Aufruhr um einen Nicht-Friedfertigen

Grabschändung und Körperverletzung

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Geschändete Grabstätte
Geschändete Grabstätte

Der echte Oberbayer Wolfgang Sellinger straft das deutschlandweit bekannte Bild des klassischen Bayern Lügen. Nicht in jedem Punkt, aber in einem dafür umso deutlicher. Mit der die Bayern häufig noch heute kennzeichnenden Gottesfürchtigkeit ist es bei ihm nicht weit her.

An die Zeit, in der er mal katholisch sein musste, weil die Eltern das so haben wollten oder aus beruflichen Gründen gar selbst sein mussten, kann er sich teilweise noch gut erinnern. Aber lange schon ist er aus Überzeugung nicht mehr katholisch und macht aus dieser Überzeugung seit vielen Jahren auch so gar keinen Hehl.

Wolfgang Sellinger in der Ausstellung, Foto: © Martin Pauleser
Wolfgang Sellinger in der Ausstellung, Foto: © Martin Pauleser

Zum Ärger insbesondere seiner noch immer katholisch geprägten Heimatstadt Eichstätt. Wie auf hpd berichtet, hatte er erfolgreich die Genehmigung zur Ausstellung von Teilen der Werke der von ihm direkt in der Stadt betriebenen "Galerie der Kirchenkritik" neben dem Dom in der säkularisierten Johanniskirche in Eichstätt juristisch erkämpft.

Nicht zur Freude aller Eichstätter, aber in einem Rechtsstaat hätte alle echten Demokraten ungeachtet ihres Bekenntnisses ein anderslautendes Urteil auch wirklich in tiefe Verzweiflung gebracht. Ein Meilenstein demokratischer Rechtsprechung also. Und der Sellinger wäre nicht der wehrhafte Geist, der er nun mal ist - immer vertrauend auf die Liberalitas Bavariae – würde er in seinem Bemühen, demokratische Urständ‘ auch in seinem Heimatland Bayern wirklich überall walten zu lassen, im rein privaten Bereich nachlassen.

Wohlwissend, dass er mit 68 Jahren nicht mehr der Jüngste ist, galt es auch für ihn, rechtzeitig Vorsorge für das eigene "Nachleben" zu treffen. Und das tat Sellinger dann auch und kümmerte sich beizeiten um die neue Gestaltung des ehrwürdigen, inzwischen doch auch in die Jahre gekommenen Sellinger’schen Familiengrabes auf dem Eichstätter Friedhof.

Wolfgang Sellinger ist – wie seine Vorfahren - von Beruf ein Leben lang erfolgreicher Kaufmann und viele Jahre Einzelhändler gewesen. Selbstverständlich war und ist für ihn, dass das Familiengrab auch ästhetisches Zeugnis der verdienstvollen unternehmerischen Tätigkeit seiner bereits verstorbenen Familie für die Nachwelt ablegen soll. Selbstverständlich allerdings auch einmal für den sehr erfolgreichen und wohl bekanntesten Sellinger – also ihn selbst Und so zeigte er den interessierten Besuchern seiner kirchenkritischen Ausstellung in der Johanniskirche im Anschluss an den Ausstellungsbesuch die neue Grabgestaltung des Sellinger’schen Familiengrabes auf dem dortigen Friedhof. Nahezu königsblaue Schriftzeichen auf messingfarbener Schrifttafel mit aufwendig gestalteter Umrandung auf dem Grabstein, eingeprägt darin Zitate von Aristoteles, fanden die Zustimmung bei der ersten Besichtigung.

Natürlich ist auch Wolfgang Sellinger klar, dass er als Ungläubiger vor Ort einschlägig bekannt ist wie ein bunter Hund. Doch hatte er, der gebürtige Oberbayer, Grund zur Annahme, dass ein historisches Zitat des weltweit anerkannten Philosophen Aristoteles, nämlich "Gebet und Opfer sind nutzlos", auf einem städtischen (also nicht religiösen!) Friedhof sich bestens einfüge in die bereits vorhandene, wenn auch mit überwiegend christlichen Worten und Symbolen gestaltete städtische Grablandschaft. Umso entsetzter war er, als er beim Besuch des Grabes vor einigen Tagen feststellen musste, dass Unbekannte die Messingtafeln durch christliche Zeichen, in ähnlich blauer Farbe ungelenk aufgesprüht, verunstaltet hatten.

Foto: © Wolfgang Sellinger
Foto: © Wolfgang Sellinger

Ungeachtet des Schreckens ob der Verschandelung des Familiengrabes wurde auch Sellinger nachdenklich. Niemals hätte er – der schon lange allen Religionen, insbesondere der ehemals "eigenen" katholischen, so überzeugt entgegen tritt – sich erdreistet, seinerseits ein religiöses Symbol zu verschandeln oder zu beschädigen. Wie kommen allem Anschein nach gläubige Menschen dazu, das Grab anders Denkender zu beschmieren und zu verunstalten? Eine Frage, die ihm auch die von der Störung der Totenruhe (§168 StGB) unterrichtete Polizei nicht beantworten konnte.

Doch damit hatte der Schrecken noch kein Ende. Unweit des Domes befindet sich nicht nur die "Galerie der Kirchenkritik", sondern im ersten Stock eines Rückgebäudes auch das Büro des Kaufmanns Sellinger. Als er am Abend nach Schließung der aktuell laufenden Ausstellung noch einmal in sein Büro zurück kehrte, traf er unweit vor seiner Bürotüre auf einen Mann mittleren Alters, der wohl auf ihn gewartet hatte. In der Annahme, es handele sich um einen Hausbewohner, der u.U. noch etwas mit ihm besprechen wolle, näherte er sich unbefangen. Doch der unbekannte Gast eines Hausbewohners hatte keinen Gesprächsbedarf. Ohne ein Wort zu verlieren packte er den verdutzten Kirchenkritiker Sellinger an der Schulter, warf ihn einfach die Steintreppe hinunter und verschwand.

Wolfgang Sellinger prellte sich dabei Arm, Schulter und insbesondere das rechte Bein so, dass er am nächsten Tag doch in die Notaufnahme des Städtischen Krankenhauses gefahren werden musste, weil er vor Schmerzen fast nicht mehr gehen konnte. Mithilfe eines Rollators und jeder Menge Schmerzmittel konnte er dennoch seine Ausstellung bis zum Schluss betreuen.

Mit der Verschandelung des Familiengrabes und dem tätlichen Angriff im Treppenhaus haben die weltanschaulichen Gegner Sellingers allem Anschein nach eine neue Dimension in der Auseinandersetzung um Glauben/Nicht-Glauben in Eichstätt eingeläutet.

Wolfgang Sellinger seinerseits hat entsprechend Strafanzeigen gegen Unbekannt erstattet, wobei er sich davon nicht viel erwartet. Wie er des Weiteren auf die Vorfälle reagiert, dazu hat er schon erste Möglichkeiten intensiv durchdacht. Eines steht für ihn fest: in seinem Bemühen, die Öffentlichkeit weiterhin aufzuklären und mit Kirchenkritik zu konfrontieren, wird er mit Sicherheit nicht nachlassen.