Die Antwort hierauf mag vielleicht nicht jedem gefallen, ist aber bestens belegt: Es hat sich gezeigt, dass Sex nicht nur der Motor der biologischen Evolution ist, sondern auch eine der entscheidenden Triebkräfte der kulturellen Evolution. Eben deshalb sollte man in der Kontrolle der Sexualität nicht bloß einen Nebenaspekt religiöser Herrschaft sehen, sondern eine ihrer zentralen Stützen.
Dass die Sexualität eine solch entscheidende Rolle in Natur und Kultur spielt, hatten Forscher seit langem schon vermutet – man denke etwa an die wegweisenden Arbeiten von Sigmund Freud oder Wilhelm Reich. Doch handfeste Belege hierfür wurden erst in den letzten Jahren im Rahmen der evolutionsbiologischen Forschung geliefert, wo etwa Mitte der 1970er Jahre ein regelrechter "Paradigmenwechsel” eingeleitet wurde.
Über lange Zeit hinweg hatten Evolutionstheoretiker den "Kampf ums Dasein” vornehmlich im Sinne eines "Überlebens der (an die Umwelt) am besten Angepassten” ("Survival of the Fittest”) interpretiert, obgleich schon Darwin mit seinem zweiten evolutionstheoretischen Hauptwerk Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl eine fruchtbare zweite Perspektive eröffnet hatte. Mit dem Hinweis auf "geschlechtliche Zuchtwahl” (heute würde man sagen: das "Prinzip der sexuellen Selektion”) hatte Darwin klar gemacht, dass das Überleben des Erbmaterials eines Individuums keineswegs allein davon abhängig ist, ob es sich gegen Fressfeinde durchsetzen oder Feinden entfliehen kann. Mindestens ebenso bedeutsam ist es nämlich, ob das paarungsbereite Individuum potentiellen Sexualpartnern attraktiv erscheint.
Damit hatte Darwin den "Kampf ums Dasein” gewissermaßen um den "Kampf der Geschlechter” ergänzt. Er hatte erkannt, dass nur das Prinzip der sexuellen Selektion erklären konnte, warum sich Pfauenmännchen mit prächtigen Federn schmücken, obwohl dies wertvolle Ressourcen verschlingt und auch bei der Flucht vor Feinden überaus hinderlich ist. Der hier aufscheinende Gegensatz zwischen den Prinzipien der sexuellen Selektion (also dem genetischen Überleben der Attraktivsten) und der natürlichen Selektion (dem Überleben der Bestangepassten) bereitete einigen Generationen von Evolutionstheoretikern arge Kopfschmerzen. Erst mithilfe der Soziobiologie, der vierten Stufe in der Entwicklung der modernen Evolutionstheorie1, konnte dieses Rätsel befriedigend gelöst werden.
Unter soziobiologischer Perspektive ist es nämlich völlig einsichtig, warum Pfauenweibchen ausgerechnet auf Männchen mit prächtigem Federkleid stehen. Warum? Weil sich nur besonders gesunde Männchen den "Luxus”, das "sexy Handicap”, eines prächtigen Federkleids leisten können. Um den Fortbestand der eigenen Gene in den nächsten Generationen zu sichern, ist das Weibchen also gut beraten, sich den attraktivsten, stolzesten Pfau vor Ort zu angeln, sodass dessen Gene dem eigenen Nachwuchs zugute kommen können.
Dass das "Handicap-Prinzip”, sprich: die Erhöhung der eigenen sexuellen Attraktivität durch das Signalisieren teurer, d.h. auf den ersten Blick für die eigene Selbsterhaltung unnötiger Merkmale, auch beim Menschen von großer Bedeutung ist, haben u.a. Matthias Uhl und Eckart Voland in ihrem amüsanten Buch Angeber haben mehr vom Leben aufgezeigt2. Tatsächlich hätte sich wohl kein Mensch je mit Religion, Philosophie oder Kunst beschäftigt, wenn dies nicht auch mit sexuellen Selektionsvorteilen verbunden gewesen wäre. Dies bedeutet keineswegs, dass es etwa bei der Entwicklung der Existentialphilosophie, der Sonatenhauptsatzform, der Dreifaltigkeitslehre oder der impressionistischen Malerei "nur um Sex gegangen wäre”, aber: Ohne die Prinzipien der sexuellen Selektion hätte es zu solchen kulturellen Entwicklungen gar nicht erst kommen können. Das Prinzip der sexuellen Selektion bildet also gewissermaßen die biologische Basis, die den kulturellen Überbau überhaupt erst entfalten lässt.
Selbstverständlich waren den diversen Religionsgründern und ihren Anhängern solche Zusammenhänge nicht bekannt, aber sie hatten doch (unbewusst) ein gutes Gespür für die enorme kulturelle Bedeutung der Sexualität, was wiederum den besonderen Stellenwert sexueller Normen innerhalb der religiösen Regelsysteme erklärt. Dass diese sexuellen Normen sowohl in der Bibel/Thora als auch im Koran patriarchalen, polygynen3 Mustern folgten, d.h. dass sie darauf angelegt waren, hinreichend vermögenden Männern das Recht einzuräumen, gleich mehrere Frauen zu "besitzen”, muss uns nicht verwundern. Etwas anderes wäre vor dem Hintergrund unserer biologischen Grundausstattung4 sowie der damals vorherrschenden soziokulturellen Rahmenbedingen auch kaum möglich gewesen. Schließlich entstammten diese Sexualnormen orientalischen Hirtenkulturen, die nicht nur eine starke Diskrepanz zwischen Arm und Reich aufwiesen, sondern auch ein hohes, kriegsbedingtes Defizit an Männern.
Daher ist es keineswegs erstaunlich, dass die Bibel von König Salomon berichtet, er habe über 700 Ehe- und 300 Nebenfrauen verfügt. Jahrhunderte später begrenzte Mohammed die Standardzahl der Ehefrauen pro Mann auf höchstens vier, wobei er sich selbst jedoch einen etwas größeren Harem von zehn Ehefrauen und zwei Konkubinen zugestand. Dass dieser Anspruch des "Propheten” verhältnismäßig bescheiden war, zeigt ein Vergleich mit dem Serail über dem Goldenen Horn. Dort lebten nämlich zeitweise mehr als eintausend Frauen, strengstens bewacht von eigens dazu abgestellten Eunuchen, die garantierten, dass nur ein fortpflanzungsfähiger Mann diese Frauen beehrte: der osmanische Sultan.5
Es ist nicht verwunderlich, dass sich die sexuellen Normen der abrahamitischen Religionen vor dem Hintergrund solcher soziokulturellen Rahmenbedingungen auf "männliche Besitzstandswahrung” konzentrierten. Deshalb wurden "sexuelle Delikte” wie Ehebruch in den entsprechenden religiösen Regelwerken so scharf geahndet. Dies ist auch der Grund, warum wir in den jeweiligen "heiligen Schriften” bzw. in der auf sie aufbauenden theologischen Literatur so viele präventive Mittel finden, die einen möglichen Seitensprung der Frauen von vornherein verhindern sollen. Viele dieser traditionellen Präventionsmittel finden bekanntlich auch heute noch Verwendung, etwa das Kopftuch bzw. die Vollverschleierung, mit deren Hilfe die ach so gefährlichen weiblichen Reize verdeckt werden sollen, die rigide Trennung der Geschlechter oder (besonders drastisch) die bis heute virulente Unsitte der Klitorisverstümmelung.
