David Silverman referierte in Heidelberg über den Umgang mit Gläubigen

Silverman vs. Gott

Dann kommt er zu seinem Kernthema, einer Art Gebrauchsanweisung für den wirkungsvollen Umgang mit Gläubigen aller Religionen: "Firebrand-Atheismus ist nicht dazu da, Leute zu beleidigen, sie Idioten zu nennen oder für geisteskrank zu erklären, weil dies ein Zeichen schwacher Argumente ist. Schließlich haben wir alles auf unserer Seite: wir haben alle Fakten und jede Unterstützung. Wir haben das stärkste Argument der Welt! Dementsprechend müssen wir handeln", erläuterte Silverman kämpferisch.

Nach seiner Definition sei Firebrand-Atheismus vereinfacht ausgedrückt eine Methode, auf Gläubige zuzugehen und ihnen freundlich aber bestimmt die simple Wahrheit über die Lüge ihrer Religion zu erzählen. Es gehe vordergründig nicht darum, sie umzustimmen oder zur Konversion zu treiben. "Data chances minds!" (Information verändert den Verstand) ist seine Idee; letztlich die Hoffnung der Aufklärung. Dabei solle stets deutlich gemacht werden, dass man nicht die Person angreife, die ja das indoktrinierte Opfer ihrer sozialen Umgebung sei – die wiederum Opfer ihrer sozialen Umgebung gewesen sei -, sondern dass deutlich werde, dass es ausschließlich die Idee sei, die Ideologie, die angegriffen werde. Dabei habe man sich jeglicher Dogmen zu enthalten. "We have data! Data proofs points!"

"Firebrand-Atheismus ist nichts, was man bloß auswendig lernt und dann wiedergibt. Wir sprechen von Wissen", erklärte er weiter. Jemand, der ohne Kenntnis dieser Fakten und ohne kritisches Denken, quasi aus dogmatischen Gründen, Atheist geworden sei, ist für Silverman kein wirklicher Atheist. "Das ist genauso schwach, wie Religion", meinte er bestimmt. Er erläuterte dies am Beispiel von China, wo er zum Auftakt seiner "Fighting God-Tour" in Shanghai war. Dort hätte es für eine lange Zeit einen dogmatischen Atheismus gegeben. Als der Islam in das asiatische Land kam, sei das bisherige Dogma "Es gibt keinen (religiösen) Gott! Der Gott ist der Staat!" von muslimischen Predigern durch das Dogma "Es gibt einen Gott" ersetzt worden. So konnte sich der Islam in China ausbreiten, weil die Chinesen keine Fähigkeit zum kritischen Denken jenseits des dogmatischen Atheismus entwickelt hätten.

Dann erläuterte er dem Publikum in fünf Punkten, wie Firebrand-Atheismus funktioniert: "Erstens: Firebrand-Atheismus ist wirklich einfach. Er hat einen zentralen Punkt: Sage die Wahrheit! Und ich ergänze: Sage die Wahrheit so oft es geht! Es geht um das Mitteilen, es geht nicht um Wissenschaft: Jede Religion ist eine Lüge! Das ist die Wahrheit. Götter sind eine Fiktion! Das ist die Wahrheit. Religion hat deswegen keinen Respekt verdient! Dass Gläubige glauben bedingt keinen Respekt für Religion! Das ist wahr. Wer den Glauben eines Menschen respektiert, sagt nicht die Wahrheit, sondern lügt. Ich als Atheist respektiere keinen religiösen Glauben, weil er lächerlich ist. Menschen jedoch sollte man als Person respektieren. Ich spreche nur vom Glauben und den respektiere ich nicht. Zweitens: Heuchle nie Respekt dem Unrespektierbaren gegenüber."

Silverman trat nicht nur deshalb so konsequent auf, weil Religion in seinen Augen falsch sei, sondern weil sie der Gesellschaft heute zunehmend schade. Dies führte ihn zu Punkt 3: "In Amerika muss man an Gott glauben, um gewählt zu werden. Das ist nicht akzeptabel. Es ist falsch, weil es der Gleichheit der Bürger widerspricht. Wir müssen verlangen, dass sich das ändert, ansonsten lügen wir. Das sollten wir nicht. Viertens: Falls sich jemand durch die Wahrheit beleidigt fühlt, dann deswegen, weil er sich ungleich zu anderen und damit als privilegiert ansieht. Dabei muss man bedenken, dass jeder ab seiner Geburt bis in seine Jugendzeit dahingehend indoktriniert wurde, ob er als Christ, Moslem oder Jude lebt. Dann sehen die Gläubigen Religion als Teil von sich selbst an, als sei es eine genetische oder historische Tatsache. Sie kapieren nicht, dass sie nur wiederholen, was ihre Eltern glaubten und deren Eltern usw. Wenn also jemand sagt: 'Deine Worte beleidigen mich', dann muss man demjenigen klarmachen, dass sich die deutlichen Worte auf den Glauben und nicht auf die Person beziehen. Falls ich sagen würde: 'Ich respektiere den Glauben, weil der andere sich andernfalls beleidigt fühlen könnte', würde ich selbst lügen. Punkt 5: Sollte jemand mittels Religion die Freiheit beschränken wollen, dann sollten wir die Punkte 1 bis 4 benutzen – nur lauter!"

