Bildung

"Lasset die Kinder zu mir kommen"?

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Michael Schmidt-Salomon

Am vergangenen Mittwoch hielt Michael Schmidt-Salomon den Eröffnungsvortrag zur Gründung des "Deutschen Kitaverbandes" in Berlin. Dort plädierte der Philosoph und Vorstandssprecher der Giordano-Bruno-Stiftung für eine seriöse und weltoffene Bildung. Der hpd dokumentiert den Vortrag.

Es ist mir eine große Ehre, hier und heute bei der Gründung des Deutschen Kitaverbandes sprechen zu dürfen. Vermutlich werden die Bibelkundigen unter Ihnen das Zitat im Titel meines Vortrags gleich erkannt haben: Es stammt aus dem Matthäusevangelium (Kapitel 19, Vers 14) beziehungsweise dem Lukasevangelium (Kapitel 18, Vers 16). Dort verkündet der biblische Jesus: "Lasset die Kinder zu mir kommen und hindert sie nicht daran! Denn ihnen gehört das Himmelreich."

Kurz nachdem ich dem Organisationsteam der heutigen Veranstaltung den Titel meines Vortrages übermittelt hatte, fand ich exakt dieselbe Überschrift in einem Beitrag des christlichen Medienmagazins "pro". Dort allerdings endet das Bibel-Zitat keineswegs mit einem Fragezeichen. Denn die Macher des Magazins sind fest davon überzeugt, dass Kitas gerade auch dazu genutzt werden sollten, "die Jüngsten mit dem Glauben vertraut zu machen" – und zwar auch dann (ja, vielleicht sogar in besonderem Maße dann), wenn die Kinder aus einem konfessionsfreien Elternhaus stammen. "Durch liebevolle und glaubwürdige Erwachsene, durch kindgerechte Erzählungen und Materialien, durch Feste und Rituale", so heißt es in dem Artikel, "kann es gelingen, den Samenkorn des Glaubens in kleine Herzen zu pflanzen." 

Dem stimmt Angela Kunze-Beiküfner, die stellvertretende Direktorin des Pädagogisch-Theologischen Instituts der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland, ausdrücklich zu. Man solle "das eigenständige geistliche Leben im Kindergarten anerkennen, all die Morgenkreise und Andachten, die bereits heute eine große Anzahl von Kindern aus konfessionslosen Elternhäusern erreichen". Hierin sieht die evangelische Pfarrerin, die mit einer Dissertation zum Thema "Kindertheologisch-sensitive Responsivität pädagogischer Fachkräfte in Kindertagesstätten" promoviert wurde, eine vornehme Aufgabe christlicher Kitas, die durchaus auch eine Wirkung auf glaubensferne Eltern haben kann. Denn schließlich, so meint Kunze-Beiküfner, "können auch Eltern von Kindern lernen".

In diesem Zusammenhang stellen sich einige interessante Fragen. Erstens: Entspricht ein solches pädagogisches Konzept, das die Kita zum Ort einer zwar sanften, aber doch gezielten Glaubens-Mission macht, dem Bildungsauftrag eines modernen, weltanschaulich neutralen Verfassungsstaates? Zweitens: Kann es in irgendeiner Weise sinnvoll sein, Kita-Träger, die einen solchen weltanschaulichen oder religiösen Anspruch verfolgen, rechtlich und finanziell besser zu stellen als privatgewerbliche Träger, denen es einzig und allein darum geht, sich durch gute, professionelle Arbeit auf dem Markt zu behaupten? Drittens: Dienen gemeinnützige Träger wirklich immer und überall dem Gemeinwohl, wie unterstellt wird, oder führt ihre Dominanz im Kitabereich sogar zu einer Schädigung der Interessen der Allgemeinheit? Und viertens: Wäre es nicht längst schon Zeit für eine grundlegende Reform der Kinder- und Jugendhilfe – so wie es die Monopolkommission der Bundesregierung bereits vor 20 Jahren mit eindringlichen Worten gefordert hat?

Ich werde versuchen, diese Fragen im Rahmen meines Vortrags zu beantworten, indem ich nacheinander die verschiedenen Aspekte dieses Themas beleuchte. Beginnen möchte ich mit einem kurzen Überblick über die deutsche Kitalandschaft und die noch immer nicht behobene Spannung zwischen Angebot und Nachfrage.