Als nun diese orientalischen Sexualnormen im Zuge der Ausbreitung des Christentums auf den europäischen Kontinent übertragen wurden, gingen zwar deren polygyne Züge verloren (in den bäuerlichen Kulturen des frühen Mitteleuropas mussten Mann und Frau gemeinsam für den oft kärglichen Lebensunterhalt sorgen, was eher monogame Paarbildungen begünstigte), der patriarchale Charakter der religiösen Sexualmoral blieb jedoch selbstverständlich erhalten. Ja, man muss sogar sagen, dass die bereits im Judentum und Islam kultivierte Angst vor der starken Frau im mittelalterlichen Christentum durch die zwanghafte Assoziation des Weiblichen mit Lust, Schmutz und Teufel noch weiter gesteigert wurde – einer der vielen Gründe für die verheerenden Hexenverfolgungen in Europa.
Doch letztlich war die Emanzipation der Frau, die der Emanzipation des Bürgertums folgte, nicht aufzuhalten. Und so feierte die Frauenbewegung Anfang des 20. Jahrhunderts ihre ersten großen Erfolge. Immer mehr Frauen begannen, ihre Stellung in Familie und Gesellschaft kritisch zu reflektieren. Zudem wurde es dank der Ende der 1960er Jahre einsetzenden "sexuellen Revolution” auch hierzulande leichter, unbefangen über die eigenen erotischen Vorlieben zu sprechen. So mussten sich auch Schwule, Lesben, Bisexuelle, Transsexuelle, Swinger etc. nicht länger verstecken, sondern traten immer selbstbewusster ans Licht der Öffentlichkeit. Dabei war die Geschwindigkeit dieses gesellschaftlichen Veränderungsprozesses gerade in den letzten Jahrzehnten atemberaubend: Ein Bekenntnis wie das des Regierenden Bürgermeisters von Berlin, Klaus Wowereit, ("Ich bin schwul – und das ist auch gut so!”) wäre nur wenige Jahre zuvor einem politischen Genickbruch gleichgekommen.
Bislang wurde nur wenig reflektiert, welche Rückwirkungen diese – alles in allem – überaus erfolgreiche Geschichte der sexuellen Befreiungsbewegungen auf die Glaubensfestigkeit der Menschen hierzulande hatte. Ich wage zu behaupten, dass die "sexuelle Revolution” den traditionellen Religionen letztlich einen weit empfindlicheren Schlag noch versetzte als alle akademischen religionskritischen Schriften der letzten Jahrhunderte zusammengenommen. Dass die Kirchenaustritte seit Ende der 1960er Jahre so dramatisch zunahmen, ist sicherlich nicht zuletzt auf die gleichzeitig einsetzende und immer weiter voranschreitende "Kritik des Unterleibs” zurückzuführen, die die traditionelle Kritik der Vernunft auf höchst wirkungsvolle Weise unterstützte.
Allerdings wäre es grundverkehrt, würde man sich heute mit dem Erreichten zufrieden geben und die "sexuelle Revolution” für "erfolgreich beendet” erklären. Es gibt viele gute Gründe, die deutlich dagegen sprechen, nun die Hände in die von religiösen Ansprüchen offenbar weitgehend befreiten Schöße zu legen. Ich möchte hier nur drei Punkte nennen:
Erstens: Wir sollten nicht übersehen, dass dem in sexueller Hinsicht verhältnismäßig (!) aufgeklärten Mitteleuropa weite Teile der Welt gegenüberstehen, die immer noch von einer rigiden sexuellen Zwangsmoral beherrscht werden. In einer Welt, in der sog. "Ehebrecherinnen” oder Homosexuelle tagtäglich um ihr Leben fürchten müssen, hat die sexuelle Revolution nicht einmal ihr erstes Etappenziel erreicht.
Zweitens: Auch Mitteleuropa wird zunehmend zum Missionsgebiet religiös inspirierter Initiativen zu einer "sexuellen Gegenrevolution”. Stichwortgeber hierfür sind nicht nur umtriebige islamische Fundamentalisten, die wohl nicht Ruhe geben werden, bevor auch noch die letzte Frau auf Erden ordnungsgemäß verhüllt ist, sondern auch christliche Eiferer, die mit Hetzkampagnen gegen Schwule, gegen Empfängnisverhütung und Schwangerschaftsabbruch, mit Initiativen für "Keuschheit”, "Sittlichkeit” und traditionelle Geschlechtsrollenmodelle das Rad der Geschichte in ihrem Sinne zurückdrehen wollen.
Drittens: Einige der ursprünglich religiös codierten Sexualnormen haben leider auch in vielen säkularen Köpfen überlebt. Und so kann man altbackene Geschlechterrollenstereotype, längst überkommene "Sittlichkeits”-Vorstellungen, mitunter sogar ausgewachsene Formen von Homophobie, auch in der säkularen Szene allzu häufig anzutreffen. "Freie Liebe für freie Geister?” – das mag ein guter Slogan für eine säkulare Aufklärungskampagne sein, aber mit der Realität hat dies leider, wenn man etwas genauer hinschaut, nur relativ wenig zu tun.
Um nicht gleich missverstanden zu werden (und ich weiß, dass einige konservativere Humanismustheoretiker dies gerade bei diesem Thema mit Vorliebe tun): Mit "freier Liebe” meine ich keineswegs jenen "Hegelianismus des Unterleibs”, von dem sich einige 68er die "Weltrevolution per Orgasmusreflex” erhofften. Es geht hier auch nicht um die zwanghafte Vorstellung einer "Promiskuität um jeden Preis” ("Wer zweimal mit der gleichen pennt, gehört schon zum Establishment”).
Wenn die Begriffe "freie Liebe” und "selbstbestimmte Sexualität” Sinn machen sollen, so doch nur, wenn damit gemeint ist, dass jedes Individuum prinzipiell – die Zustimmung der jeweiligen Sexualpartner vorausgesetzt – das Recht hat, seine Vorstellungen von Liebe und Sexualität so zu verwirklichen, wie er oder sie sich dies für sein bzw. ihr Leben vorstellt. "Freie Liebe” kann also selbstverständlich auch bedeuten, dass man sich aus freien Stücken für monogame, heterosexuelle Zweisamkeit entscheidet. Nur: In einer "offenen Gesellschaft” gibt es wahrhaft keinen einzigen vernünftigen Grund dafür, dieses spezielle Partnerschaftsmodell einseitig zu privilegieren oder gar den moralischen oder juristischen Zeigefinger zu erheben, nur weil andere Menschen nun einmal andere Lebensformen (etwa homosexuelle, bisexuelle, polygame, autoerotische, virtuell-erotische oder asexuelle) vorziehen!
Von einer solch toleranten, liberalen Leitidee sind religiöse Fundamentalisten bekanntlich am allerweitesten entfernt. Es wird daher notwendig sein, ihrem Missionseifer mit aller Entschiedenheit entgegenzutreten und die errungenen Freiheiten – gerade auch auf sexuellem Gebiet! – unerschrocken zu verteidigen. Möglicherweise ist es ja kein Zufall, dass die Frage "Bist du schon aufgeklärt?” eine so starke sexuelle Komponente enthält. Jedenfalls sollten wir nicht aus den Augen verlieren, dass der sog. "Kampf der Kulturen” nicht zuletzt auch ein Kampf um sexuelle Selbstbestimmungsrechte ist.