Daraufhin brachte Silverman Beispiele: Mohamed-Karikaturen sollten so oft es geht veröffentlich werden. Nicht um Muslime zu beleidigen, sondern weil der muslimische Umgang mit dem Verbot der Darstellung des Propheten ihn, Silverman, beleidige. Religiöse Gebote gingen Nichtgläubige nichts an. Es gäbe keinen Grund, sich ihnen zu unterwerfen. Wenn man dem nachgebe, was sogar viele Wissenschaftler forderten, unterstütze man indirekt Terrorismus. "Wenn Muslime sagen: 'Zeichnet Mohamed nicht!' und wir als Gesellschaft antworten: 'Okay! Wir wollten Mohamed sowieso nicht zeichnen', unterstützen wir indirekt den Terrorismus. Denn es käme dann noch schlimmer. Diese Freiheit ist nämlich nicht das Letzte, was wir verlieren. Wir hätten dann nämlich keine zufriedenen Muslime, sondern neue Forderungen: 'Schön, dass ihr keine Mohamed-Zeichnungen mehr macht. Missachtet jetzt außerdem den Islam nicht mehr! Zeigt niemals, dass ihr den Islam missachtet!' Dieses Prinzip müssen wir verstehen. Wenn jemand sagt: 'Dies oder das ist gegen meine Religion!', dann tu genau das!"

Silverman lieferte noch weitere Argumentationshilfen für den Umgang mit Gläubigen. Dabei ging es um die wichtigste Zahl beim Kontakt mit Theisten: "Erstens: Die Anzahl der Widerlegungen eines atheistischen Arguments durch ein theistisches Argument ist Null. Dass Gott etwas getan hätte, wurde niemals bestätigt. Gott wurde in der gesamten Weltgeschichte und in allen Religionen niemals bewiesen. Atheismus wurde niemals widerlegt. Falls ich nur einmal falsch liege, stelle ich meine Arbeit ein. Das ist absolut! Alle Filme und TV-Serien, die das anders zeigen, sind Mist.

Zweitens: Die Anzahl von Hellsehern, Dämonen, Ghuls (Anm.: leichenfressende Fabelwesen), Gespenstern oder Geistern ist in der gesamten Weltgeschichte genau Null. In Amerika gibt es die TV-Serie 'Ghost Hunters' mit mittlerweile neun Staffeln. Sie gehen darin mit wissenschaftlich wirkendem Equipment von Spukhaus zu Spukhaus, messen damit alles und stellen dann jedes Mal erstaunt fest: 'Wow! Hier spukt es wirklich!' Neun Staffeln lang! Darin werden nur Lügen verbreitet. Beweist mir einmal das Gegenteil und ich beende meine Arbeit.

Drittens: Die Anzahl der Wunder in der gesamten Weltgeschichte ist Null! In allen Ländern, in allen Religionen. Beweist mir nur einmal das Gegenteil und ich beende meine Arbeit. Das sollte man stets bedenken: Die Anzahl der Beweise für irgendetwas Übernatürliches ist für die gesamte Weltgeschichte, für alle Länder und alle Religionen genau Null. Ein Gegenbeweis reicht und ich beende meine Arbeit." Silverman zeigte sich überzeugt, dass der sich so verbreitende Firebrand-Atheismus der einzig gangbare Weg sei, um Religionen in den nächsten ein oder zwei Jahrzehnten zu überwinden. Man nimmt ihm seinen Optimismus spontan ab, auch wenn leise Zweifel bestehen bleiben.

Die Begründung für dieses selbstsichere Vorgehen liegt in Silvermans oben anhand weniger Beispiele (der Vortrag dauerte über eineinhalb Stunden) dargelegter Erkenntnis begründet, dass es eben bis heute keinen einzigen Beweis für die Richtigkeit auch nur einer religiösen Behauptung gäbe. Kein einziges Wunder – und Wunder sind für ihn keine Überlebenden bei einem Flugzeugabsturz, sondern wenn die Sonne für einen Tag stillsteht oder ein Mann das Meer teilen kann – sei bis heute bewiesen worden. Keine einzige theologische Aussage, die über unser Naturverständnis hinausgehe, sei nachweisbar. Immer wieder versprach Silverman an diesem Abend, dass er sofort seinen Job als Atheist hinschmeißen würde, wenn auch nur ein einziger belastbarer Beweis für die Richtigkeit religiöser Aussagen vorgelegt würde.

