Warum die Kriminalisierung professioneller Freitodbegleitungen ein Erfolg kirchlicher Lobbyisten ist

"Diese Politiker sind verantwortlich dafür, dass Sie möglicherweise qualvoll sterben müssen!"

OBERWESEL. (gbs) Nach der heutigen Veröffentlichung des "Gesetzes zur Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung" im Bundesgesetzblatt drohen professionellen Sterbehelfern, die "Letzte Hilfe" gewähren, Haftstrafen bis zu drei Jahren. "Merken Sie sich die Namen der Abgeordneten, die für dieses reaktionäre Gesetz gestimmt haben", erklärte dazu der Vorstandssprecher der Giordano-Bruno-Stiftung, Michael Schmidt-Salomon. "Denn diese Politiker sind verantwortlich dafür, dass Sie möglicherweise qualvoll sterben müssen!"

Anders als in den meisten Medien berichtet, "stand keineswegs eine überwältigende, fraktionsübergreifende Mehrheit hinter dem Gesetz", sagte Schmidt-Salomon. "Tatsächlich fand es nur innerhalb der CDU/CSU-Faktion mehrheitlich Zustimmung, was nur über die besonders enge Kooperation und weltanschauliche Verbundenheit der C-Parteien mit den Kirchen zu erklären ist." Dennoch wäre das "neue Sterbehilfeverhinderungsgesetz" im Parlament gescheitert, wenn nicht auch einige Abgeordnete der SPD, der Grünen oder der Linken für das Gesetz gestimmt hätten. (Eine Auflistung der Parlamentarier, die für das Verbot der professionellen Sterbehilfe votierten, finden Sie am Ende dieses Artikels.)

"Schaut man sich die Parlamentarier an, die außerhalb der CDU/CSU für ein Verbot professioneller Freitodbegleitungen gestimmt haben, fällt auf, dass viele von ihnen starke kirchliche Bezüge aufweisen, wie etwa die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Katrin Göring-Eckardt, die von 2009 bis Oktober 2013 Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland war", sagte Schmidt-Salomon. "Allerdings findet man unter den 77 Abgeordneten der SPD, den 19 Abgeordneten der Grünen sowie den 12 Abgeordneten der Linksfraktion, die für das Verbot der Suizidhilfe eintraten, auch Politiker, die bislang nicht durch ein besonders starkes religiöses Engagement aufgefallen sind. Ihnen muss man vorwerfen, dass sie sich mit dem Thema 'Sterbehilfe' im Vorfeld der Entscheidung nicht hinreichend beschäftigt haben und aufgrund dieser mangelnden Sachkenntnis den Fehlinformationen der Verbotsbefürworter auf den Leim gegangen sind."

"Die Folgen dieses Gesetzes sind dramatisch"

"Das ab morgen geltende Gesetz verschlechtert", so Schmidt-Salomon, "die Lage schwerstleidender Menschen in Deutschland in unzumutbarer Weise, was durch die zeitgleich beschlossene Verbesserung der palliativmedizinischen Versorgung nicht aufgehoben wird. Denn in vielen Fällen ist selbst die beste Palliativmedizin machtlos, wie der Arzt und Sterbehelfer Uwe-Christian Arnold in seinem Buch 'Letzte Hilfe' dargelegt hat. Ab morgen wird Arnold seinen Patienten nicht mehr helfen können, ohne eine mehrjährige Haftstrafe zu riskieren. Ab morgen sind Menschen, die angesichts einer dramatisch fortgeschrittenen Erkrankung nicht mehr weiterleben möchten, auf sich allein gestellt. Ab morgen dürfen sie hierzulande in der allergrößten Not nur noch Laien um Hilfe bitten, die nicht genau wissen, wie man das Leben auf sanfte Weise beenden kann. Die Folgen, die das Gesetz für viele verzweifelte Menschen haben wird, sind dramatisch. Tragischerweise werden einige von ihnen es nicht mehr erleben, dass dieses reaktionäre 'Sterbehilfeverhinderungsgesetz', das ihnen das 'letzte Menschenrecht', nämlich das Recht auf Selbstbestimmung am Lebensende, weitgehend genommen hat, als verfassungswidrig erklärt wird."

Die Giordano-Bruno-Stiftung hatte im Vorfeld der Bundestagsentscheidung mit einer letzten Aktion sowie mit einem Flugblatt, das sämtlichen Abgeordneten zuging, auf die Ungeheuerlichkeit einer Gesetzgebung hingewiesen, die gegen den Willen von mehr als 80 Prozent der Bevölkerung und gegen das klare Votum der deutschen Strafrechtslehrer christliche “Lebensschützer”-Werte zum Richtmaß eines säkularen Staates macht. In den Medien sei die Rolle christlicher Lobbyisten bei der Entscheidungsfindung bedauerlicherweise kaum thematisiert worden, kritisierte Schmidt-Salomon. So habe ein namhaftes deutsches Nachrichtenmagazin ein bereits fertiggestelltes Interview mit dem Politologen Dr. Carsten Frerk (Mitglied des GBS-Beirats) zum Zusammenhang von christlichem Lobbyismus und Suizidhilfeverbot letztlich doch nicht veröffentlicht. Da in diesem Interview einige Sachverhalte erhellt werden, die in der Berichterstattung fehlten, hat sich die Giordano-Bruno-Stiftung (in Absprache mit dem Autor) entschlossen, das Gespräch an dieser Stelle zu veröffentlichen.