Machen wir uns also stark für eine Welt, in der mutige Menschen wie Mina Ahadi nicht mehr von der Wut gepackt werden, wenn das Stichwort "Sex” fällt. Die aus der Türkei stammende Journalistin Arzu Toker, Ex-Muslimin und Islamkritikerin wie Ahadi, zeigte kurz nach dem Workshop "Let’s talk about sex!” ganz praktisch auf, in welche Richtung es gehen könnte. Nachdem die anwesenden Fotografen einige Bilder geschossen hatten, knüpfte sie sich und ihrer iranischen Mitstreiterin die beiden oberen Knöpfe der Bluse auf und rief den Fotografen frech-unfromm-fröhlich zu: "Und jetzt bitte noch ein Bild für unsere ganz speziellen Freunde – die Mullahs…”
Anmerkungen:
1 vgl. hierzu Schmidt-Salomon, Michael: Auf dem Weg zu einer "Einheit des Wissens”? Anmerkungen zur Geschichte der Evolutionstheorie sowie zur notwendigen Überwindung biologistischer und kulturistischer Denkmodelle. In: Aufklärung und Kritik 2/2006.
2 Uhl, Matthias / Voland, Eckart: Angeber haben mehr vom Leben. Heidelberg 2002.
3 Zur Erläuterung: In polygynen Kulturen lebt ein Mann mit mehreren Frauen zusammen, in polyandrischen Kulturen eine Frau mit mehreren Männern. Es ist sehr auffällig, dass es in der Geschichte der Menschheit weit mehr polygyne als polyandrische Kulturen gab: 16 Prozent aller bekannten Kulturen pflegten die Monogamie, 83 Prozent die Polygynie und weniger als 1 Prozent die Polyandrie.
4 Der biologische Unterschied zwischen typisch männlichen und typisch weiblichen Sexualstrategien lässt sich folgendermaßen formulieren: Da Männchen eine ungeheure Menge von Samenzellen produzieren, sind sie darauf aus, sich mit möglichst vielen Weibchen zu paaren, um ihr Genmaterial weiterzugeben. Weibchen hingegen produzieren relativ wenige fruchtbare Eizellen und müssen daher versuchen, Männchen an sich zu binden, um mit ihnen das Überleben der Nachkommen zu sichern. Entgegen alter Vorurteile bedeutet dies übrigens nicht, dass Weibchen notwendigerweise "treuer” sind als Männchen. Jedoch zielen sie im Unterschied zu den Männchen eher auf eine hohe Qualität, nicht auf eine hohe Quantität ihrer Sexualpartner. Obgleich beim Menschen derartige biologische Sexualstrategien kulturell überformt sind, lassen sie sich auch im Falle unserer Spezies statistisch signifikant als grundlegende Verhaltenstendenzen nachweisen.
5 vgl. Dörrzapf, Reinhold: Eros, Ehe, Hosenteufel. Eine Kulturgeschichte der Geschlechterbeziehungen. Frankfurt/M. 1995, S. 71ff.
14 Kommentare
Kommentare
Klaus Bernd am Permanenter Link
Zu diesem Thema: ist es nicht an der Zeit von der r.k.K., Ergebnisse der 2013 beauftragten Studie zu den Pädophilenskandalen einzufordern ? Nachdem anstelle des kriminologischen Instituts von H.
Nicht dass man von dieser Kommission überraschende Ergebnisse erwarten könnte (ich möchte wetten sie laufen auf das altbewährte Schema „Fehler im Verhalten aber nicht in der Lehre“ hinaus) aber es wäre doch mal an der Zeit, dass sie wenigstens präsentiert werden.
Norbert Schönecker am Permanenter Link
1) Das Thema Abtreibung hat nichts mit Sexualmoral zu tun. Es gehört nicht in diesen Artikel. Deshalb werde ich es hier auch nicht weiter diskutieren.
2) "Keuschheit" bedeutet entgegen einem (auch in der Kirche) weitverbreiteten Irrtum nicht Enthaltsamkeit. Sie meint Selbstbeherrschung im sexuellen Bereich. Deshalb ist ausnahmslos jeder Mensch zur Keuschheit verpflichtet. Wer seinen Sexualtrieb nicht unter Kontrolle hat ist eine Gefahr für seine Mitmenschen.
3) Die Anmerkung 4 ist eine gute Beobachtung. Offenbar wollen Männer und Frauen tendeziell ihre Sexualität etwas anders ausleben. Das birgt Konfliktstoff. Wenn jeder macht, was er will, wird eine Partnerschaft nicht möglich sein - die Interessen (oder eher: Triebe) sind zu verschieden. Es braucht Regeln.
4) Für fast alle Menschen ist Sex im Idealfall mit Liebe verbunden. In der gegenwärtigen Populärkultur und v.a. in der Werbung kommt diese Verbindung zu kurz. Es wäre wichtig, den Sex wieder zu entbanalisieren.
5) Dass die Kirche sexbesessen wäre entspricht nicht den Tatsachen, jedenfalls nicht in der Gegenwart. Ich habe, so weit ich mich erinnern kann, noch nie eine Predigt zu diesem Thema gehört. Im Katechismus der Katholischen Kirche nimmt die Sexualmoral gerade einmal 70 von 2865 Punkten ein. Von den 133 Enzykliken der letzten 10 Päpste ging es in vier um Sexualmoral (ein Mal um Ehe, ein Mal um Zölibat, ein Mal um Jungfräulichkeit, ein Mal um Weitergabe des Lebens). Zum Vergleich: In 11 Enzykliken ging es um soziale Fragen, in 12 um den Frieden. Da ist das Fernsehprogramm doch viel sexbesessener.
6) Das europäische Mittelalter war eine enorm vielfältige Epoche. Neben der erwähnten Erniedrigung der Frau gab es auch den hohen Minnesang, die Marienverehrung, Kirchenlehrerinnen und die Möglichkeit, ohne Mann hoch angesehen zu leben (im Kloster oder auch einfach als selbständige Handwerkerin). Die Frau hatte im Mittelalter (spätestens ab dem Hochmittelalter) wahrscheinlich mehr Freiheit als in der frühen Neuzeit.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
"Deshalb ist ausnahmslos jeder Mensch zur Keuschheit verpflichtet. Wer seinen Sexualtrieb nicht unter Kontrolle hat ist eine Gefahr für seine Mitmenschen."
Sie hegen also weiterhin die These, dass Enthaltsamkeit (die extremste Form Sexualkontrolle durch Keuschheit) unsere Mitmenschen entschärft? Wobei Masturbation ja verboten ist...
Das erklärt sicher, warum zölibatär lebende Priester, die also extrem keusch leben, weil sie ihre Sexualität perfekt kontrollieren, niemals durch sexuelle Übergriffe auffallen. Schon klar...!
Norbert Schönecker am Permanenter Link
Was Sie da schreiben ist völlig daneben. Entweder konnten oder wollten Sie meinen Kommentar nicht verstehen.
So ist z.B. ein Mann, der seiner Partnerin völlig treu ist (sogar in Blicken und Gedanken) und außerdem auf ihre Bedürfnisse Rücksicht nimmt, absolut keusch. Die Frequenz der sexuellen Aktivität spielt dabei überhaupt keine Rolle. Wenn er und seine Frau wollen und können, dann sollen sie drei Mal täglich einander erfreuen. Er ist immer noch keusch. Er ist keuscher als ein Priester, der selbst nur in Gedanken gegen die Enthaltsamkeit verstößt. Wenn seine Frau gerade z.B. auf Geschäftsreise ist und von ihm Treue verlangt, dann muss er sich zurückhalten, und dann ist die Keuschheit sehr auf dem Prüfstand.
Die Enthaltsamkeit entschärft unsere Mitmenschen überhaupt nicht. Die Keuschheit (=Selbstbeherrschung) entschärft sie. Zölibat ist nicht gleichbedeutend mit hoher Keuschheit, sondern benötigt sie.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
"Was Sie da schreiben ist völlig daneben."
