Menschenrechte als Leitlinie unseres Handelns

Eine gemeinsame Vision für die Welt (Teil 1)

Eine der Erkenntnisse der Aufklärung war, dass Menschenrechte nur dann ihre Wirkung und Geltung entfalten können, wenn sie durch Gesetze und Vereinbarungen institutionell abgesichert sind. Umgesetzt wurde diese Erkenntnis im 17-ten und 18-ten Jahrhundert zunächst in England, Nordamerika und Frankreich. Zum Meilenstein in der Geschichte der Gleichheit wurde dann im Jahre 1776 die amerikanische Unabhängigkeitserklärung.

In Deutschland erfolgte die Proklamation der Grundrechte erst 1848 in der Frankfurter Paulskirche. Der Weg in die Demokratie war noch lang. Dennoch brachte auch diese Erklärung neue Impulse im Denken der Menschen. Erstmals tauchte der Gedanke auf, dass soziale Rechte, wie das Recht auf Arbeit, zu den Menschenrechten zählen. Das öffnete den Weg für den Schutz der Arbeiter und für die Bildung von Gewerkschaften. Heute wird der Gleichheitsbegriff immer umfassender verstanden, zum Beispiel als Herstellung gleicher Rechte von Mann und Frau, als Angleichung der Chancen benachteiligter Gesellschaftsgruppen wie behinderter Menschen oder auch als Chancengleichheit bei der (Aus-)Bildung von Jugendlichen aus bildungsfernen Elternhäusern.

Die Aufklärung war auch Voraussetzung für den ökonomischen Aufstieg Europas und Nordamerikas. Dieser Aufstieg fußte auf der Befreiung des Individuums von der Allmacht der Religion, der Freiheit von Wissenschaft und der Übermacht des Staates. Daraus resultieren auch Forderungen an die bürgerliche Gesellschaft nach sozialen Menschenrechten.

Indem man die universellen Menschenrechte lediglich für eine Kulturerscheinung von regionaler Relevanz und Gültigkeit hält, relativiert man sie und macht sie zu einer beliebigen Ansichtssache. Dieser Kulturrelativismus ist eine Geisteshaltung, die zu einer Gleichgültigkeit mit dem Schicksal anderer Menschen führen kann.

Kulturrelativistisches Denken betont immer die Distanz zwischen den Kulturen, anstatt Nähe und Gemeinsamkeiten wahrzunehmen. Anstatt das Augenmerk auf das Verbindende zwischen Menschen verschiedener Kulturkreise zu lenken, werden Differenzen heraufbeschworen als ob es sich bei Menschen eines anderen Kulturkreises um Wesen von einem anderen Stern handeln würde.

Menschenrechte infolge der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft

Die historische Erfahrung systematischer Menschenrechtsverletzungen im Nationalsozialismus und die Zerstörungswucht der ersten Atombomben in Hiroshima und Nagasaki erschütterten die Menschheit derart, dass das dringende Bedürfnis entstand, die Menschen in Zukunft vor derartigem Unrecht zu schützen. Mit diesem Ziel wurden 1945 in New York die Vereinten Nationen als Nachfolgeorganisation des Völkerbundes gegründet. Diese neue Weltgemeinschaft verpflichtete sich in ihrer Charta vom 26. Juni 1945, die Welt vor "der Geißel des Krieges zu bewahren". Sie bekräftigte ihren Glauben an die Würde des Menschen und versprach, bessere Lebensbedingungen für alle Menschen zu fördern.

Kurze Zeit später trat ein Ausschuss von Vertretern der damaligen Mitgliedstaaten zusammen, um einen gemeinsamen Wertekatalog zu erarbeiten. Nach mehr als zweijähriger Arbeit wurde am 10. Dezember 1948 die "Allgemeine Erklärung der Menschenrechte" ohne Gegenstimmen angenommen, und es gab erstmals ein Dokument mit einem umfassenden Katalog von unveräußerlichen Menschenrechten, die für jeden Menschen in jedem Land gelten sollen (Universalität).

Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte enthält eine so weit gehende Sammlung von Rechten, dass deren Verwirklichung nur in einem sehr langwierigen Prozess denkbar ist. Die dort definierten wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte ("Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte" der UN) lassen sich nicht sofort verwirklichen, weshalb man nach Pflichten, die unverzüglich umzusetzen und solchen, die schrittweise zu erfüllen sind, unterscheidet. Mit diesem Konzept der "schrittweisen Verwirklichung" wird vor allem den unterschiedlichen finanziellen Möglichkeiten der Staaten Rechnung getragen.

Der Kampf um die Menschenrechte ist zu einer weltweiten Bewegung geworden. Viele Nichtstaatliche Organisationen (NGOs), Gruppen und Bürgerinitiativen erheben mutig ihre Stimme. Durch massive weltweite Proteste und beherzte Handlungen Einzelner konnte schon viel Leid verhindert oder gemildert werden - für politische Gefangene, für rechtlose Frauen, für schutzlose Kinder. Der lange Kampf für Menschenrechte muss in die Gesetzgebungspolitik sowie in die Tagespolitik aller Länder Eingang finden um Realität zu werde. Die Menschen vor willkürlicher Gewalt zu schützen ist ein permanenter Prozess.

Menschenrechte sind Rechte, die allen Menschen allein auf Grund ihres Menschseins zustehen. Menschenrechte sind keine “Bürgerrechte”, sondern stehen jedem Menschen unabhängig von seiner Staatsangehörigkeit zu. Sie gelten für alle Menschen gleichermaßen.

Niemand darf wegen seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Herkunft, seiner religiösen oder politischen Anschauungen, seiner sexuellen Neigungen, etc. benachteiligt oder bevorzugt werden. Darüber hinaus gebietet der Anspruch auf Gleichstellung die Schaffung von Chancengleichheit und somit das Recht auf die dafür erforderlichen sozialen Leistungen.

Menschenrechte gelten überall und für alle Menschen. Die Universalität der Menschenrechte beschreibt einen umfassenden Geltungsanspruch, der durch Erklärungen und Übereinkünfte zu schützen ist um diese Rechte auch international durchzusetzen.

Menschenrechte werden allgemein verstanden als Abwehrrechte des einzelnen Menschen gegen den Staat zum Schutz seiner Person und seiner Freiheitssphäre. Mit diesen Menschenrechten korrespondiert eine Schutzpflicht des Staates, die auch gegenüber Bedrohungen der Menschenrechte durch dritte Personen besteht. Erst im Zusammenspiel mit dieser staatlichen Schutzpflicht kann ein Menschenrecht vollständig verwirklicht werden.

Menschenrechte sind also egalitär begründete, universell gültige, unteilbare und unveräußerliche Rechte.

(wird fortgesetzt)