Die deutsche Kita-Landschaft: Warum die Interessen der Eltern im gegenwärtigen System keine Rolle spielen

Wie Sie sicherlich alle wissen, werden derzeit etwa ein Drittel der deutschen Kitas von der öffentlichen Hand getragen und zwei Drittel von sogenannten freien Trägern. Die Quote der öffentlichen Kitas ist in den letzten Jahren kontinuierlich gesunken: 1994 stellten öffentliche Träger noch 47,4 Prozent aller Kitaplätze bereit, 2016 waren es nur noch 33 Prozent. Diese Abschwächung der "Staatsquote" ist nicht unbedingt problematisch, denn es tut den staatlichen Einrichtungen und ihren Angeboten durchaus gut, wenn sie Konkurrenz von nicht-staatlichen Trägern erhalten. Problematisch sind eher die unausgewogenen Kräfteverhältnisse innerhalb der Gruppe der freien Träger. Denn die beiden christlich-konfessionellen Wohlfahrtsverbände Caritas und Diakonie stellen noch immer knapp die Hälfte aller nicht-staatlichen Kita-Plätze. Innerhalb der einflussreichen Bundes-AG der freien Wohlfahrtspflege fallen auf sie sogar mehr als Zweidrittel der Kita-Plätze. 

Dem können die anderen Wohlfahrtsverbände nur wenig entgegensetzen. Einzig der Paritätische fällt mit inzwischen 18 Prozent der Kitaplätze innerhalb der Bundes-AG einigermaßen ins Gewicht. Aber der Paritätische Wohlfahrtsverband kann aufgrund seiner heterogenen Struktur kaum mit einer Stimme sprechen. In ihm finden sich nicht nur Fachverbände, die sich für Kitas kaum interessieren dürften wie etwa die Deutsche Tinitus-Liga oder der Bundesverband der Kehlkopfoperierten, sondern auch Organisationen mit einem geradezu gegensätzlichen weltanschaulichen bzw. politischen Profil – auf der einen Seite etwa pro familia und der Lesben- und Schwulenverband in Deutschland, auf der anderen Seite das Johannische Sozialwerk, der Verband der Sozialwerke der Christengemeinschaft sowie mehrere anthroposophische Vereinigungen, die in sich selbst wiederum große Unterschiede aufweisen, je nachdem wie stark sie "versteinert" sind, d. h. inwieweit sie den weltanschaulich-religiösen Vorgaben Rudolf Steiners folgen oder nicht.

Träger, die nicht in einem Wohlfahrtsverband organisiert sind, stellen heute 26,8 Prozent der nicht-staatlichen Kita-Plätze. Dies ist ein großer Fortschritt gegenüber 1994, als ihr Anteil nur bei 14,7 Prozent lag, aber auch hier lohnt es sich, etwas genauer hinzuschauen: Die allermeisten dieser freien Träger außerhalb der Wohlfahrtsverbände sind als gemeinnützig anerkannt. Dies kann Unterschiedliches bedeuten: Zum Teil handelt es sich hier um Elterninitiativen, die aus der Not heraus eigene Kitas gegründet haben. Der überwiegende Teil der Träger jedoch verfolgt mit der öffentlich finanzierten Kita-Arbeit ganz spezifische Zwecke, entweder pädagogischer Art (wie einige Montessori-Kinderhäuser) oder aber religiös-weltanschaulicher Art, etwa Kita-Einrichtungen, die von muslimischen, christlich-orthodoxen, freikirchlichen, freireligiösen oder auch humanistischen Organisationen getragen werden. Weniger als 2 Prozent der Kita-Plätze stellen momentan privatgewerbliche Träger – und hierunter fallen auch noch einige Betriebs-Kitas, die an bestimmte Wirtschaftsunternehmen angeschlossen und somit nicht vollumfänglich für die Allgemeinheit zugänglich sind. 

Überschlägt man diese Zahlen, so kann man davon ausgehen, dass etwa 70 Prozent der nicht-staatlichen Kita-Plätze in Deutschland in der Hand von Organisationen liegen, welche die Kinder nicht zuletzt auch deshalb zu sich kommen lassen, weil sie darin eine Chance sehen, ihre jeweiligen weltanschaulich-religiösen (und hierbei überwiegend christlich-konfessionellen) Anschauungen zu verbreiten. Das Angebot an solchen Einrichtungen ist also recht hoch, schauen wir uns nun an, wie es um die Nachfrage bestellt ist. 

