Demokratie und Kapitalismus

(hpd) Der Journalist Jakob Augstein will in seinem Buch „Sabotage. Warum wir uns zwischen Demokratie und Kapitalismus entscheiden müssen“ anhand von aktuellen Entwicklungen die im Untertitel angelegte Frage beantworten. Dies geschieht aber nicht auf besonders gelungene Weise.

Kapitalismuskritik ist seit der letzten Finanz- und Wirtschaftskrise „in“. Selbst im Feuilleton der als bürgerlich-konservativ geltenden „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ findet man regelmäßig von Gastautoren und Redakteuren einschlägige Beiträge. Dabei fällt meist eine eher moralisierende Argumentation mit unterentwickelter Theorieorientierung auf. So etwas lässt sich auch für Buchpublikationen zum Thema feststellen, wofür das von Jakob Augstein vorgelegte Buch „Sabotage. Warum wir uns zwischen Demokratie und Kapitalismus entscheiden müssen“ ein Beispiel ist. Der Verleger der Wochenzeitung „Der Freitag“ schreibt darin: „Aber es geht um viel mehr als um die Wiederherstellung des Vertrauens der Märkte in sich selbst ... In Wahrheit geht es um eine Krise des Vertrauens in das System und seine Begriffe. Gerechtigkeit, Recht, Verantwortung, Gesetz, Pflicht, Gleichheit, Vernunft, Fortschritt, Öffentlichkeit, Parlament, Regierung, Wahlen, Demokratie. Wir erleben die Aushöhlung und dann den Verlust dieser Begriffe“ (S. 12).

Genau dies will der Autor in den einzelnen Kapiteln aufzeigen, wobei er unterschiedliche Beispiele darstellend und kommentierend aneinander reiht: Da geht es um die Rettung der Banken durch den Staat und die Manipulation des Armutsberichts der Bundesregierung, um Merkels Politik für die Reichen durch „Pragmatismus“ und die Nebeneinkünfte für Vorträge von Steinbrück, um die Begeisterung für Sarrazins „neuen Sozialdarwinismus“ und den Umgang mit Anti-„Stuttgart21“-Demonstranten. Unterbrochen werden die einschlägigen Kapitel durch ein Interview mit dem Soziologen Oskar Negt und dem Protestforscher Wolfgang Kraushaar.

Augstein spitzt seine Ausführungen in Richtung der auch im Untertitel enthaltenen Auffassung vom Konflikt von Demokratie und Kapitalismus zu: „Das vernachlässigte Gemeinwesen hat keine Zukunft. Wenn es darum geht, was uns wichtiger ist, die Demokratie oder der Kapitalismus – wie werden wir uns entscheiden? Und. Wird man uns überhaupt entscheiden lassen?“ (S. 39).

Doch wenn man in dem Buch nach einer systematischen Erörterung dieser Fragen sucht, wird man nicht fündig. Es gibt sicherlich ein Spannungsverhältnis von Demokratie und Kapitalismus, nur ist es bei Augstein noch nicht einmal im Ansatz theoretisch entwickelt. Vielmehr verliert der Autor sich in der Skandalisierung von in der Tat bedenklichen politischen, sozialen und wirtschaftlichen Zuständen. Die Frage nach den jeweiligen Ursachen wird zwar gestellt, aber allzu oberflächlich erörtert.

Man hat den Eindruck, dass hier Kommentare von tagespolitischen Entwicklungen einfach hintereinander gestellt werden. Viele Informationen sind dem regelmäßigen Zeitungsleser bekannt. Doch muss man so etwas dann unbedingt noch einmal in einem Buch lesen? Wenn es unter der im Untertitel formulierten Problemstellung steht, ist dies sicherlich mehr als angemessen. Nur, dies geschieht hier nicht. Damit hat Augstein ein wichtiges Anliegen verschenkt. Sein eigentliches Thema hätte ausführlichere und konzentriertere Aufmerksamkeit finden müssen.

Armin Pfahl-Traughber
 

Jakob Augstein: Sabotage. Warum wir uns zwischen Demokratie und Kapitalismus entscheiden müssen. München, 2013 (Carl Hanser-Verlag), 304 Seiten, ISBN 978-3-446-24348-4, 18,90 €.