Aus Ihrer Sicht. Aber das ist nicht die einzig denkbare.
"Die Enthaltsamkeit entschärft unsere Mitmenschen überhaupt nicht. Die Keuschheit (=Selbstbeherrschung) entschärft sie. Zölibat ist nicht gleichbedeutend mit hoher Keuschheit, sondern benötigt sie."
Hier schreiben (behaupten!) wie erneut, dass Keuschheit unsere Mitmenschen entschärfen würde. Das ist für mich gleichbedeutend mit: Kontrolle der Sexualität. Ich bezog mich auf diese Passage in Ihrem vorherigen Kommentar:
"2) "Keuschheit" bedeutet entgegen einem (auch in der Kirche) weitverbreiteten Irrtum nicht Enthaltsamkeit. Sie meint Selbstbeherrschung im sexuellen Bereich. Deshalb ist ausnahmslos jeder Mensch zur Keuschheit verpflichtet. Wer seinen Sexualtrieb nicht unter Kontrolle hat ist eine Gefahr für seine Mitmenschen."
Also ist der Sexualtrieb Ihrer Meinung nach die Wurzel allen Übels (Gefahr für die Mitmenschen), der unter Kontrolle gebracht werden muss (!), um KEINE GEFAHR MEHR FÜR DIE MITMENSCHEN darzustellen.
Die Enthaltsamkeit, da sind wir uns ja einig, ist eine Extremform der Kontrolle oder Selbstbeherrschung des "bösen" Sexualtriebes. Aber eben mit ihr verwandt. Warum nun die extreme Selbstkontrolle oder extreme Keuschheit eines Priester ausgerechnet diesen NICHT entschärfen soll (schließlich gibt es genügen Beispiele für sexuelle Übergriffe im klerikalen Bereich, gerade dort, wo der Zölibat noch gelebt/erlitten wird), geht mir nicht auf.
"So ist z.B. ein Mann, der seiner Partnerin völlig treu ist (sogar in Blicken und Gedanken) und außerdem auf ihre Bedürfnisse Rücksicht nimmt, absolut keusch."
Ja, der liebe Herr Jesus, der sogar die Blicke eines Mannes einer Frau hinterher als Ehebruch tituliert (und deswegen indirekt die Steinigung fordert, die ja Gesetz im AT ist, von dem laut Jesus kein Wort weggenommen werden darf).
"Blicke und Gedanken"!!!!! Wissen Sie eigentlich nicht, wie weltfremd das ist? Es ist vollständig widernatürlich, dass ein gesunder Mann nicht einer schönen Frau hinterherschaut und es wäre sonderbar, wenn er dabei keine "Gedanken" bekäme, ob er verheiratet ist oder nicht.
Diese Forderung von Jesus (die Sie wiederholen) ist absolut unrealisierbar! Ein Mann, der behauptet, er habe noch nie mit lüsternen Gedanken einer Frau hinterhergeschaut, lügt; und da trifft sich dieses "Gebot" mit Religion: beide verleiten zum Lügen, wenn man sie ernstnimmt.
Aber allein die Tatsache, dass sich der Katholizismus z.B. überhaupt damit beschäftigt, ob Männer Frauen hinterherschauen DÜRFEN oder nicht - und die Männer entsprechend als "unkeusch" brandmarkt, mit einem direkten Platzverweis in die Hölle am besten, das ist a) ein Skandal und treibt b) die Menschen nach und nach aus diesem die Intimität seiner Mitglieder verletzenden Verein.
Das gleiche mit der Selbstbefriedigung: Diese ist im religiösen Sinne das Gegenteil von Selbstbeherrschung. Auf biologische Fakten wird dabei keine Rücksicht genommen. Der Mann soll per Gedankenkontrolle seine Hoden anweisen, keine Spermien mehr zu bilden. Ansonsten müssten zölibatär lebende Priester, Bischöfe, Kardinale oder Päpste sich ja selbst beflecken - oder platzen. Und das geht ja mal gar nicht.
Ich weiß nicht, ob Sie je ein normales Sexualleben hatten. Aber das ist der Normalzustand. Ihre Enthaltsamkeitsgebote sind total widernatürlich und führen automatisch zur Frustration - was sich in Missbräuchen Schutzbefohlener äußern KANN. Glücklicherweise sind viele Priester schwul, so dass sie ihre natürlichen Bedürfnisse im Privaten untereinander befriedigen können. Sexualität sucht sich nämlich immer ein Ventil. Das mag Ihrem "Gott" ein Gräuel sein oder nicht. Er hat die Menschen schließlich sexuell erschaffen - zumindest Ihrem Kinderglauben nach.
Religion ist nicht nur gefährlich, sondern auch ungesund.
Der Umkehrschluss, den Sie vermutlich dem Teufel zuschreiben wollen, heißt übrigens nicht, dass Treue keine Rolle spielen soll. Nur wird Treue heutzutage anders definiert. Das ist nämlich reinste Privatsache in Beziehungen, die nur die Betroffenen etwas angeht. Wenn die Frau auf Geschäftsreise ist und sie es okay findet, wenn ihr Mann sich durch den Anblick fremder Frauen Appetit bis zu ihrer Rückkehr macht, dann hat sich da absolut jeder Dritte rauszuhalten. Und wenn die Keuschheit eines Partner dem anderen nicht ausreicht, dann gibt es das Mittel der Trennung.
So funktionieren Beziehungen im 21. Jh. wesentlich konfliktfreier, als in Zeiten der lebenslangen Zweckehe jungfräulicher Partner - dem früheren (jetzigen?) katholischen Ideal.
Thomas Göring am Permanenter Link
Guten Tag, Herr Schönecker. Ein paar Fragen & Anmerkungen zu einigen Aussagen Ihrer Kommentare:
1.) Seit wann trennen klerikale Apologeten die Themen Abtreibung und Sexualmoral? Warum gehört "das Thema Abtreibung" Ihrer Ansicht nach "nicht in diesen Artikel"? - Rein zufällig stieß ich soeben auf die Internetseite einer "Deutschen Vereinigung für eine Christliche Kultur (DVCK) e.V.". Diese zitiert eine "Dokumentation: Papst Benedikt der XVI. über Abtreibung, Familie und Sexualmoral in seiner letzten Enzyklika 'Caritas in Veritate' (Liebe in Wahrheit) Nr 44." Wieso kann Herr Ratzinger als Papst Abtreibung und Sexualmoral zusammenhängend abhandeln, aber Herr Schmidt-Salomon darf das Ihrer Meinung nicht? - Und ist es nicht gerade so, dass ein weitestreichendes Verbot der Abtreibung Ziel aller konservativen monotheistischen Organisationen & Strömungen ist, nämlich die darin enthaltene religiös diktierte Verfügung über den Körper der gebärfähigen Frauen, um letzteren in deren persönlicher Notlage den Ausweg eines Schwangerschaftsabbruchs mittels des Strafrechts zu untersagen? (Ja, was ist theistische Religion schon ohne Strafdrohung?!) Und wie schnell ist beim "Thema Abtreibung" das (g)eifernde christliche Verdammungsurteil vom "Mord am ungeborenen Leben" zu vernehmen! Es geht theistischer Religion & Kirche/Moschee um die Verfügung über die Frauen als Gebärerinnen zur Mehrung der Schar der (Recht-)Gläubigen durch möglichst hohe Geburtenzahlen. Und da hat der Körper der Frau gefälligst als Gebärmaschine parat zu stehen.
