Vernunft im Dienste menschlicher Wünsche

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Prof. Dr. Hans Albert / Foto © Evelin Frerk

HEIDELBERG. (hpd) Hans Küng gilt als Aushängeschild eines Katholizismus, der Reformfähigkeit demonstriert. Der Philosoph Hans Albert hat sich schon vor Jahren kritisch mit den Aussagen des Theologen befasst. Sein Werk ist nun in dritter Auflage erschienen. Als es 1979 herauskam, war Küng gerade die Lehrerlaubnis entzogen worden.

Der Tübinger Theologieprofessor gehörte zu den ersten Opfern des konservativen Kurses des neuen Papstes Johannes Paul II. In dieser Konstellation fiel ihm automatisch die Rolle des „Progressiven“ zu. Hans Albert begegnet Küng hingegen als Kritiker eines „ideologischen“ Rationalismus, dem der Theologe sein Modell einer „echten“ kritischen Rationalität gegenüberstellt. Ob diese Vorstellungen tragfähig sind, untersucht Albert in seinem Buch „Das Elend der Theologie“.

hpd: Herr Albert, ist Ihre Auseinandersetzung mit Hans Küng eine persönliche Kontroverse oder prallen da zwei Denksysteme aufeinander?

Hans Albert: Es handelt sich dabei um zwei verschiedene Denksysteme.

hpd: Kam es denn je zu einem direkten Streitgespräch, zum Beispiel im Rahmen einer Podiumsdiskussion?

Hans Albert: Nein!

hpd: Sie kritisieren in ihrem Buch Küngs Umgang mit dem Begriff der Vernunft. Was genau stört Sie an dessen Vorstellung von Vernunft?

Hans Albert: Dass bei Küng die Vernunft im Dienste menschlicher Wünsche steht und nicht im Dienste der Suche nach Wahrheit.

hpd: An einer anderen Stelle werfen Sie Küng Immunisierungsstrategien vor. Wie sehen diese aus und auf welche Kritik beziehen diese sich?

Hans Albert: Küngs Rückzug auf eine „innere Rationalität“ ist die Immunisierungsstrategie, die ich kritisiert habe, übrigens die, die für den klassischen Rationalismus charakteristisch war.

hpd: Lässt sich bei Küng diesbezüglich ein wiederkehrendes rhetorisches Muster erkennen?

Hans Albert: Ja!

hpd: 2005 haben Sie Ihr Buch erstmals erweitert und eine neuere Publikation Küngs einbezogen. Hat er in dem Vierteljahrhundert nach der Erstveröffentlichung des „Elends der Theologie“ seine eigene Argumentation verändert? Ist er vielleicht sogar auf Ihre Kritik eingegangen?

Hans Albert: Er ist darauf eingegangen, aber, wie ich auf den Seiten 190 bis 193 meines Buches gesagt habe, ist seine Argumentation gegen mich unhaltbar.

hpd: Nun haben Sie sich auch Küngs Buch über Naturwissenschaft und Religion vorgenommen. Was ist zu Küng als „Kosmologe“ zu sagen?

Hans Albert: Er geht in seinem Buch zum Popperschen Fallibilismus über, unterschlägt aber die Tatsache, dass ich auf dieser Grundlage seine Auffassungen kritisiert und widerlegt hatte. Im übrigen habe ich gezeigt, dass seine kosmologischen Auffassungen unhaltbar sind.

hpd: Gelingt es Küng, das Christentum vor der Kritik der modernen Welt zu retten?

Hans Albert: Nein! Das ist ihm keineswegs gelungen.

Die Fragen stellte Martin Bauer.

Das Buch ist auch im denkladen erhältlich.