Heiliger Zweck, profane Mittel

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Gegendemonstranten / Foto: privat

DÜSSELDORF. (hpd) Lebensschützerorganisationen haben ihre Aktivitäten in den letzten Jahren deutlich gesteigert. Doch während sie von politischer Seite beachtliche Unterstützung erfahren, gibt es in der Bevölkerung eine stabile Mehrheit gegen eine Verschärfung des § 218. Das zwingt zu außergewöhnlichen Schritten.

 

ProLife ist eine solche Lebensschützerorganisation. Auf ihrer Webseite wirbt sie mit dem Slogan „Familien unterstützen, Menschenleben schützen“ für einen Wechsel zu einer Krankenkasse, die einen besonderen Tarif für Abtreibungsgegner anbietet. ProLife zahlt bei der Geburt eines Kindes 300 Euro als „freiwillige Leistung“ und im Gegenzug verzichten die Versicherten „aus Gewissensgründen freiwillig auf Abtreibung“. Der Schutz „ungeborener Kinder“ sei keine Privatsache und ProLife verfolgt mit der Krankenkassenkooperation ganz offen gesellschaftspolitische Ziele: „Durch den freiwilligen Verzicht auf Abtreibung möchten wir zu einem moralischen, ethischen, sozialen und wirtschaftlichen Umdenken in unserer Gesellschaft beitragen.“

Für ein solch hehres Ziel muss natürlich geworben werden. Zum Beispiel mit einer Filmvorführung. Mit der Videoanimation „Wunder des Lebens“ will ProLife „vor allem skeptischen Zuschauern beweisen, dass ein Kind schon ab den ersten Tagen der Schwangerschaft ein liebenswertes Wesen ist und weder ‘Schwangerschaftsgewebe’ noch ein ‘Zellhaufen’, wie Abtreibungsbefürworter gerne behaupten.“ Emotion anstelle von Argumenten – ein im Lebensschützermilieu häufig anzutreffendes Vorgehen.

Das Propagandafilmchen sollte am 1. Oktober abends vor dem Düsseldorfer Hauptbahnhof als Endlosschleife gezeigt werden. Und um zu gewährleisten, dass die Menschen auch stehen bleiben, holte sich ProLife ganz offensichtlich Rat bei jemandem, der sich auf Bauernfängerei versteht. Eine Maßnahme tief aus der Trickkiste der Werbeprofis sollte gewährleisten, dass so richtig viele Menschen innehalten und die Botschaft von ProLife förmlich aufsaugen würden: „Als Anreiz zum Verweilen werden wir an Passanten großzügig Freibier ausschenken. (...) Wir wollen auf diese Weise vor allem einen Personenkreis erreichen, der sich bisher mit der Abtreibung noch gar nicht auseinandersetzt hat oder dem unbedingten Schutz ungeborener Kinder ablehnend gegenübersteht.“ In einer „Internen Mitteilung an alle Lebensschützer“ bat die Organisation um tatkräftige Unterstützung für diesem Samstagabend.


Abbildung: screenshot von einer Mitteilung auf der Internetseite von ProLife, die bereits am Samstagabend von der Internetseite herunter genommen wurde.

 

Genial geplant, aber dann ging irgendwas schief. Denn als der erste Lebensschützer mit Beamer und Leinwand auftauchte, hatten sich bereits rund 50 Gegendemonstranten auf dem Bahnhofsvorplatz eingefunden. Die waren nicht wegen des Bieres gekommen, sondern um den „Lebensschützern“ zu verdeutlichen, dass das Rad der Geschichte nicht so einfach zurückzudrehen sein wird. Auf eine solche Konfrontation war ProLife augenscheinlich nicht eingestellt. Statt eines bierseligen Publikums waren Menschen gekommen, die das Recht auf einen selbstbestimmten Schwangerschaftsabbruch zu verteidigen bereit waren.

Zu allem Überfluss kam der Lastwagen mit dem Freibier auch nicht und derart verunsichert verzichteten die Lebensschützer letztlich darauf, ihre Leinwand aufzubauen. So gingen alle am Ende durstig von dannen und konnten von Glück reden, dass in Düsseldorf die längste Theke der Welt ist...

Gunnar Schedel

 

"Die Leinwand der Lebensschützer-Filmgruppe blieb an diesem Samstagabend eingerollt."