„Diese schönen alten Dorfkirchen…“

Beispielbild
Dr. Simone Scheps / Foto: privat
Gibt es denn noch genügend Pastoren, dass man diese restaurierten Kirchen überhaupt als Gottesdienstgebäude nutzen könnte?

Das ist ein wichtiger Punkt. Ich weiß von Beispielen, dass Pastoren darunter leiden, wenn sie nun plötzlich zwölf Kirchengemeinden betreuen sollen. Das ist dann natürlich eine aufwändige Herumfahrerei, und die Betreuung der Gemeindemitglieder wird mühsam.

Dadurch entsteht dann der Konflikt, dass die Gebäude zwar immer noch der Kirche gehören, auch wenn sie wieder aufgebaut wurden, aber wenn der Pastor sich nur gelegentlich blicken lässt, erhebt der Förderverein dann manches Mal den Anspruch darauf, dieses Kirchengebäude ganz für sich zu nutzen, zu ganz anderen Zwecken.

Ist es schon vorgekommen, dass diese Kirchengebäude entwidmet worden sind?

Ja, das kommt immer wieder vor. Ein Beispiel ist die Nikolaikirche in Stralsund, in dieser Kirche finden jetzt Theateraufführungen statt. Außerdem beherbergt die „Kulturkirche“ ein Café. Es gab auch schon mal eine Disko in der Kirche. Dadurch, dass sie im Stadtzentrum steht, kam es damals zu Beschwerden wegen Lärmbelästigung und auch zu einer öffentlichen Diskussion, wie weit man bei der Umnutzung einer Kirche gehen dürfe.

Könnte man es so sagen: Wenn man über das Land fährt und von außen die schönen alten Dorfkirchen sieht, dann ist nicht unbedingt auch Kirche drin, also ein als Kirche genutztes Gebäude?

Das äußere Erscheinungsbild als Kirche lässt keinen gesicherten Schluss zu, dass es auch als Kirche genutzt wird.

Das heißt, für profane Zwecke wie Hörspiele, Ausstellungen, Theater etc. und nur gelegentlich auch als Kirche?

Richtig.

Zusammenfassend meine Frage: Diese Kloster- und Kirchbauvereine sind kein Ausdruck für die Rückkehr einer Religiosität in Mecklenburg-Vorpommern, sondern Ausdruck eines bürgerschaftlichen Engagements, aus welchen kommunitären Gründen der Dorfbewohner auch immer?

So habe ich die Aussagen meiner Interviewpartner interpretiert. Keine Rückkehr der Religion, sondern Orientierung und Identitätsfindung in einer post-modernen Welt, wozu auch gehört, dass sich Menschen bewusst wieder für diesen ländlichen Raum als Wohnort entscheiden.
 

Frau Dr. Scheps, danke für das Gespräch.

Die Fragen stellte Carsten Frerk.