Church of England in der Krise

Missbrauchsskandal und Rekordtief bei Mitgliederzahlen

BERLIN. (hpd) Während es in Deutschland durch die neuen Erkenntnisse im Missbrauchsskandal bei den Regensburger Domspatzen für die katholische Kirche schlechte Presse hagelt, steht aktuell auch die Church of England wegen eines Missbrauchsskandals unter Beschuss. Im Fall des anglikanischen Bischofs und verurteilten Sexualstraftäters Peter Ball dringen neue Erkenntnisse ans Tageslicht. Ein weiterer Dolchstoß für die ohnehin krisengeschüttelte englische Staatskirche, deren Mitgliederzahl rapide sinkt.

Im Oktober 2015 war es ein beherrschendes Thema in der britischen Presse: Peter Ball, ein in den Ruhestand versetzter Bischof der anglikanischen Kirche, wurde zu 32 Monaten Haft verurteilt, weil er in den Jahren 1977 bis 1992 insgesamt 18 junge Männer sexuell missbraucht hatte. Im Dezember 2015 deckte die BBC auf, dass die Church of England Ball jahrzehntelang gedeckt hatte. Dokumente, die Anfang Januar 2016 der Sunday Times zugespielt wurden, legen überdies nahe, dass auch die Polizei in den 1990er Jahren daran beteiligt war, Ball vor einer Strafverfolgung zu schützen.

Die Enthüllungen im Fall Ball treffen die Church of England empfindlich, denn schon seit Jahren laufen ihr in Scharen die Mitglieder weg. Bereits im Mai 2015 hatte eine Studie des britischen National Centre for Social Research aufgedeckt, dass die Church of England unter einem dramatischen Mitgliederschwund leidet. Hatten im Jahr 1983 noch 40% der Briten angegeben, sie seien Mitglied der Church of England, so waren es im Jahr 2004 noch 29% und im Jahr 2014 sogar nur noch 17%. Innerhalb von nur zehn Jahren sank damit die Zahl der Menschen, die sich selbst der Church of England als Mitglied zurechnen um 4,5 Millionen – von 13 Millionen auf 8,5 Millionen. – Die Church of England selbst rechnet hingegen lieber mit anderen Zahlen und verweist darauf, dass sie 26 Millionen getaufte Mitglieder habe.

Laut der Studie des National Centre for Social Research blieben Mitgliederzahlen anderer Religionsgemeinschaften im selben Zeitraum relativ konstant oder stiegen – wie im Fall des Islam – minimal an. Die größte Bevölkerungsgruppe, die die Sozialforscher ermittelten, war die Gruppe der Ungläubigen. Hatten im Jahr 1983 31% der Briten angegeben, keiner Religion anzugehören, so waren es im Jahr 2004 bereits 43% und im Jahr 2014 49%.

Das geistliche Oberhaupt der Church of England, der Erzbischof von Canterbury, Justin Welby, gibt sich angesichts der Krise seiner Kirche kämpferisch, wie der britische Telegraph berichtet:

"Die Kultur ist anti-christlich geworden, ob es nun die Sexualmoral betrifft oder den Umgang mit Menschen am Anfang und Ende ihres Lebens. Es ist ein Kampf, aber wir werden ihn nicht verlieren. In diesem Land sprechen viele von einer post-christlichen Gesellschaft, aber wir als Church of England unterrichten mehr als eine Million Kinder in unseren Schulen."

In der Tat ist die anglikanische Kirche in England – wie die meisten religiösen Gemeinschaften weltweit – bemüht, ihre Mitgliederverluste durch Sterbefälle in der älteren, noch kirchennahen Mitgliedergruppe durch die frühzeitige Rekrutierung jüngerer Menschen aufzufangen. Jede sechzehnte weiterführende Schule und jede vierte Grundschule in England wird von der Church of England betrieben.

Erzbischof Welby hat noch einen weiteren Grund für seinen Optimismus, denn obwohl die Church of England derzeit rapide ihren Rückhalt in der Bevölkerung verliert, ist sie massiv mit dem englischen Staat und der englischen Oberschicht verbunden.

Seit die Church of England im 16. Jahrhundert von König Heinrich VIII. gegründet wurde – übrigens deshalb, weil der die Nase davon voll hatte, dass sich der Papst in seine Dinge einmischte und ihm überdies die Scheidung von seiner Frau verweigerte – ist bis heute der jeweils regierende britische Monarch das weltliche Oberhaupt der Church of England, gegenwärtig also Queen Elizabeth II.. Staat und Kirche sind in Großbritannien eng verflochten und so sind der Church of England unter anderem 26 Sitze im britischen Oberhaus für ihre Bischöfe und Erzbischöfe garantiert – unabhängig von irgendwelchen Wahlergebnissen, denn die Mitglieder im Oberhaus werden nicht demokratisch gewählt, sondern von der Königin ernannt.