Ein Leitfaden zum Kopftuch-Verbot

c. Argumente für ein begrenztes Kopftuchverbot.
 
Um Missverständnissen vorzubeugen, ist es sinnvoll, die Allgemeingültigkeit unserer Ansichten dazu zu präzisieren. 

(1) Die muslimische Gemeinschaft könnte positiv zum friedlichen Zusammenleben in einer säkularen Gesellschaft beitragen, wenn sie - wie die marokkanische Regierung - auf die Auffassung verzichtet, dass das Kopftuch, insbesondere der Hijab, eine göttliche Pflicht sei. Auch Imame und Religionslehrer sollten Minderjährige nicht lebenslang den Fluch eines solchen Gebots aufhalsen. Wenn erwachsene Frauen später, ohne jegliche Beeinflussung aus ihrer Kindheit, nach reiflicher Überlegung sich für eine gewisse Kleidung entscheiden, sollte das jeder respektieren, ohne daraus zu folgern, dass diese Wahl besser ist als eine von Anderen. Wenn sie dabei so weit gehen, eine Arbeit zu verweigern, wo eine Kleiderordnung gilt, dann ist das ihre eigene Entscheidung, einschließlich der damit verbundenen Konsequenzen.

Es wäre ein Nutzen für eine friedliche Gesellschaft, wenn jeder so viel wie möglich vermeidet, kontinuierlich die eigene Weltanschauung an die große Glocke zu hängen. Das schließt nicht aus, dass die Menschen ihren Glauben gemeinsam in Kirchen, Moscheen usw. erleben, und kein vernünftiger Mensch hat etwas gegen gelegentliche Treffen im öffentlichen Raum, wie eine religiöse Beerdigung, einen Papstbesuch und die Feier des Zuckerfestes (nach dem Ramadan).

Wir befürworten daher ein "low profile " für das kontinuierliche, öffentliche Äußern der eigenen Meinung.  Das ist ausdrücklich kein Plädoyer für ein generelles Verbot des Hijabs. Der Grundsatz der Meinungs-und Religionsfreiheit wäre gefährdet und es ist viel besser, dass eine solche Entwicklung sich durch eigene Einsicht in Ruhe und schrittweise durchsetzt. Jede Kritik eines generellen Kopftuchverbots ist deshalb in dieser Hinsicht sinnlos.
 
(2) Ein generelles Verbot des Tragens eines Gesichtsschleiers (Niqab oder Burka) im öffentlichen Raum ist jedoch eine Notwendigkeit. 

(a) Dies ist ein Grundsatz der öffentlichen Ordnung: Das Verstecken des Gesichts stellt eine gesellschaftliche Gefahr dar: Die Identifizierung der Täter rechtswidriger oder unmoralischer Handlungen und feindseliger Äußerungen (Beleidigungen) wird dadurch unmöglich oder sehr schwierig. (Während der traditionellen Karnevalfeier sind in einigen Städten Masken erlaubt, aber innerhalb eines klar begrenzten Zeitraumes.)

(b) Aus der traditionellen islamischen Interpretation heraus symbolisiert diese Art von Schleier unzweifelhaft, dass die Frau ausschließlich ihrem Mann gehört, nicht nur im Hinblick auf die intimen Beziehungen sondern auch im Hinblick auf ihre ganze Persönlichkeit. Von einem modernen menschlichen Gesichtspunkt auf die menschlichen Beziehungen heraus ist das eine unzulässige Diskriminierung. Eine eventuelle Zustimmung der Frau ändert das nicht: Man hat kein Recht, auf die grundlegenden Menschenrechte zu verzichten.

(c) Im Islam werden die Burka oder der Niqab durch die hanefitischen und schiitischen Rechtsschulen nicht obligatorisch auferlegt und seit den Reformbewegungen der 1900er Jahre wird dieser Schleier von der großen Mehrheit der Muslime von fast allen Rechtsschulen nicht mehr als religiöse Pflicht betrachtet. Die Anrufung der Religionsfreiheit ist sicherlich in diesem Fall völlig ausgeschlossen.

(d) Die Bemerkung, dass das Problem sich kaum stellt, und somit nicht dringend ist, ähnelt stark eine Vogel-Strauß-Politik. (i) Die Situation in England und Frankreich zeigt, dass das Problem sich bald auch bei uns deutlicher manifestieren wird. (ii) Jetzt, da das Problem noch nicht akut ist, kann es auch ohne viel Widerstand gelöst werden.
 
(3) Im Zusammenhang mit dem gewöhnlichen Hijab verteidigen wir die Auffassung, dass in bestimmten definierten Situationen das klare Zurschaustellen einer bestimmten Religion oder Weltanschauung verboten werden kann.

Das Recht auf freie Meinungsäußerung bedeutet nicht, dass man seine Meinung unter allen Umständen darstellen darf. Eine katholische Schule hat das Recht, einen Lehrer im Klassenzimmer das Halten eines atheistischen Plädoyers zu verbieten und auch in einer öffentlichen Schule ist eine Lehrerin an die Neutralitätsverpflichtung gebunden.
So kann eine Art von Kleidung oder andere Merkmale, die eindeutig auf die Weltanschauung der Person hinweisen, verboten worden, sei es für Lehrer und Schüler in der geschlossenen Umgebung einer Schule, die vor allem Minderjährige besuchen, oder für Beamte bei der Erfüllung ihrer Aufgaben. Darüber hinaus können Unternehmen (wie die Bahn oder Emirates Airlines) aus verschiedenen Gründen eine Kleiderordnung für ihre Mitarbeiter anordnen.