Der Kapitalismus hat ein Gerechtigkeitsproblem

62 gegen den Rest der Welt

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Eingang des "World Economic Forum at Davos", 2014
Eingang des "World Economic Forum at Davos", 2014

BERLIN. (hpd) Vor dem am Mittwoch beginnenden Weltwirtschaftsforum in Davos veröffentlichte Oxfam eine Studie, nach der die 62 reichsten Menschen der Welt über genauso viel Vermögen verfügen wie die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung; also rund 3,6 Milliarden Menschen.

Mit einer Grafik veranschaulicht der Bericht, wie sich in den letzten Jahrzehnten die Entwicklung des Vermögens der ärmsten Hälfte der Weltbevölkerung (grün) und das Vermögen der reichsten 62 Menschen auf der Welt (violett) dargestellt.

Grafik - Screenshot Oxfam
Grafik - Screenshot Oxfam

In den vergangenen 15 Jahren sei die Kluft zwischen Arm und Reich immer tiefer geworden, warnt Oxfam. “So sei das Vermögen der ärmeren Hälfte der Weltbevölkerung in den vergangenen fünf Jahren um rund eine Billion US-Dollar geschrumpft. Das sei ein Rückgang um 41 Prozent - obwohl die Bevölkerung in dieser Zeit erheblich zugenommen habe. Doch das Vermögen der reichsten 62 Menschen sei in diesem Zeitraum um mehr als eine halbe Billion US-Dollar gewachsen.”

Vor allem die Bekämpfung der Steuerflucht und höhere Investitionen in den öffentlichen Sektor forderte Oxfam als Konsequenz aus der am Montag vorgestellten Studie. Zudem auch “Anstrengungen, die Einkommen von Niedrigst-Verdienern zu erhöhen.”

Oxfam-Sprecher Tobias Hauschild sagte: “Wir leben in einer Welt, deren Regeln für die Superreichen gemacht sind.” “Nötig ist dagegen ein Wirtschafts- und Finanzsystem, von dem alle profitieren. Konzerne dürfen sich nicht länger aus ihrer Verantwortung stehlen. Sie müssen ihre Gewinne dort versteuern, wo sie sie erwirtschaften.”

Die komplette Studie läßt sich hier nachlesen. (PDF, englisch)

Immerhin neun von zehn großen Unternehmen besitzen mindestens eine Niederlassung in einer Steueroase. Durch die Steuervermeidung von multinationalen Konzernen verlieren Entwicklungsländer jährlich mindestens 100 Milliarden Dollar an Steuereinnahmen. Im Jahr 2014 sind nach der Studie die Investitionen von Unternehmen in Steueroasen fast viermal so hoch wie im Jahr 2001 gewesen.

Alleine die afrikanischen Staaten koste die Verschiebung von Vermögen in Steueroasen durch reiche Einzelpersonen jährlich rund 14 Milliarden Dollar. “Damit ließe sich demnach in Afrika flächendeckend die Gesundheitsversorgung für Mütter und Kinder sicherstellen, was pro Jahr rund vier Millionen Kindern das Leben retten würde” fasst SPIEGEL-Online zusammen.

Alexandra Endres bezeichnet in einem Kommentar in der ZEIT diese Kluft zwischen Arm und Reich als “Obszönität” und führt sechs Gründe an, die nachweisen, dass diese Kluft eine Gefahr für die Demokratie darstellen.

Der Tagesanzeiger weist darauf hin, dass Oxfam bereits im vergangenen Jahr prognostizierte, dass “im Jahr 2016 das reichste Prozent der Weltbevölkerung – das sind rund 70 Millionen Menschen - mehr besitzen als die restlichen 99 Prozent zusammen.” Diese Schwelle wurde bereits 2015 erreicht und damit ein Jahr früher als erwartet.

PS: Es wundert nicht, dass die Wirtschaftswoche dem Bericht widerspricht und die ständig wachsenden Ungleichheit ein Märchen nennt. “Veränderungen vor allem am oberen Rand sind extrem schwer zu interpretieren, selbst wenn die Datenbasis sehr gut wäre, was sie gerade immer obersten Vermögensbereich zudem nicht ist. Denn die reichsten Teile der Bevölkerung sind zugleich am wenigsten auskunftsfreudig.” Selbst wenn das richtig wäre, wäre es keine Entschuldigung.