Kein Zweifel: Vor einigen Jahrzehnten hat es eine solche Nachfrage gegeben. Denn über weite Strecken der Geschichte war Deutschland ein genuin christliches Land. Von 1870 bis 1970 gehörten weit über 90 Prozent der Bevölkerung entweder der katholischen oder der evangelischen Kirche an. Tatsächlich ging der Anteil der Kirchenmitglieder auf dem Gebiet der Bundesrepublik innerhalb von 100 Jahren nur um magere 6 Prozentpunkte zurück, von 98,6 Prozent im Jahr 1871 über 95 Prozent im Jahr 1939 auf 93,6 Prozent im Mai 1970. 

Danach aber, in den letzten knapp 50 Jahren, sind die weltanschaulichen Verhältnisse gewaltig ins Wanken geraten: Der Anteil der Katholiken und Protestanten ist seither um fast 40 Prozentpunkte geschrumpft – von 93,6 Prozent im Jahr 1970 auf 55 Prozent im Jahr 2016. Gleichzeitig hat sich der Bevölkerungsanteil der konfessionsfreien Menschen nahezu verzehnfacht, nämlich von 3,9 Prozent im Jahr 1970 auf 36,2 Prozent Ende 2016. Damit leben heute deutlich mehr konfessionsfreie Menschen in Deutschland als Katholiken (28,5 Prozent) oder Protestanten (26,5 Prozent). Und angesichts des stabilen Trends der letzten Jahrzehnte ist schon heute absehbar, dass in 5 bis 6 Jahren mehr als die Hälfte der deutschen Bevölkerung keiner Religionsgemeinschaft mehr angehören wird. 

Noch klarer werden die Konturen dieses historisch einmaligen Säkularisierungsprozesses, wenn man nicht nur die nominellen Religionszugehörigkeiten, sondern die tatsächlichen Haltungen der Bürgerinnen und Bürger unter die Lupe nimmt: So ist der Anteil der "praktizierenden Gläubigen", also der Menschen, die mindestens einmal im Monat eine Kirche, Synagoge oder Moschee aufsuchen, auf den historischen Tiefstand von 12 Prozent der Bevölkerung gesunken. Mit anderen Worten: 88 Prozent der Deutschen suchen in ihrem Alltag, sofern sie sich dies aussuchen können, keinen Kontakt zu religiösen Institutionen. 

Wohl noch aussagekräftiger sind die Studien, die in den letzten Jahren das Vertrauen der Menschen in unterschiedliche gesellschaftliche Institutionen abgefragt haben. In all diesen Umfragen landeten die religiösen Institutionen auf den hintersten Plätzen, meist auf dem allerletzten Platz. So auch in der breit angelegten SINUS-Studie aus dem Jahr 2016, die sich auf die für Kitas besonders relevante Gruppe der 18–34-Jährigen konzentrierte. Das Ergebnis war frappierend: 81,5 Prozent der Befragten in Deutschland gaben an, religiösen Institutionen nicht zu vertrauen, europaweit waren es sogar 85,5 Prozent der Befragten. Zum Vergleich: Der Polizei misstrauen nur 47 Prozent der jungen Europäer.

Halten wir fest: Mehr als 80 Prozent der heutigen bzw. kommenden Elterngeneration misstraut ausgerechnet jenen Institutionen, die mehr als die Hälfte aller nicht-staatlichen Kitas stellen! Womit lässt sich dieses gravierende Missverhältnis erklären? Nun, ganz einfach damit, dass die Nachfrage in der Bevölkerung keinen nennenswerten Einfluss auf das Angebot im Kitabereich hat. Denn die Vergabe und Bezuschussung von Kitaplätzen findet in einem durch Sonderrechte verriegelten Raum statt, der kartellartige Züge aufweist. 

Schon vor 20 Jahren hat die Monopolkommission, welche die Bundesregierung auf dem Gebiet der Wettbewerbspolitik berät, die "mangelnde Konsumentensouveränität" im Sozialbereich und die "kartellgleich wirkenden Absprachen" zwischen dem Staat und den Spitzenverbänden der freien Wohlfahrtspflege kritisiert. In dem 1998 veröffentlichten 12. Hauptgutachten der Kommission heißt es dazu: "Die Leistungsberechtigten haben keinen oder aber nur einen geringen Einfluss auf die Qualität und die Ausgestaltung des Angebots. (…) Das Kartell der zugelassenen Anbieter stellt einen genuinen Bestandteil des Systems dar, mithin sind wettbewerbliche Reformen innerhalb des Systems nicht möglich."

