Das Menschenbild bei europäischen Philosophen

(hpd) Der Philosoph Kurt Salamun behandelt in seinem Buch einen Überblick über das Menschenbild bei bedeutenden europäischen Philosophen des 19. und 20. Jahrhunderts. Es handelt sich um eine gut verständliche und systematisch angelegte Darstellung, die auch jeweils eine Kritik und Würdigung der jeweiligen Denker ausgewogen und fair vornimmt.

Wie ist der Mensch, und wie soll er sein? Diese Fragen ziehen sich durch die Geschichte der Philosophie, wobei einzelne Denker immer ganz unterschiedliche Antworten gaben. Dies hängt davon ab, ob für ihre Betrachtungen eher bewahrende oder verändernde, individuelle oder kollektive, religiöse oder säkulare, realistische oder utopische Grundauffassungen die jeweilige inhaltliche Basis bildeten. Die konkreten Antworten der anthropologischen Philosophie hatten mitunter auch gesellschaftliche Konsequenzen, sofern die entsprechenden Denkansätze historisch-politische Wirkung nach sich zogen.

Allein von daher verdient das Buch „Wie soll der Mensch sein? Philosophische Ideale vom ‚wahren’ Mensch von Karl Marx bis Karl Popper“ von Kurt Salamun inhaltliche Aufmerksamkeit. Er konzentriert sich darin auf folgende Frage „Welche Ideale der Selbst- und Sinnverwirklichung des Menschen haben, die ... behandelten Autoren im Kontext ihrer Philosophie vertreten? Worin liegt für sie der Sinn des Lebens bzw. das ‚wahre’ Menschsein?“ (S. VII).

Der Autor geht darin auf elf Denker ein: Am Beginn stehen die sinnlich-leibliche Existenz bei Ludwig Feuerbach und der nicht-entfremdete Mensch bei Karl Marx sowie der neue Mensch als Übermensch bei Friedrich Nietzsche und die existentielle Selbstverwirklichung des Einzelnen bei Sören Kierkegaard. Dem folgen Betrachtungen zum eigentlichen Selbstsein in Grenzsituationen bei Karl Jaspers, dem Personalsein in der dialogischen Ich-Du-Begegnung bei Martin Buber, dem Menschen angesichts des Absurden bei Albert Camus und die Verwirklichung des Menschen aus absoluter Freiheit bei Jean Paul Sartre. Und schließlich geht es noch um den neuen Menschen im befriedeten Dasein bei Herbert Marcuse, den Menschen als tätiges und politisch engagiertes Wesen bei Hannah Arendt und den kritisch-rationalen Menschen in der offenen Gesellschaft bei Karl Raimund Popper. Inhaltlich weist Salamun über die gerade modische Literatur über das Glück hinaus, „da es auch Sinn und Selbstverwirklichungsideale gibt die nicht mit Glück identisch sind“ (S. 3).

Inhaltlich gliedern sich die jeweiligen Kapiteln zu den genannten Denkern wie folgt: Zunächst enthalten sie biographische Basisinformationen und gehen erst danach zu den konkreten Inhalten über. Die Einleitung liefert einen Problem- und Themenaufriss, der sich die Kapitel mit Ausführungen zu den Grundpositionen anschließen. Erst danach formuliert der Autor eine Kritik und Würdigung, wobei die bedenklichen wie begrüßenswerten Ansätze der einzelnen Denker präsentiert werden.

„Die Ideale der ausgewählten Autoren“, so Salamun, „reichen von religiös geprägten (Kierkegaard) bis zu konsequent atheistischen Idealen (Feuerbach, Camus, Sartre), von primär individualistischen Konzeptionen (Nietzsche, Jaspers) bis zu stärker gesellschaftlich und politisch orientierten Auffassungen (Marx, Marcuse, Arendt)“ (S. VII). Sie alle sollen im Sinne einer praktischen „Philosophie auf Basis eines Aufklärungsethos“ erörtert werden, um sowohl „nihilistisch-destruktiven Grundströmungen wie „fundamentalistischen Weltanschauungspropagandisten“ (S. VII) entgegen zu wirken.

Salamun beabsichtigt somit nicht, eine allgemeine Einführung in das Denken der genannten Philosophen vorzulegen. Er konzentriert sich auf das jeweilige Menschenbild und entfaltet dabei seine philosophische Fachkompetenz. Zwar offenbaren die Ausführungen, dass Salamun von den beiden Denkern des Untertitels weniger Marx und mehr Popper zuneigt. Gleichwohl hat ihn diese Prioritätensetzung nicht zu einer einseitigen oder unfairen Kommentierung veranlasst. Ganz im Gegenteil könnte sogar hinterfragt werden, warum das Bild vom „wahren Menschen“ bei Marx nicht hinsichtlich seiner Instrumentalisierung für diktatorische Politikkonzeptionen stärker problematisiert wird. Auch ist die an Popper kritisierte Verdammung des Utopismus doch nur bezogen auf die Umsetzung in der Realität und nicht hinsichtlich der Denkanstöße solcher Reflexionen gemeint gewesen. Insgesamt handelt es sich somit um eine gelungene Einführung ins Thema. Die Auswahl der Denker bezogen nur auf das Europa des 19. und 20. Jahrhunderts ist aber sicherlich kritikwürdig.

Armin Pfahl-Traughber

Kurt Salamun, Wie soll der Mensch sein? Philosophische Ideale vom „wahren“ Menschen von Karl Marx bis Karl Popper, Tübingen 2012 (Mohr Siebeck), 274 S., 19,99 €.