2.) Die Kirche sei nicht sexbesessen, usw. - Unabhängig von Ihrer kleinen Predigten- und Katechismus-Statistik hierzu (als ob es auf die Masse statt auf die Klasse bzw. auf die Menge statt auf den Inhalt ankäme, wofür halten Sie die Leser hier eigentlich?) ist allerdings die von Ihnen selber gemachte Einschränkung Ihrer Aussage zu beachten, die da lautet: "jedenfalls nicht in der Gegenwart". D.h. aber mit Ihrer eigenen Wortwahl sagen Sie unausgesprochen aus, dass es in der Vergangenheit eben doch anders gewesen ist, nämlich (was Sie natürlich so nicht sagen): fanatisch sexualfeindlich. Was meinen Sie wohl, weshalb Sie vorsichtshalber vorab zu Ihrer o.g. Einschränkung gegriffen haben?
Zudem wirft Ihre Hervorhebung, die Kirche sei nicht "sexbesessen", eine andere Frage auf: Wie ist es denn nur möglich, dass insbesondere in Ihrer (= röm.-kath.) Kirche immer wieder aufs Neue Fälle von körperlicher und seelischer Kindesmisshandlung einschließlich sexuellen Kindesmissbrauchs durch Kleriker auftreten bzw. (oftmals erst nach jahrelanger Vertuschung) an das Tageslicht der Öffentlichkeit gelangen? Somit gibt es weiterhin eine Menge auf äußerst hässliche Weise sexbesessene Kirchenleute, - und das fällt selbstredend auf die Kirche(n) zurück.
Von Leuten, die nicht müde werden, landauf & landab Tag für Tag zu predigen und lauthals hinauszuposaunen, dass allein der Mensch "die Krone der Schöpfung" und das wahre "Ebenbild Gottes" sei - somit über allen Tieren (einschließlich der Affen & Menschenaffen) stehe -, ist dies doch wohl ein peinliches Bild; finden Sie das nicht auch?
3.) Das europäische Mittelalter sei eine enorm vielfältige Epoche gewesen: mit Minnesang & Marienverehrung & Kirchenlehrerinnen, usw. - Liest man so etwas ohne historisches Hintergrundwissen, so könnte man doch beinahe denken: Schade, dass all das vorbei ist! - Bei aller (in Deutschland seit dem frühen 19. Jahrhundert) gängigen sozialromantischen Mittelalter-Verklärung stellen sich mir aber v.a. folgende bohrende Fragen: Wer aus der unmittelbar produzierenden Mehrheits-Masse (ca. 95%) der Bevölkerung profitierte denn sozial oder kulturell von dieser religiösen "Vielfalt"? Wer außer den Kirchenangehörigen konnte damals überhaupt lesen und schreiben? Wie human & edel war denn wohl das feudalistische christliche Mittelalter, das auf der Ausbeutung von Bauern & Bürgern durch Adel & Kirche beruhte - und daher immer wieder auch zu Bauernaufständen führte (die von den "edlen christlichen Herren" jedesmal blutig niedergeschlagen wurden - selbstredend einschließlich bestialischer Folter & Abschlachtung von Aufrührern & Mitstreitern, denn "alle Obrigkeit ist von Gott"...)?
Zudem war dies die Zeit der Kreuzzüge & Inquisition & Ketzer-Verfolgungen bzw. -Verbrennungen (betreffend v.a. Waldenser, Katharer, John Wyclif posthum, Jan Hus); - und die Inquisition mitsamt Folter & Mord an "Ketzern" & "Hexen" hielt sich noch bis Ende des 18. Jh. (im hochkatholischen Spanien sogar noch bis ins 19. Jh. hinein). Also insgesamt etwas, wo mir persönlich als neuzeitliche Parallelen prompt die Verfolgungen & Schauprozesse der Jahrzehnte des stalinistischen Terrors (von der Sowjetunion über Osteuropa bis nach China & Korea) vor Augen kommen.
Heutiges einseitiges Lobpreisen des christlichen Mittelalters empfinde ich zugleich als Verhöhnung seiner Opfer noch im Nachhinein; so etwas ruft in mir schlichtweg körperlichen Ekel hervor.
Deshalb pflege ich die Katholische Kirche auch als die Kommunistische Partei des Mittelalters zu bezeichnen, denn beider führendes Personal hat sich allzu oft & lange ziemlich identisch benommen: sorry, Herr Pfarrer. - Ich erwähne das ausdrücklich, denn z.B. auf der Internetseite der Richard Dawkins Foundation setzen Sie in einem Ihrer Kommentare zum Artikel "Hört auf zu beten, bedient euch eures Verstandes" (http://de.richarddawkins.net/articles/hort-auf-zu-beten-bedient-euch-eures-verstandes) völlig ungeniert Atheisten bzw. Religionsfreie mit Nazis & Stalinisten gleich und machen erstere so für die allergrößten Menschheitsverbrechen verantwortlich, - selbstredend unter völliger Außerachtlassung sowohl der Zusammenarbeit beider Kirchen in Deutschland mit dem Hitlerregime sowie der römischen Kirche in Frankreich mit dem Vichy-Regime sowie ferner des (von den Nazis unterstützten) katholischen Klerikalfaschismus (Franco-Diktatur in Spanien, Tiso-Diktatur in der Slowakei, Ustascha-Diktatur in Kroatien) und außerdem etlicher katholischer Militärdiktaturen v.a. in Südamerika (bis hin zum Erzkatholiken Pinochet)...
In Ihrem Kommentar dort behaupten Sie zuguterletzt vollmundig, "dass Beten den Fanatismus nicht fördert." Dabei räumen Sie dann gleich wieder ein, dass es auch gefährliche betende Fanatiker gibt.
Damit jedoch erweist sich (freundlich formuliert) Ihre Behauptung über das Beten als empirisch nicht nachprüfbar - und letztlich auch als widersinnig. Und dass beispielsweise o.g. katholische Diktatoren überaus fleißige Beter waren (und ihre Gebete auch ernstgemeint hatten, weil sie sich selber als allerkonsequenteste Verteidiger der "christlichen Kultur gegen Kommunismus und Liberalismus" verstanden), ist aus ihren Täterbiografien hinlänglich bekannt.
Für diese besagten Herrschaften ebenso wie für mittelalterliche & frühneuzeitliche Inquisitoren & Ketzermörder und für klerikalfaschistische Folterschergen sowie auch für religiös-terroristische Figuren wie z.B. Bin Laden oder Al Baghdadi (IS) war/ist doch gerade und erst recht "mit Gott alles erlaubt". - Die von Christen gerne & vielfach gegen Atheisten bemühte bekannte Phrase von Dostojewski - "ohne Gott ist alles erlaubt " - hat sich insbesondere damit via facti erledigt.
Norbert Schönecker am Permanenter Link
S.g. Herr Göring!
ad 1) In der Enzyklika "Caritas in veritate" kommt die Abtreibung in Kapitel zwei unter Nummer 28 vor, die Sexualmoral in Kapitel vier unter Nummer 44. Sie gehören also nicht zusammen. Dazwischen geht es - wie überhaupt in dieser Enzyklika - um wirtschaftliche Gerechtigkeit. Auch die Sexualmoral wird hier ausschließlich unter dem Aspekt "Gerechtigkeit" betrachtet. Gefordert wird nämlich die Verantwortung der Eltern bei der Familienplanung.