Um diese strukturellen Defizite aufzuheben, schlug die Monopolkommission u. a. die Gleichstellung der gewerblichen mit den frei-gemeinnützigen Dienstleistungsträgern vor. "Folglich", so heißt es im 12. Hauptgutachten, "darf steuerrechtlich nicht mehr zwischen erwerbswirtschaftlich orientierten sowie steuerbegünstigten gemeinnützigen Unternehmen differenziert werden. Auch der Zugang zu Subventionen (…) sollte an einen sachlichen Bezug geknüpft werden. Die Benachteiligung privatgewerblicher Leistungserbringer in bezug auf Spendenvergünstigungen und Förderung ehrenamtlicher Arbeit ist ebenso aufzuheben."

All dies ist der Bundesregierung bereits vor 20 Jahren ins Merkheft geschrieben worden. An den kartellartigen Strukturen hat sich seitdem aber kaum etwas verändert. Daher hat die Monopolkommission vor 4 Jahren noch einmal nachgelegt. Im 20. Hauptgutachten von 2014 heißt es: "Die Monopolkommission kritisiert die ungleiche Förderpraxis von Kindertageseinrichtungen auf Länderebene zulasten privat-wirtschaftlicher Anbieter. Aus Sicht der Monopolkommission sind notwendige Fördermaßnahmen, besonders mit Blick auf den massiven erforderlichen Ausbaubedarf an Kindertageseinrichtungen, unabhängig von der Trägerschaft zu gewähren." 

Die Begründung, welche die Kommission hierfür vorgelegt hat, ist einsichtig, denn: das "Wahlrecht für Leistungsberechtigte ist nicht so zu interpretieren, dass sich die Leistungsberechtigten lediglich zwischen kommunalen und bereits etablierten großen freien Trägern entscheiden können. Vielmehr ist es auch mit Blick auf das Leistungsangebot neuer und/oder kleiner Wettbewerber zu sehen, die in Zeiten flexibler Arbeitsmarktverhältnisse adäquate Kinderbetreuungsangebote liefern können." "Möglicherweise", so fügte die Monopolkommission in aller Vorsicht hinzu, "ist die bisherige Dominanz konfessioneller Träger (…) – mit Blick auf das Zurücktreten des Einflusses der Kirchen in der Gesellschaft – nicht ausschließlich Ausdruck eines Nachfragewunsches, sondern vielleicht mangelnder Alternativen für die Eltern." 

Angesichts der Tatsache, dass mehr als 80 Prozent der gegenwärtigen bzw. kommenden Elterngeneration gerade religiösen Institutionen misstraut, dürfen wir diesen Sachverhalt durchaus etwas schärfer formulieren: Wir können mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass die allermeisten Eltern in Deutschland nicht wollen, dass ihre Kinder in der Kita in irgendeiner Weise religiös beeinflusst werden – selbst wenn dies auf sanfte Weise in Morgenkreisen, Andachten und Spielen geschieht. Sie erwarten von einer guten Kita eben keine Glaubensmission, sondern eine professionelle pädagogische Arbeit, einen Ort, an dem sich ihre Kinder wohl fühlen und frei entfalten können, an dem sie etwas über sich und die anderen erfahren und an dem sie Fähigkeiten lernen, die ihnen später helfen werden, ihren eigenen Platz in der Welt zu finden.

