Westsahara

Selbstbestimmung durch Diplomatie?

Delegierte und Aktivisten sprechen

Auf dem Kongress treten nach Rede von Abdelaziz die Delegationen an das Mikrofon, um Statement, Stellungnahme, Rat und ihre Ansicht zu äußern. Es kommen unter anderem Stimmen aus Algerien, Belgien, Cuba, Deutschland (Katrin Voss, Die Linke), Finland (JP Väisänen), Frankreich, Italien, Japan, Norwegen, Österreich (Erika Pluhar für die Österreichisch Saharauische Gesellschaft), Schweden, Spanien etc. Sie alle bauen auf Verhandlungen und schwören den Kongress auf Beibehaltung des demokratischen Weges ein. Nur so seien die Rechte eines freien, souveränen Staates Westsahara zu erwirken. 

In den folgenden Tagen blieb die Diskussion im Kongress saharauisch-politisch intern. Die ausländischen Delegierten blieben ausgeschlossen. Bekannt wurde, dass der Diskussionsbedarf der Teilnehmer größer als angenommen sei. Dadurch erfuhr der Kongress eine Verlängerung um weitere zwei Tage. Auch stand die Neuwahl des Präsidenten der Demokratischen Arabischen Republik Sahara (DARS) an.

Eher überraschend für die junge Generation, wurde Mohamed Abdelaziz erneut gewählt. Abdelaziz nahm das Amt an. Der Präsident und gleichzeitig Generalsekretär der Frente Polular de Liberacion de Saguia el Hamra y Rio de Oro (annähernd übersetzt mit: Volksfront zur Befreiung der Saguia el Hamra und des Oro-Flusses) steht beispielhaft für die vor 40 Jahren vor den Marokkanern geflohene Generation: Abdelaziz stammt aus einer saharauischen Beduinenfamilie, die sich in der Sahara zwischen der ehemaligen Kolonie der Spanier, Spanisch-Sahara, Mauretanien, Algerien und dem Süden Marokkos bewegte. 1947 wurde er in Marrakesch Saguia Alhamra geboren, studierte an marokkanischen Universitäten, 1973 war er in einer studentischen Gruppe Mitbegründer der Frente Polisario, die 1976 die Demokratische Arabische Republik Sahara ausrief. Abdelaziz war Mitinitiator der ersten Verfassung von Westsahara. 

Zum Ende des Kongresses verbreitete sich die Nachricht des Besuchs von Ban Ki-moon und seinem für den April 2016 angekündigten Bericht vor dem UN-Sicherheitsrat. Dieses wurde wie eine Wahlbestätigung des amtierenden Präsidenten für den Demokratischen Weg aufgefasst und mit Hoffnung gefüllt.

Bewegen sich demokratische Gremien? 

Zeitgleich mit der Besuchsankündigung sind "Zufälligkeiten" zu bemerken:

1. In Österreich denkt die SPÖ über die Frage der Anerkennung des Souveränen Staates Westsahara nach. Der UN-Generalsekretär Ban Ki-moon und Frau Yoo Soon-taek verbrachten Silvester 2015/2016 mit Heinz Fischer, dem Bundespräsidenten von Österreich und seiner Frau Margit Fischer. Dass über Westsahara gesprochen wurde, hat die SPÖ bisher nicht bestätigt.

2. Im Oktober 2015 waren die Flüchtlingslager in eine bisher unbekannte Notsituation gekommen, bei der die UN und Algerien Hilfe leisteten, die sichtbare Spuren hinterlassen hat: Es begann zu regnen, einen Tag und eine Nacht. 13 weitere Tage und Nächte schlossen sich an. Das Regenwasser konnte nicht versickern, denn dieser Teil der Sahara ist aus festem Gestein, auf dem Sand mit Salz durchzogen liegt. Zuerst hatten die Kinder Spaß und Freude, es bildeten sich Seen, sie spielten und schwammen. Folgen bahnten sich an. Zement ist eher staatlichen Gebäuden vorbehalten. Für den normalen Hausbau schichtet man Lehmziegel übereinander, sie sind ungebrannt und verputzt mit Lehm. Das Regenwasser weichte in seiner Masse den Lehm auf, drückte Dächer und Wände ein und weichte die Zelte auf. Lebensmittel verdarben, Fäkalien mischten sich mit Regenwasser. Krankheiten und Seuchen drohten. In dieser Notsituation griffen UNHCR und Algerien ein. Sie brachten mit schweren Fahrzeugen in dieses unwirkliche Wüstengebiet Notunterkünfte, Lebensmittel, Decken, Kleidung, später Zelte.

3. Kurz vor Kongressbeginn annullierte der Europäische Gerichtshof das Handelsabkommen zwischen Marokko und der EU, weil dieses die besetzten Gebiete der Westsahara einbezieht. In seiner Entscheidung wird das Selbstbestimmungsrecht des saharauischen Volkes ausdrücklich betont. Klageführer war die Frente Polisario gegen die Ausbeutung der saharauischen natürlichen Ressourcen. West-Sahara Resource Watch sagt dazu: "Die natürlichen Ressourcen der Westsahara sind für das saharauischen Volk zu schützen.

Weitere Klagen Westsahara betreffend liegen den EuGH vor:

Zum einen das EU-Fischerei-Abkommen. Dazu hatte Abdelaziz im Februar 2011 an Ban Ki-moon wegen "illegalen Ausbeutung der Fischressourcen" geschrieben. In diesem Abhommen hat die EU sich für 60 Millionen Euro von Marokko die  Fischereirechte vor der Küste der Demokratischen Arabischen Republik Sahara gekauft, ohne dass die Saharauis dadurch irgendeinen wirtschaftlichen Vorteil haben.

Zum zweiten hat ein britisches Gericht den EuGH eine Klage zur rechtsverbindlichen Klärung der Kennzeichnung von Waren aus der Westsahara übermittelt.