Als offizieller Vertreter der Katholischen Kirche kann ich Ihnen versichern: Es geht mir beim Thema "Abtreibung" ausschließlich um das Recht auf Leben. Übrigens wird gerade von der Katholischen Kirche die Jungfräulichkeit (samt konsequenter Kinderlosigkeit) auch der Frau sehr hoch geachtet, was Ihrer Behauptung diametral entgegensteht.
ad2) Bei der Diagnose "Sexbesessenheit" kommt es sehr wohl auf die Quantität statt auf den Inhalt an. Wer alle zwei Wochen exzellenten Sex hat, ist z.B. ganz sicher nicht besessen.
Zu meiner Einschränkung kam ich, weil ich natürlich weiß und auch nicht leugne, dass es v.a. im volkskirchlichen Bereich die von Ihnen genannten sexualfeindlichen Phasen gab. Aber die sind eben fast überall vorbei. (Außer offenbar in der "Deutschen Vereinigung für eine Christliche Kultur (DVCK) e.V.", auf die ich jetzt durch Sie gestoßen bin und die ich bald als entbehrlich vergessen werde)
Sexbesessene Kirchenleute gibt es prozentuell wahrscheinlich ähnlich viele wie sexbesessene Sporttrainer, Erzieher, Stiefväter etc. Das ist tragisch, weil wir als Kirche einen höheren moralischen Anspruch haben (noch viel tragischer ist es natürlich für die Opfer, denen unser moralischer Anspruch angesichts des Leides eher wurscht ist).
Peinlich ist es - da haben Sie recht.
ad3) Ich bin gegen jede Einseitigkeit. Das Mittelalter bot im Vergleich zu frühen Neuzeit der großen Bevölkerungsmehrheit Vorteile und Nachteile. Das von mir verwendete Wort "Vielfalt" ist ja nicht zwingend ein positiver Begriff. Manche Menschen (z.b. alleinstehende Frauen) hatten es im Mittelalter meist leichter. Andere (z.B. religiöse Querdenker) hatten es in der frühen Neuzeit leichter, weil sie wenigstens auswandern konnten.
"Wer außer den Kirchenangehörigen konnte damals überhaupt lesen und schreiben?" - mir fallen ein: adelige Damen und Juden. Verboten war es jedenfalls nicht. Die Kirche hat diese Kunst aber gepflegt, was ihr nicht zum Vorwurf gemacht werden sollte.
Den Vorwurf, dass ich "Atheisten bzw. Religionsfreie mit Nazis & Stalinisten gleichsetze" weise ich energisch zurück. Ich wollte im betreffenden Kommentar deutlich machen, dass Verstand ohne Beten die Menschen nicht zwangsläufig bessert. Sie selbst setzen ja (hoffentlich) auch nicht Katholiken mit Klerikalfaschisten gleich.
Tatsache ist, dass es betende und nicht-betende Fanatiker gab und gibt. Ein statistischer Zusammenhang wäre prinzipiell sehr wohl nachprüfbar. Eine gute Untersuchung würde auch die Art des Gebets berücksichtigen (ist es mehr Reden oder mehr Versenkung). Ich vermute, dass Fanatiker eher zum redenden Gebet neigen, weil sich nämlich Fanatiker an sich schwer tun, still zuzuhören.
Zu Ihrem letzten Absatz: Wer sich alles erlaubt, kann sich wahlweise auf Vulgärdarwinismus ("Recht des Stärkeren"), Nihilismus ("ist doch ohnehin egal"), Religion ("Gott will es"), seinen sozialen Stand (von "Ich bin adelig" bis "Revolution des Proletariats") oder seichteste Psychologie ("Meine Eltern sind schuld") berufen.
Ich behaupte nicht, dass betende oder gläubige Menschen per se anständiger leben als andere.
Ich wehre mich aber gegen angedeutete Behauptungen, dass betende Menschen sich ihres Verstandes weniger bedienen als andere.
Thomas Göring am Permanenter Link
Sehr geehrter Herr Schönecker, hier erneut einige Anmerkungen zum Thema.
Ad 1)
a))
Rein verstandesmäßig ist mir durchaus klar, dass Sexualmoral und Abtreibung theologisch getrennt abgehandelt werden. - Wie kommt es aber, dass Beides in der Öffentlichkeit dennoch immer wieder in einen Zusammenhang gebracht wird, - und zwar nicht bloß von hierin "ahnungslosen" Laien, die etwa als Journalisten in den Medien über kirchliche Stellungnahmen u. dgl. berichten, sondern eben auch von Personen, die von führenden kath. Kirchenvertretern wiederholt Lob & Auszeichnung erhielten, wie z.B. die seit einigen Jahren rastlos gegen eine "Entchristlichung der Gesellschaft" sowie gegen "Verhütung und Abtreibung" agitierende Frau Gabriele Kuby. (Quellen dazu s.w.u.)
Frau Kuby bekämpft die vermeintlich(e) "sexualisierte Gesellschaft" bzw."Homosexualisierung der Bevölkerung". Dabei zieht sie (und ebenso ihre Gesinnungsgenoss/inn/en) eifernd zu Felde gegen eine "systematische Entkoppelung der Sexualität von der Fruchtbarkeit" infolge "Verhütung, Abtreibung, Tabuisierung sexueller Verhaltensweisen, Sexualisierung der Jugend" usw. - und dabei ausdrücklich immer wieder gegen "Verhütung und Abtreibung und die homosexuelle Agenda".
Ist Verhütung nicht ein auch Teilaspekt der von Ihnen genannten Familienplanung - Ihnen zufolge daher weit entfernt vom "Thema Abtreibung"? Nun: Frau Kuby vereinigt Verhütung & Abtreibung zu einer Einheit (die im Dienste des "Teufels" stehe, der bei solchem ideologischem Spektakel natürlich nicht fehlen darf). Liegt Frau Kuby damit theologisch daneben - oder habe bloß ich als fachfremder Atheist womöglich gewisse Unterscheidungen innerhalb der kirchlichen Lehre missverstanden?
b))
Sie führen das katholisch-kirchliche Leitbild der Jungfräulichkeit samt Kinderlosigkeit für die Frau als Entkräftung meiner Aussage an, dass v.a. konservative religiöse Abtreibungsgegner gebärfähige Frauen de facto zu Gebärmaschinen degradieren. Mit diesen Abtreibungsgegnern meine ich sowohl katholische, als auch protestantische und islamische Kreise (innerhalb derer zudem v.a. in den USA immer wieder einmal "Einzelpersonen" mit Todesdrohungen gegen "Abtreibungsärzte" sowie mit Anschlägen gegen "Abtreibungskliniken" vorgehen).
