Gutachten für „meinen Herrn“

Hofmann: „Nur die Hälfte der Opfer traumatisiert“

Das Internetportal kath.net zitiert den Psychiater unter anderem mit der Aussage: „Heute gebe es in der öffentlichen Meinung die Tendenz zu meinen, alle Opfer von Pädophilen seien „schwerstens traumatisiert“. Hofmann: „Das ist nicht der Fall.“ Pädophile Handlungen bleiben – so seine Erfahrung – oft auf Ebene der Berührung. Untersuchungen zeigen außerdem: Die Hälfte der betroffenen Kinder kann mit pädophilen Übergriffen gut umgehen. Sie ordnen sie in ihre Biographie ein und bekommen keine posttraumatische Belastungsstörung.“

In seinem Hauptreferat arbeitete sich Hofmann am Thema „Der Zeitgeist und seine psychischen Störungen“ ab: „Als problematische, wenn nicht gar pathogene Faktoren nannte er für unsere Gesellschaft die extreme Individualisierung, Stress und Schnelllebigkeit, Sinnentleerung durch Säkularisierung, das Diktat des Kapitals sowie die industrielle Sexualisierung.“ Thesen, die der katholischen Kirche nicht ganz fremd sein dürften. Wobei Hofmann unter Zeitgeist unter anderem bessere Arbeitsbedingungen, ausgewogene Ernährung und soziale Sicherheit zu verstehen scheint. Was die meisten Sozialwissenschaftler eher unter materielle Bedingungen einordnen würden als unter „Zeitgeist“. Daneben fungiert Hofmann gelegentlich als Werbeträger für Pharma-Produkte.

Niemand wagt sich aus der Deckung

Psychiatern erscheint das Naheverhältnis zwischen Hofmann und der katholischen Kirche als nicht unproblematisch, wenn es um das Privatgutachten für Maasburg geht. Aus der Deckung wagen will sich niemand. Vor Gericht würde der mögliche Interessenskonflikt keine Rolle spielen „da hier die Trennung von Kirche und Staat nicht wirklich vollzogen ist.“ Etwas eindeutiger sind Aussagen zu der öffentlichen Rolle, die das Gutachten spielt. Ohne Genehmigung Informationen über den Gesundheitszustand eines Menschen zu veröffentlichen sei auf jeden Fall strafrechtlich relevant, heißt es. Was unter Umständen weniger ein Problem des Gutachters sein könnte als das des Auftraggebers, der zumindest Teile des Inhalts der Öffentlichkeit zugänglich machte.

Diese Frage könnte bald vor Gericht eine Rolle spielen. Die Frau, der Hofmann per Ferndiagnose ein Borderline-Syndrom bescheinigt, hat Anzeige bei der Staatsanwaltschaft und eine Disziplinarbeschwerde bei der Ärztekammer eingereicht. „Für mich stellt dieses angebliche „Gutachten“ eine enorme Kränkung und Rufschädigung dar. Darüber hinaus stellt die Veröffentlichung eines medizinischen Urteils über meinen Gesundheitszustand, ohne meine ausdrückliche vorherige Zustimmung eine massive Verletzung des Arztgeheimnisses dar. Ein mögliches zivil- und strafrechtliches Vorgehen gegen Prof. Hofmann wird derzeit rechtlich geprüft.“ Womit auch ein zentraler Teil der Verteidigung Maasburgs ins Zwielicht zu geraten scheint. Ein Betreuer der Frau spricht von einer Rufmordkampagne.

Über Schuld oder Unschuld der Beteiligten sagt das wenig aus. Über deren öffentliche Glaubwürdigkeit sehr wohl. Die spielt vor Gericht keine Rolle. Aber in der Auseinandersetzung um die öffentliche Meinung.

Christoph Baumgarten