Er unterscheide dabei ganz entschieden zwischen den religiösen Komponenten (Existenz eines Gottes, Jenseits, Wunder, Offenbarungen, Wiederauferstehung, Himmelfahrt etc.) und den Komponenten, die man sozial nennen könne – also das, was sich gerade in Deutschland Religionen gerne auf die Fahnen schreiben: Nächstenliebe, karitative Aufgaben, Seelsorge etc. Während Ersteres für Silverman eindeutig auf Lügen basiere, gäbe es Letzteres nicht wegen Religion, sondern weil helfende Menschen empathisch veranlagt seien. Auch ein Atheist könne an Bedürftige spenden oder ihnen in der Not beistehen. Diese sozialen Werte hätten keinen religiösen Ursprung.

Eine engagierte Diskussion, bei der Silverman bereitwillig und ausführlich auf alle Fragen antwortete, schloss sich an seinen Vortrag an. Glücklicherweise kamen nicht die üblichen Gläubigen, die solche Veranstaltungen gerne mit minutenlangen Statements blockieren – vermutlich schreckte sie die englische Sprache ab. So ging es um die praktische Umsetzung von Silvermans Ideen des Firebrand-Atheismus in Deutschland, wo zwar eine andere Grundsituation angetroffen wird, jedoch auch Gemeinsamkeiten, so dass seine Schocktherapie für Gläubige auch an die hiesigen Verhältnisse angepasst werden könne.

Schockiert und überzeugt zugleich hatte die meisten Zuhörer Silvermans kompromisslose Haltung Gläubigen gegenüber. Er zeige niemals Respekt wegen einer religiösen Überzeugung, nicht einmal Muslimen gegenüber (und das als Amerikaner jüdischer Herkunft!). Er sage jedem offen ins Gesicht, dass er jede Form religiöser Überzeugung für eine Lüge halte. Auch in der Diskussionsrunde bot er jedem immer und immer wieder an, sofort seine Arbeit einzustellen, wenn man ihm auch nur einen belastbaren Beweis für Religion vorlege. Damit zeigte er mehr Ergebnisoffenheit, als überzeugte Christen, Muslime oder Juden, die aufgrund ihrer Indoktrination gar nicht ergebnisoffen sein dürfen.

Zum Schluss wünschte sich Silverman von seinem Publikum, jeder möge "Fighting God" möglichst vorab bestellen, bevor das Buch am 1. Dezember in den Handel komme. Natürlich kam hier der Verkäufer seiner Arbeit zum Vorschein, als er versprach, dass er in seinem "Atheistischen Manifest für eine religiöse Welt" die Wahrheit über Religion und deren negative Effekte für die menschliche Gesellschaft sage und wie die wesentlichen Beweise für die Existenz Gottes kurzerhand als ungültig bewiesen werden könnten. Mangelndes Selbstbewusstsein kann man ihm kaum attestieren. Außerdem untersuche er in seinem Buch, ob das Motto "Leben und leben lassen" nicht ethischer sei als Religion.

Er begründete die Notwendigkeit zur Vorbestellung außerdem damit, dass gute Vorverkaufszahlen entsprechend viele Besprechungen in großen Zeitungen zum offiziellen Erscheinungsdatum nach sich zögen. Und dies verbreite die Ideen der American Atheists stärker und sorge dadurch für mehr Resonanz in der Öffentlichkeit. Ein durchaus unterstützenswertes Vorhaben.

Letztlich muss natürlich jeder selbst entscheiden, ob er "Fighting God" kaufen will. Einem Autor kann man nicht verdenken, dass er sein Werk auch kommerziell erfolgreich sehen will. Aber wenn es nur halbwegs so lebendig, humorvoll und engagiert geschrieben ist, wie sich Silverman an dem Abend in Heidelberg präsentierte, lohnt es sich auf jeden Fall. Ob und wann das Buch auf Deutsch erscheint, ist noch ungewiss. Deshalb hier die Daten der amerikanischen Originalausgabe:

David Silverman: Fighting God, Hardcover, 320 S., Thomas Dunne Books, ISBN 978–1–250–064844, 26,99 $ (umgerechnet ca. 25 Euro, ohne Gewähr).