Das Verfechten von Jungfräulichkeit bestimmter ("geweihter") Frauen im Dienst der Kirche steht doch in der Realität nicht im Widerspruch zur massiven Abtreibungsbekämpfung und Reduzierung von Frauen der Laienbevölkerung auf die Gebärfunktion durch Religiöse - mitsamt Beschimpfung einzelner Persönlichkeiten als "Abtreibungslobbyisten". - Für Sie sind meine Ansichten hierzu eine "Behauptung", für mich hingegen sind sie eine Schlußfolgerung; so ist dies eben bei einander entgegengesetzten Auffassungen. - Siehe hierzu etwa:
α) Spanien:
http://www.comprendes-grancanaria.de/news/newsdetails/datum/2009/11/13/abtreibungs-befuerworter-und-frauen-die-abtreiben-sind-ketzer-1/
http://www.comprendes-grancanaria.de/news/newsdetails/datum/2009/09/30/kommentar-ordnung-in-das-abtreibungsrecht-bringen/
http://www.welt.de/politik/ausland/article124775315/Verschaerftes-Abtreibungsgesetz-nimmt-wichtige-Huerde.html
β) Polen:
http://www.svss-uspda.ch/de/facts/polen.htm
http://detektor.fm/gesellschaft/aktion-fuer-frauenrechte-abtreibung-polen
γ) allgemein:
http://www.katholisches.info/2010/09/18/un-women-fest-in-der-hand-der-abtreibungslobbyisten-atheistin-michelle-bachelet-erste-chefin/
http://www.infosperber.ch/Artikel/Home/Vatikan-Traditionalisten-Hassprediger&g=ad?gclid=CN-liOb70MoCFUlmGwod2bkD5Q
c))
Frau Kubys aggressives Gezeter gegen die "sexualisierte Gesellschaft" zielt zugleich auf die völlige Zurücknahme des Erbes der nordamerikanischen & europäischen Aufklärung des 18. Jahrhunderts - einschließlich der Menschenrechte. Hierbei denunziert sie neben dem Marquis de Sade (der für sie wohl der einzige Vertreter der Französischen Revolution gewesen zu sein schien, denn andere nennt bzw. kennt sie nicht, s.u.) namentlich Rousseau, Marx & Engels, Nietzsche, Freud, Jung, Reich, Kinsey, u.a. als großenteils ("viele von ihnen") Psychopathen & Alkoholabhängige & Sexualchaoten, usf.; - und sie stellt sie als Werkzeuge des "Teufels" dar, weil sie die Menschen gegen Willen & Autorität Gottes aufgestachelt hätten. (Übrigens kommt in Frau Kubys Aufzählung der Sendboten Satans Darwin gar nicht vor, über den weiß sie wohl nicht so recht Bescheid.)
Auch die "sich selbst säkularisierenden" Kirchen mit ihren sozialen Einrichtungen wie u.a. Caritas und Diakonie kommen bei Frau Kuby ziemlich schlecht weg.
Frau Kuby preist für "den Weg der Erneuerung" das hierarchische "Autoritätsprinzip: Gott - Kirche - Staat - Eltern - Vater - Lehrer", also eine dem feudalistischen christlichen Mittelalter ähnelnde Herrschaftsordnung. (In Σ ist dies Reaktion & Restauration pur. Staatskanzler Fürst von Metternich und Maréchal & Chef d'État Philippe Pétain hätten hieran gewiß großen Gefallen gefunden. Schade, dass diese Herren das nicht mehr erleben durften! - Es könnte aber u.U. sogar ein interessantes gedankliches Experiment sein, unter Berücksichtigung relevanter sozialer, innen- und außenpolitischer, binnen- und weltwirtschaftlicher, weltanschaulicher, sozialpsychologischer, usw. Faktoren einmal ernsthaft & gründlich theoretisch durchzuspielen, welche Lebensdauer eine solche rückwärtsgewandte voll-durchchristlichte Sozial-Utopie überhaupt haben könnte, - und wer eine derartige Zeche tatsächlich zu bezahlen hätte.)
Ich möchte hier nicht weiter aus der gruseligen Gedankenwelt Frau Kubys referieren, der Leser möge sich im folgenden Anhang bitte selber sein Urteil darüber bilden - auch über ihren aufgeregt eifernden Schreibstil.
http://www.gabriele-kuby.de/wortmeldungen/die-sexualisierte-gesellschaft/
Frau Kuby ist nicht "irgendjemand" (oder gar ein völlig marginaler Einzelfall), sondern sie genießt wie gesagt v.a. in kath.-kirchlichen Kreisen großes Ansehen. - Siehe nämlich zu Frau Kuby:
https://de.wikipedia.org/wiki/Gabriele_Kuby
http://www.kathpedia.com/index.php?title=Gabriele_Kuby
http://www.gabriele-kuby.de/person-und-werk/segen-der-paepste/
Die Eigenwerbung dieser penetrant frömmelnden Dame mit dem "Segen der Päpste" darf man wohl nicht etwa als eitle Geltungssucht einer eifernden Konvertitin (seit 1996 röm.-kath.) verstehen? Aber was soll's: Suum cuique. -
Siehe zum politischen Spektrum, mit dem auch Frau Kuby intensiv verwoben ist:
http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/putin-orban-und-afd-rechte-christen-finden-politische-heimat-14043650.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2
Ad 2)
a))
Eine Richtigstellung zur Frage der Sexbesessenheit: Meinen kurzen Hinweis auf das Verhältnis von "Masse" & "Klasse" bezog ich nicht etwa auf das konkrete Sexualleben (worauf Ihr Satz "wer alle zwei Wochen exzellenten Sex hat, ist z.B. ganz sicher nicht besessen" zielt), sondern vielmehr auf Ihre Zahlen über das Vorkommen des Themas Sexualmoral in den Enzykliken und im Katechismus. Reine Mengenangaben allein für sich sagen nicht automatisch etwas über inhaltliche Qualitäten aus
(sie können es wohl, müssen es aber nicht zwingend).
b))
Wenn Sie die "Deutsche Vereinigung für eine Christliche Kultur (DVCK) e.V." als "entbehrlich" ansehen, so kann ich dies selbstredend nur ausdrücklich begrüßen!
Dennoch halte ich es schon für angebracht, derartige Gruppierungen kritisch im Auge zu behalten, zumal sie sich auf die von Ihnen offiziell vertretene Katholische Kirche berufen - und es ja auch innerhalb des Katholizismus (und im Protestantismus) seit längerem scharfe Auseinandersetzungen mit z.T. höchst aggressiver Tonlage gibt. - Es ist m.E. nicht immer ratsam, Unangenehmes oder Zweifelhaftes gleich wieder "vergessen" zu wollen (denn gerade das könnte sich u.U. eines Tages rächen).
Siehe zur weiteren Information über die DVCK:
http://www.dvck.de/
https://de.wikipedia.org/wiki/Deutsche_Vereinigung_für_eine_christliche_Kultur
https://de.wikipedia.org/wiki/Mathias_von_Gersdorff
http://www.tfp-deutschland.de/impressum.html - Die 3 Buchstaben "tfp" bilden die Abkürzung für "Tradition - Familie - Privateigentum". Seltsamerweise aber erinnern sie mich an die Parole "travail - famille - patrie" (Arbeit - Familie - Vaterland) des rechtskatholischen nazifreundlichen und judenfeindlichen Vichy-Regimes unter Marschall Pétain in Frankreich 1940-45. Halten Sie meinen diesbezüglichen Gedanken wirklich für maliziös? -
Siehe zu diesen rechts-christlichen Kräften ggfs. erneut:
http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/putin-orban-und-afd-rechte-christen-finden-politische-heimat-14043650.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2
Ad 3)
a))
Dass während des Mittelalters (neben den von Ihnen genannten einzelnen Adelsdamen sowie Juden) letztlich nur Kirchenangehörige des Lesens & Schreibens kundig waren, mache ich der Kirche nicht zum Vorwurf, sondern ich stelle es einfach fest, da es ein die damalige Sozialordnung grundlegend kennzeichnendes Faktum war.
