen wie das Internet angewiesen.
Wir pflegen außerdem Kontakte zu den Communitys in Frankfurt und Darmstadt, auch in Wiesbaden und Bingen ist viel am entstehen. Die Freifunknetze hier im Rhein-Main-Gebiet wachsen zusammen, aber auch deutschlandweit.
Der Zugang zum Internet ist also nur ein Teilaspekt des Freifunks?
Wir bauen ein freies W-LAN-Netz auf. In diesem Netzwerk ist das Internet für 99 Prozent der Leute natürlich der Hauptdienst.Aber Freifunk ist viel mehr als nur Internet. Es ist eine dezentrale Alternative, in der man alles machen kann, was man auch im Internet machen kann. Also chatten, spielen, Server aufsetzen, E-Mail schreiben oder Foren benutzen. Und das alles völlig losgelöst vom Internet, nur im Freifunknetz. Es gibt hier in Mainz beispielsweise einen Flugzeug-Tracker, der in unserem Netz läuft. Man kann damit alle Flugzeuge, die in der Umgebung fliegen, live beobachten. Viele solcher Dienste, wie etwa auch Radio, sind unabhängig vom Internet in diesem Netz denkbar. Wir wollen das Internet mit vielen Leuten teilen, aber wir bauen gleichzeitig eine Alternative dazu auf.
Wie schätzen kommerzielle Internetanbieter eure Arbeit ein?
Wir haben ja einen anderen Ansatz. Wir teilen nicht-kommerziell und die wollen Geld verdienen. Im Moment sehen die uns nicht als Konkurrenz und da gibt es keine Probleme. Es ist auch nicht so, dass Leute ihren Internetanschluss kündigen, nur weil sie Freifunk nutzen können. Aber eine gewisse Tendenz ist schon da. Eigentlich braucht nicht jeder einen Internetanschluss, der liegt die meiste Zeit des Tages sowieso lahm, weil man auf der Arbeit und nicht zu Hause ist. Insofern denken sich viele, dass man seinen Anschluss auch mit anderen teilen kann.
Bei uns herrscht generell das Prinzip, dass alles ehrenamtlich abläuft, und wir freuen uns über jeden, der uns bei unseren Projekten unterstützen möchte. Wir finanzieren uns rein über Spenden und Mitgliedsbeiträge und sind als gemeinnützig anerkannt.
Bestehen Gefahren durch Missbrauch des Netzwerks und müsst ihr es auf besondere Weise schützen?
Der Freifunk ist ein offenes Netz, also gibt es auch Gefahren. Für den Nutzer besteht wie in jedem offenen W-LAN die Gefahr, dass die persönliche Kommunikation abgefangen oder manipuliert wird. Daher sollte er sich auch hier schützen. Dafür nutzt man am besten verschlüsselte Verbindungen beim Browsen. Aber das Freifunknetz ist strukturell so aufgebaut, dass keine Daten mitgenommen werden, vor allem auch durch das fehlende finanzielle Interesse. So findet etwa keine Weitergabe von Informationen an Werbetreibende statt. Ein weiterer Vorteil ist, dass das Netzwerk viel dezentraler organisiert ist. Dass der BND an einem zentralen Internetknotenpunkt den Großteil der Kommunikation abfangen kann, kann im Freifunknetz nicht passieren.
Es gibt kein freies und sicheres Netz, aber dafür kann jeder mitmachen und es erweitern. Wir sehen die Chancen, die damit verbunden sind, aber wir machen darauf aufmerksam, dass die Leute sich schützen müssen. Bei kommerziellen Anbietern hat man auch keine absoluten Garantien, dass alles sicher ist und nicht staatlich überwacht wird. Wir sind weder sicherer noch unsicherer als jeder andere Telekommunikationsanbieter. Bei uns ist zumindest alles transparent und es würde sehr auffallen, wenn Abhöreinrichtungen etabliert werden.
Was sind die Nachteile des Freifunknetzwerks?
Der Nachteil ist, dass es so offen ist und man sich selbst schützen muss. Es gibt außerdem keine Garantien, dass es morgen noch jeden Knotenpunkt gibt. Allerdings, je mehr Knoten es gibt, desto ausfallsicherer ist das Netz, auch wenn mal ein Router ausfällt. Daher muss es noch engmaschiger werden. Wir versuchen momentan ein Backbone-Netz über den Dächern von Mainz zu erzeugen. Derzeit ist es noch sternförmig, mit der Uniklinik als zentralem Standort. Wenn man die sehen kann, kann man sich ins Netz einklinken. Wir versuchen es zu einer anderen geometrischen Form, im Idealfall einem Kreis, zu erweitern. Da sind wir noch in der Frühphase und brauchen noch weitere hohe Standorte, um nicht mehr nur diesen Stern zu haben.
Auch der Internet-Zugang der Flüchtlingsunterkünfte in Mainz zählt mittlerweile zu euren Aufgaben. Wie kam es dazu?
Freifunker eint, dass sie allen Menschen den freien Zugang zu Wissen und Kultur ermöglichen wollen. Für uns zählt dazu auch, dass wir Menschen, die hierher geflüchtet sind, Zugang zum Internet ermöglichen. Daher bringen wir in den Flüchtlingsunterkünften nach und nach Knotenpunkte an. Es gab einen Stadtratsbeschluss, der im letzten Jahr von allen Fraktionen mitgetragen wurde, der dazu geführt hat, dass die Verwaltung prüft, wie sie Freifunk in Mainz unterstützen kann. Nicht nur finanziell, sondern auch durch das Zurverfügungstellen von Gebäuden und der Ermöglichung des weiteren Ausbaus. Dabei ist der Zugang zum Netz für Touristen an öffentlichen Plätzen ein weiteres Interesse der Stadt, bei dem wir sie unterstützen.
Allgemeine Informationen zum Freifunk in Deutschland finden sich unter: www.freifunk.net
Das Interview führte Julian Weinert