Kosovo: Eyes Wide Shut

Keine Versöhnungsbemühungen

Kaum lösbar für eine Militäreinheit. Zumal die westliche Politik außer salbungsvollen Sonntagsreden kaum etwas beitrug, die Volksgruppen miteinander zu versöhnen. Selbst die Sonntagsreden waren häufig sehr einseitige Appelle an die Serben, sich doch mit der neuen Lage abzufinden. Im Kosovo gebe es ja Demokratie und Menschenrechte und internationalen Schutz. Die Serben seien dort sicher. Gleichzeitig wurden schon Jahre, bevor der Kosovo sich einseitig für unabhängig erklärte, alle zuerst jugoslawischen, dann serbischen Hoheitszeichen aus der Region entfernt. Offiziell gehörte selbst nach Auffassung der westlichen Staaten der Kosovo damals noch zu Serbien. Nicht einmal Personenzüge der serbischen Eisenbahn durften in den Kosovo fahren. Mit der UN-Resolution 1244 ließ sich das nicht mehr rechtfertigen. Genauso wenig wie die Tatsache, dass die KFOR autonome Wahlen in serbischen Gemeinden im Nordkosovo taxfrei für illegal und ungültig erklärt. Seien es Gemeinderatswahlen oder serbische Parlamentswahlen.

Die Internationale der Kriminellen

Dazu der mehr als skurrile Streit um die Reisepässe, der bis heute dauert. Gleichzeitig blieb die Grenze zu Albanien offen. Die UCK wandelte sich unter den Augen der UNO zum größten Schmugglerring Europas. Drogen, Mädchen, Waffen. Und nochmal Drogen. Der mitteleuropäische Heroinhandel wird heute großenteils von kosovarischen Banden betrieben. Die Führungskader sind fast ausnahmslos ehemalige UCK-Kommandanten. Mit serbischen Schmugglern aus dem Nordkosovo verstehen die sich nach Bedarf übrigens prächtig. Dort sind effektive Grenzkontrollen geographisch schwer möglich und die serbische Bevölkerung hat sie lange verhindert. In ihren Augen existiert die Grenze bis heute nicht. (In den Augen von mehr als zwei Drittel der Staaten dieser Welt übrigens genauso wenig.) Die Internationale der Kriminellen.

Gleichzeitig behindert die internationale Gemeinschaft sämtliche Versuche serbischer Gemeinden, sich für unabhängig zu erklären. Auf einmal gilt das völkerrechtliche Prinzip, dass Grenzen nicht einseitig verändert werden dürfen. Bestenfalls dürfe das Problem bilateral gelöst werden. Auf serbischer Seite setzt das voraus, dass die serbische Regierung die Unabhängigkeit des Kosovo anerkennt. Das will die – vielleicht – tun, wenn die Kosovaren bereit sind, zumindest den Nordkosovo an Serbien anzugliedern. Die Kosovaren wollen bestenfalls über den Nordkosovo reden, wenn die Serben sie anerkennen. Viel klassischer kann eine Katze nicht sein, die sich in den Schwanz beißt.

Die EU hat sich eine Vermittlerrolle angemaßt. Der wird sie nach eigener Auffassung gerecht, indem sie sich weigert, das Beitrittsgesuch Serbiens anzuerkennen, solange die Kosovo-Frage nicht geklärt ist. Auf kosovarische Seite wird kein Druck ausgeübt. Das erscheint seltsam inkonsequent: Zypern durfte der EU beitreten. Auch dort ist die „Statusfrage“ nicht gelöst. Auch dort stehen UN-Truppen im Land um zwei nach wie vor (zumindest teilweise) verfeindete Volksgruppen auseinanderzuhalten.

Man darf sich angesichts dieser Ausgangslage kaum wundern, dass nationalistische Hetzer im Nordkosovo reüssieren. Das Gefühl der meisten Serben dort, ungerecht behandelt worden zu sein, treibt sie den Rattenfängern zu. Die einzige Möglichkeit, sich gegen das Unrecht zu wehren, sehen sie, indem sie die Grenzen in die albanischen Gebiete blockieren.

Vermitteln wird dort kaum noch jemand können. Am allerwenigstens KFOR und EULEX. Die werden als Exekutoren einer albanischen Unabhängigkeitspolitik bzw. einer Albanisierungspolitik gesehen. Und sie haben hart daran gearbeitet, so wahrgenommen zu werden. Dass ausländische Soldaten Opfer dieser Fehler werden, ist tragisch. Die Verantwortung tragen weniger die, die für das kämpfen, was sie für ihr Recht halten. Die Verantwortung tragen die, die eine Militäreinheit damit beauftragt haben, einen Jahrhunderte alten Konflikt anhand untauglicher und ungerechter politischer Vorgaben zu lösen. Aber die üben sich lieber in moralischer Entrüstung.

Christoph Baumgarten