Wenn solche Eltern eine Wahlmöglichkeit haben und sich dennoch für einen konfessionellen, statt für einen kommunalen Kindergarten entscheiden, so liegt dies häufig daran, dass die kommunalen schlechter ausgestattet sind. Doch diese bessere Ausstattung der konfessionellen Einrichtungen ist weniger ein Verdienst der Kirchen als Ausdruck des Versagens des Staates, der noch immer an den falschen Enden spart und das Geld gleichzeitig an den falschen Stellen ausgibt. Denken Sie nur an die sog. Staatsleistungen in Höhe von inzwischen 500 Millionen Euro, welche die Kirchen jährlich zusätzlich zur Kirchensteuer, zusätzlich zu den milliardenschweren Leistungen für Caritas und Diakonie, aus dem allgemeinen Steuertopf erhalten. Dank dieser Staatsleistungen tragen Konfessionsfreie und Muslime mit ihren Steuern noch immer zum Gehalt deutscher Bischöfe sowie zur besseren Ausstattung konfessioneller Kitas bei. Eigentlich sollten diese Sonderprivilegien längst schon abgeschafft sein, nämlich mit dem Inkrafttreten der Weimarer Verfassung am 14. August 1919, welche die Trennung von Staat und Kirche festlegte. Aber trotz des eindeutigen Verfassungsauftrags, der 1949 auch in das deutsche Grundgesetz aufgenommen wurde, ist nichts geschehen! Und so befinden wir uns nun seit etwa eineinhalb Monaten, nämlich seit dem 14. August 2018, im "100. Jahr des Verfassungsbruchs" – ein Skandal, den wir, wie ich meine, nicht länger hinnehmen sollten!

Gerade im Bereich der Wohlfahrtspflege, insbesondere in der Kinder- und Jugendhilfe, ist die von der Verfassung geforderte Trennung von Staat und Kirche nur in höchst unzulänglichem Maße erfolgt. Nicht zuletzt mit öffentlichen Geldern haben sich Caritas und Diakonie zu den größten nicht-staatlichen Arbeitgebern Europas entwickeln können, die ihre enorme Marktmacht, wenn es darauf ankommt, rigoros ausspielen – nicht nur gegenüber ihren eigenen Arbeitnehmern, die weit weniger Rechte besitzen als ihre Kollegen in nichtkonfessionellen Betrieben, sondern auch gegenüber Eltern, deren Kinder eine konfessionelle Kita besuchen. 

Hierzu ein Beispiel aus meiner Heimatstadt Trier: Dort kam es 2012 zu einem regelrechten Aufstand der Eltern, als bekannt wurde, dass die katholischen Kitas künftig noch größeren Wert auf eine spezifisch christliche Erziehung legen sollen, um auf diese Weise die "große pastorale Chance, die in der Arbeit der Kindertageseinrichtungen liegt", zu nutzen. Viele Eltern waren hierüber hochgradig empört, doch ihr Protest zeigte keinerlei Wirkung, was allerdings niemanden verwunderte. Schließlich befanden sich zum damaligen Zeitpunkt knapp 70 Prozent der Trierer Kindergärten in katholischer Trägerschaft. 

Den meisten Eltern blieb also gar keine andere Möglichkeit, als ihre Kinder weiterhin in eine katholische Einrichtung zu geben. Die Kirchenverantwortlichen waren sich dessen voll bewusst, weshalb sie unnachgiebig auf ihrem Standpunkt beharrten, dass eine katholische Kita nun einmal ein Ort der Glaubensunterweisung sei. Wem dies nicht passe, so wurde argumentiert, der brauche seine Kinder ja nicht in eine katholische Einrichtung zu schicken und könne doch, wenn er es wolle, eine eigene Kita gründen.

Wie das Beispiel zeigt, haben die normalen Marktregeln im Kitabereich keine Gültigkeit. Der Kunde ist dort keineswegs König, sondern vielmehr Untertan, der zu schlucken hat, was ihm vorgesetzt wird. Dies ist die logische Konsequenz einer Organisationsstruktur, in der eben nicht die Nachfrage das Angebot bestimmt, sondern das Angebot von einem bilateralen Kartell des Staates und der großen Wohlfahrtsverbände vorgegeben wird. Unter solchen Bedingungen kommt es fast unweigerlich dazu, dass das gesetzlich garantierte Recht der Eltern, aus einer Vielfalt von Kita-Trägern die passende Institution auswählen zu können, in vielen Fällen nicht gewährleistet wird. 

Allerdings verstößt diese besondere Struktur der deutschen Kita-Landschaft nicht bloß gegen die Rechte der Eltern und auch nicht nur gegen die Rechte neuer Anbieter, die sich auf dem Markt nicht etablieren können, sie verstößt auch gegen die Rechte der Kinder, die einen Anspruch auf seriöse Bildung haben – ein Thema, mit dem ich mich im nun folgenden zweiten Teil meiner Ausführungen etwas näher beschäftigen werde.