Memet Kilic zum geplanten Integrationsgesetz

Zuwanderungsgesetz anstatt Flickschusterei!

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Bundeskanzleramt
Bundeskanzleramt

BERLIN. (hpd) Nach langen Beratungen haben sich die Spitzenvertreter von CDU/CSU und SPD in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag auf das geplante Integrationsgesetz für Flüchtlinge verständigt. Das geplante Gesetz kommentiert Memet Kilic (MdB a.D.) kritisch für den hpd.

Wer Herrn Bundesinnenminister de Maizière kennenlernt, muss gestehen, dass er ein seriöser Politiker ist. Man muss ihn sogar bewundern, dass er überhaupt schlafen kann. Die Welt ist viel böser, als wir uns vorstellen können. Da ich die Hälfte meiner grauen Haare im Bundesinnenausschuss und als ständiger Teilnehmer des NSU-Untersuchungsausschusses bekommen habe, kann ich mir leicht vorstellen, welche harten Maßnahmen er treffen muss und welche Seiltänze er an den Tag legen muss.

Meine Enttäuschung ist umso größer, als ich ausgerechnet von ihm hören muss, dass er neuen Wein in alten Schläuchen servieren möchte, in dem er schon wieder mit dem Ausländergesetz Flickschusterei betreibt. Das Integrationsgesetz soll seiner Meinung nach Menschen auf der Flucht zu Integration verpflichten und Ghettobildung verhindern. Dies sind zunächst wichtige Ziele, die wir uns alle wünschen würden.

Sie können jedoch nicht mit Hektik und einem neuen Gesetz durch Verpflichtungen oder Wohnsitzauflagen allein erreicht werden.

Exakt diese hektische Vorgehensweise, mit täglichen widersprüchlichen Vorschlägen, hat, anstatt diese zu verhindern, zum Aufstieg einer rechtspopulistischen Partei mit beigetragen. Man denke an "Plan A2" aus Rheinland-Pfalz.

Die Bundesregierung will die sog. Vorrangsprüfung (ein Neuankömmling bekommt den Job nur dann, wenn ein Deutscher, EU-Bürger etc. den Job nicht haben will) für "drei Jahre" abschaffen. Diese Regelung ist zwar ein faktisches Arbeitsverbot und bürokratisches Ungetüm, aber auch gleichzeitig eine Beruhigungspille für die Rechtspopulisten. Sie können nicht behaupten, dass deutsche Arbeitsplätze von den Flüchtlingen weggenommen würden.

Entweder muss die Bundesregierung die Vorrangsprüfung komplett abschaffen und die daraus resultierende politische Diskussion bestehen oder den Menschen reinen Wein einschenken und sagen, dass die Vorrangsprüfung nach vierjährigem Aufenthalt im Bundesgebiet in der Regel sowieso wegfällt. Tut sie das nicht, wirkt die Beruhigungspille weder koalitionsintern noch nach außen.

Die Bundesregierung und die Bundesländer müssen sich die Frage erlauben, wem es genutzt, dass sie vor einem Jahr die Residenzpflicht abgeschafft haben, und diese nun mit dem neuen Wort "Wohnsitzauflage" ersetzen?

Ja, die Sicherheitslage in Deutschland und in Europa ist eine viel ernstere als je zuvor. Jedoch mangelt es hierbei in erster Linie nicht an zusätzlichen gesetzlichen Regelungen, sondern an qualifiziertem Personal und effektivem Vorgehen aller Beteiligten.

Wenn die Regierung den sog. Integrationsunwillen sanktionieren möchte, muss sie vorher die Öffentlichkeit über die bestehenden Sanktionsmöglichkeiten aufklären:

Verletzt ein Ausländer seine Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Teilnahme an einem Integrationskurs, kann die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis abgelehnt werden (§ 8 Abs. 3 Aufenthaltsgesetz).

Für BezieherInnen des Arbeitslosengeld II ("Hartz IV") wird zudem der Regelsatz nach § 31 des Sozialgesetzbuches II um 10 Prozent gekürzt, wenn ein verordneter Integrationskurs nicht besucht wird. Bei der wiederholten Pflichtverletzung wird das ALG II um 60 Prozent gekürzt, beim dritten Mal komplett.

Die Ausländergesetzgebung ist zur Dauerbaustelle der Nation geworden. Laufen Dinge in der öffentlichen Wahrnehmung aus dem Ruder, wird sofort für die Verschärfung des Aufenthaltsgesetzes plädiert, um die Volksseele zu beruhigen.

Das Ergebnis ist aber wie immer Flickschusterei der Ausnahmeregelung der Ausnahme, wovon die Dinge eher komplizierter für Verwaltung, Justiz und die Menschen werden.

Es wäre jetzt die Gelegenheit für ein in sich schlüssiges, modernes Zuwanderungsgesetz, das folgenden Grundsätzen folgt:

  • Legale Zuwanderung zu ermöglichen, die deutschen Interessen und der deutschen Verantwortung entspricht
  • Anstatt Zwang anzuwenden, gelungene Integration belohnen
  • Anreize für Kommunen schaffen, Motoren der Integration zu sein
  • Entrümpelung teurer und bürokratischer Hürden für Integration
  • Die niederschwellige Beteiligung von Menschen mit Migrationsgeschichte und der sonstigen Zivilgesellschaft an Integrationsmaßnahmen erleichtern
  • Rechts- und Finanzierungssicherheit für Integrationsmaßnahmen wie Kinderbetreuung bei Sprachkursen

Über das Zuwanderungsgesetz hinaus, die Förderung von bezahlbarem Wohneigentum durch einen haushaltsneutralen, revolvierenden Fond.

Weitere Vorschläge und Konkretisierungen sollten durch eine Arbeitskommission (ähnlich der Süssmuth-Kommission), die für ein modernes und kompaktes Zuwanderungsgesetz arbeitet, erfolgen.