Und statt deswegen die Kirche "anzuklagen", kommt es doch vielmehr darauf an, jener Zeit so wie auch noch früheren und ebenfalls heutigen Zeiten einen kritischen Spiegel vorzuhalten, - und damit ihre Vor- und Nachteile mitsamt ihren Nutznießern & Leidtragenden zu erkennen.
b))
Selbstredend setze ich nicht pauschal alle (oder "die") Katholiken mit Klerikalfaschisten gleich, bloß weil ich in meinem vorherigen Kommentar auf diese spezielle Sorte von Katholiken (nämlich gewisse Diktatoren) hingewiesen hatte. Und weshalb sollte ich dies auch tun? - Dächte ich derart pauschal oder schwarz-weiß malend, so müßte ich ja logischerweise nicht bloß "die" Katholiken, sondern dann genauso auch "die" Protestanten und "die" Muslime und "die" Juden einseitig schlagzeilenartig etikettieren - und im Gegenzug dann logischerweise ebenfalls auch "die" Agnostiker und "die" Atheisten. - Wer die Realität möglichst klar erkennen will, der sollte sich vor Schwarz-Weiß-Malerei tunlichst hüten, denn derlei geistige Bequemlichkeit & Seichtigkeit rächt sich andernfalls (einerseits würde der eigene Verstand dadurch dümmer; andererseits erhielten Widersacher damit peinliche Steilvorlagen).
Folglich (sowie anhand des von mir unter 2) b)) Gesagten) gehe ich auch davon aus, dass beileibe längst nicht alle Katholiken derart rückwärtsgewandt denken & handeln wie z.B. Frau Kuby oder Herr v.Gersdorff oder sonstige rechtslastige Christen.
Norbert Schönecker am Permanenter Link
Sehr geehrter Herr Göring!
ad 1)
Als durchaus konservativer Mensch (sowohl politisch als auch kirchlich) bin ich in vielen Punkten mit Frau Kuby einer Meinung. Ihre Fixierung auf Sexualthemen ist mir aber äußerst suspekt. Erstens bin ich, anders als sie, durchaus nicht der Meinung, dass "sexuelle Normen eine wichtige Existenzfrage des Christentums" (Zitat aus wikipedia) sind. Für Jesus waren gemäß Evangelien Bescheidenheit, Reue, Gerechtigkeit und Glaube wichtig. Zweitens bin ich der Meinung, dass der Staat in Schlafzimmern von Menschen nichts verloren hat. Und die Kirche darf zwar diesbezüglich ihre Meinung sagen, hat aber gefälligst nicht zu spionieren. (Respekt vor Privatsphäre ist übrigens Teil meiner konservativen Grundhaltung.)
Rubys Buch "Mein Weg zu Maria" scheint gut zu sein, wenn es von Schönborn gelobt wird. Ihre anderen Bücher interessieren mich einfach nicht genug, um sie je zu lesen.
ad 2b
Radikale Gruppierungen im Auge zu behalten, ist nie ein Fehler - seien sie rechts, links, religiös, atheistisch oder sonstwas. Ich denke aber, dass die Kirche als ganze zu groß und bunt ist, um radikalisiert zu werden. Bei einzelnen Bewegungen innerhalb der Kirche schaut die Sache schon anders aus. Da habe ich Extremismus erlebt, der teils dumm, teils auch gefährlich war.
Die gar nicht seltene Allianz konservativer Christen mit Rechtsextremen verblüfft mich immer wieder. Wie gesagt, ich bezeichne mich selbst als sehr konservativ (ich bin Monarchist (ohne jeglichen diesbezüglichen Missionseifer) und damit politisch viel konservativer als der Durchschnittspriester) und habe genau deshalb mit Rechtsextremen überhaupt nichts am Hut. Ich liebe die Freiheit, den Individualismus, die Vielfalt. Jeder Kollektivismus ist mir herzlich zuwider. Schon allein deshalb (abgesehen von den grauenvollen Verbrechen) könnte ich in einer nationalistischen, faschistischen oder militärischen Diktatur nicht leben.
ad 3)
Da sind wir uns ja völlig einig!
Siegbert am Permanenter Link
@Norbert Schönecker
"Wer seinen Sexualtrieb nicht unter Kontrolle hat ist eine Gefahr für seine Mitmenschen."
Ich stelle mir gerade vor, wie mir eine Frau nachstellt und Zärtlichkeiten möchte, weil sie sich nicht unter Kontrolle habe. Eine Gefahr sehe ich darin nicht. Eine Gefahr ist nur Gewalt, aber das ist eben etwas anderes.
"Wenn jeder macht, was er will, wird eine Partnerschaft nicht möglich sein - die Interessen (oder eher: Triebe) sind zu verschieden. Es braucht Regeln."
Im Idealfall sind die Bedürfnisse der Partner identisch, und das kann wegen der Unterschiedlichkeit der Individuen sowohl von Frauen als auch Männern der Fall sein. Es soll Beziehungen geben, in denen die Frau mehr Sex möchte als der Mann.
"4) Für fast alle Menschen ist Sex im Idealfall mit Liebe verbunden. In der gegenwärtigen Populärkultur und v.a. in der Werbung kommt diese Verbindung zu kurz. Es wäre wichtig, den Sex wieder zu entbanalisieren."
Nein, gerade die romantische Liebe wird auf der Leinwand und in Romanen sehr hoch gehalten, geradezu überzogen. Weil sich die Menschen danach sehnen. Und es gibt so viel Gewalt in Filmen, Serien und Büchern (weil es spannend und aufregend ist), unverhältnismäßig viel mehr als im realen Alltag, aber was dann zensiert wird, ist die Darstellung (banaler) Sexualität.
"Da ist das Fernsehprogramm doch viel sexbesessener."
Obwohl Sexualität im Vergleich zu Kriminalität doch im Alltag (hoffentlich) so oft vorkommt wie auf der Mattscheibe. Ist der menschliche Alltag aus Ihrer Sicht "sexbesessen"?
Es wäre wichtig, die Sexualität im realen Leben zu banalisieren. Die Menschen sollten sie sich zugänglicher, erlebbarer machen. Dass in unpersönlichen Medien viel über Sexualität geredet wird, bedeutet nicht, dass die Menschen sie auch erleben, sondern drückt meiner Ansicht nach den Wunsch und das Interesse der Leute aus. Aber ein tatsächliches Verhalten in diese vermeintlich niedere Richtung wird von Teilen der Gesellschaft schnell verurteilt, als Anmache, als Betrug am frigiden oder kranken Partner, als Unkeuschheit, als Zölibatsverletzung, als Schrecklichkeit.
Oliver am Permanenter Link
Thematisch passend:
Der Jungfrauenwahn
https://www.youtube.com/watch?v=m8csEHxacFA
Jann Wübbenhorst am Permanenter Link
Laut Ayman Mazyek, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in Deutschland, ist massenhafte Diskriminierung von Frauen in der muslimischen Welt ein "Ammenmärchen" (so gestern bei "Maischberger", je
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Oh, Herr Mazyek bekam einiges zu hören zu dem Thema.
Jetzt wissen wir es also: Nicht nur der Islam hat nichts mit dem Islam zu tun, sondern Herr Mazyek hat auch nichts mit dem Islam zu tun. Vielleicht hat ja inzwischen wirklich nichts mehr mit dem Islam zu tun und man könnte guten Gewissens die Moscheen schließen...
Arno Gebauer, 2... am Permanenter Link
Guten Tag,
Sex ist die intimste Form von Kommunikation, die uns Menschen
zur Verfügung steht.
Wir berühren uns in einer Art, die uns etwas bedeutet.
Aber seine zentrale Bedeutung des Sex besteht darin,
dass wir durch Sex psychosoziale Grundbedürfnisse erfüllen
können, die Männer und Frauen gleichermaßen erstreben:
Angenommensein, Zugehörigkeit.
Wir sind auf Bindung programmiert, und das ist es, worum
es auch beim Sex im besten Fall geht:
Erlösung durch Überwindung von Vereinzelung.
Viele Grüße
Arno Gebauer