„Ohne Deschner gäbe es keine gbs“

 

Doch eines war bis in die jüngste Vergangenheit wenn nicht undenkbar, so doch unausführbar: eine breit angesetzte Kritik 'des Christentums' weder verschwurbelt noch nur an einigen Details, sondern, wie von einem sorgfältigen Akupunkturisten im Bereich sensibelster Nervenstränge präzise angesetzt, genau nach biblischer Vorgabe: "An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen!" Wohl erst das entscheidet und trifft, denn daß sich 'theologisch' alles einschließlich von dessen Gegenteil 'begründen' und sogar 'beweisen' läßt, hat sich inzwischen selbst in Niederungen des Geistes herumgesprochen. Eine präzise Analyse segensreicher Wirkungen christlicher Heilsbotschaften hingegen, ihrer höchst konkreten Auswirkungen auf Praxis, gültig für die überwiegende Mehrheit der Gläubigen nicht nur in einer bestimmten Zeit, nicht nur in einer eng begrenzten Region, sondern syn- und diachron breit angesetzt: das gab es nicht vor der Kriminalgeschichte des Christentums in ihren 10 Bänden auf nahezu 6.000 Druckseiten; sie war Desiderat und ist Unikat gleichermaßen. Damit erhält wenigstens dieses Werk seinen Ehrenplatz in der Rangliste aufklärerischer Werke der Neuzeit, nicht nur der Gegenwart.

V.

... und dennoch, ein zentraler Punkt wenigstens blieb offen. Dazu als Epilog wenige Bemerkungen.

Im Haupttitel war von Karlheinz Deschners christentumskritischem Gesamtwerk als fundamentalismuskritischem Memento die Rede. In der Laudatio hingegen fielen diese Stichworte bisher nicht. Breit angesetzte Christentumskritik, so sie etwas taugt, ist schon per se Fundamentalismuskritik, da sie, dank Generalisierbarkeit, einen Fächer fundamentalismuskritischer Argumente offeriert und schon insofern hochaktuell ist. Wer bspw. verfolgt, wie im 4. Jh. unserer Zeitrechnung die für logisch Orientierte philosophisch vielleicht sogar abwegigste Theologie der vielleicht größten Sekte einer aus dem vorderen Orient stammenden, missionierenden Unterschichtsreligion, die nach jahrhundertelangen, handgreiflichsten Streitigkeiten - noch "Konzilsväter" schlugen mit Knüppeln aufeinander ein - erst nach Abnicken kaiserlichen Befehls, 325, zu ihrer spezifischen trinitarischen Konzeption kam; eine Religion, die von den meisten Intellektuellen sträflicherweise kaum beachtet worden war, dennoch als Staatsreligion allgemeinverbindlich durchgesetzt werden und sogleich sog. Häretiker, Juden und wenig später auch 'Heiden' verfolgen und ermorden ließ, Tempel zerstören oder umwidmen, Bücher verbrennen, Kultureinrichtungen incl. öffentlicher Bibliotheken vernichten sowie selbst noch Bäder schließen lassen konnte, sollte sich nicht verheimlichen, was uns auch in Mitteleuropa 'blühen' könnte, wenn wir großzügig Religiöse fördern, sie nicht strikt auf Respektierung aller Grundrechte verpflichten und wenn wir darauf verzichten, entsprechende Verstöße kompromißlos negativ zu sanktionieren. Fundamentalistische Tendenzen begegnen uns nicht nur im Islam oder, brisant genug, in Israel, sondern nicht zuletzt auch im Christentum, dessen evangelikale Gruppierungen bspw. weltweit prosperieren; während aufgeklärtere Kirchen unter Mitglieder- und Ressourcenschwund leiden. Übrigens auch hierzulande. Soweit bspw. zum Einsichtsgewinn christentumshistorischer kritischer Studien.

Doch weiter. Wie steht es um 'Lehren', Dogmen? Treffen wir nicht weithin auf die groteske Kombination epigonalster Kleptomanie - wohin man nur schaut, "vom Weihnachtsfest zur Himmelfahrt: lauter Plagiate"; auch im Bereich der bildenden Kunst - mit starrster Dogmatik bei fixiertem Wahrheitsanspruch nebst flexibelster Interpretation, abgesichert von einer Phalanx religionsfunktionärsabhängiger 'Wissenschaftler', vielleicht nach der Devise: feste Dogmen als 'Halt' für die Braven, deren nahezu freie Interpretation jedoch für die Schlauen, die von den frommen Gaben der Braven in des Herren Frieden wohlalimentiert beruhigt schlafen?

Spaß beiseite; werfen wir noch einen Blick auf einige weitere Specifica. Jedwedem Herren wird gedient, Hauptsache, 'man' - sprich: die Hierarchie - ist profitabel dabei? Lehrbeispiele: christliche Großkirchen, Nationalsozialismus und einträgliche Konkordate; oder russisch¬orthodoxe Kirche und großer vaterländischer Krieg unter Stalin? Alles in Details nachlesbar in Karlheinz Deschners fulminantem opus Die Politik der Päpste, vom Umfang her als Bände 11 und 12 der Kriminalgeschichte zu werten, die damit auf deutlich über 7.000 Seiten käme.

Oder: wo finden wir nicht Imitation tradierter Schichtung auch im eigenen Heilsverband: die wenigen Profiteure oben, die vielen Schafe von Kollekte zu Kollekte weiterhin unten? Alles wie gehabt, 'weltliche' Repressionen stabilisierend? Oder: Pseudoargumentative Strategeme, all' die Finten und religiös legitimierten Ablenkungsmanöver? Schließlich eine Do-ut-des-Jenseitskreation als die wohl genialste, effektivste, kostengünstigste und spendenträchtigste Manipulation seit Menschengedenken? Oder werden nun im Jahre des Heils 2013 wenigstens Outfits zeitgeistnahe geliftet und selbst massivte Fundamentalismen freundlich umkleidet?

Man könnte aus der Geschichte schon deshalb viel lernen, weil mit erstaunlich wenig Geist maximale Erfolge erzielt wurden; und weiterhin werden. Derlei 'Mechanismen' in vielen Details tiefenscharf erkennen und emotional nachvollziehen zu können, wird in hervorragender Weise gefördert zumal durch Lektüre von Karlheinz Deschners großer Kriminalgeschichte des Christentums, deren Vollendung wir heute mit Dank an ihren Autor, an Sie, lieber Herr Deschner, festlich begehen.

 

*) Anmerkung: Diese "kleine Laudatio" ist eine auf knapp 2/3 des ursprünglichen angesetzten Zeitrahmens heruntergeschliffene Kurzfassung u.a. ohne Belege, die zahlreichen Anmerkungen usw. Die ursprüngliche Fassung dürfte im Sommer 2013 im zweiten 'bunten' Band von Aufklärung und Kritik. Zeitschrift für freies Denken und humanistische Philosophie, 20. Jg., der Aufklärerpostille der Gesellschaft für kritische Philosophie (www.gkpn.de), deren Mitherausgeber Karlheinz Deschner ist, und ggf. in einer gbs-Broschüre veröffentlicht werden.

Ein Beitrag von MDR-TV: