Tanz der Vögel

(hpd) Paradiesvögel sind nicht nur schön, sondern auch Paradebeispiele der Evolution. Immer neue Arten entstanden auf den Molukken, auf Neu-Guinea und an der australischen Küste. Diese Entwicklung untersuchten die beiden Biologen Tim Laman und Edwin Scholes auf 18 Expeditionen in neun Jahren - zu bestaunen in ihrem Buch "Birds of Paradise".

Es ist, als hätte jemand tief in die Kostümkammer eines russischen Balletts der Moderne gegriffen: kreisrunde Ballettröckchen, Käppchen mit Bommeln wie Antennen, das Schwingenpaar ausgefahren zu lyraförmigen Fächern oder irisierende, wappenartige Brustschilde. Als gäbe es eine Vorliebe für die radikale Abstraktion. Von oben betrachtet sieht das balzende Paradiesvogelmännchen der Spezies Lophorina superba wohl einem rotierenden neonleuchtenden Ufo am ähnlichsten. So gefiel es den Paradiesvogelweibchen dieser Spezies. Die wechselnden Launen der Weibchen hatten ihren Anteil an der Entstehung neuer Paradiesvogelarten. Diese so ganz andere Art des Zufalls brachte eine faszinierende Mannigfaltigkeit hervor, ebenso unberechenbar und kontingent wie das Ergebnis eines Würfelspiels.

Alfred Russel Wallace war der erste, dem die Idee kam, dass die verschiedenen Unterarten der Paradiesvögel das Ergebnis einer evolutionären Entwicklung sein müssten. Ja, mehr noch: Ihm waren die Paradiesvögel das, was Darwin die Galapagos-Finken waren. Sie brachten ihn auf die Spur. Nur glaubte er, anders als Darwin, nicht an die sexuelle Auslese. Er verstand zwar erstmals die Neigung zu Versammlungen federspreizender Männchen als Balzverhalten vor den Weibchen. Aber er meinte, dass die Weibchen immer die arttypischsten Exemplare vorzögen, die durch entsprechende Auslese noch arttypischer und damit schließlich extravaganter wurden. Darwin hingegen kam angesichts von höchst unpraktischen Artcharakteristika schließlich der Gedanke, dass hier das Prinzip Schönheit walten müsse: Die Weibchen entschieden sich für die prachtvollsten, die schillerndsten Pfauen oder Argus-Fasane. Und erzeugten Nachwuchs, der auf eine je spezifische Weise prächtig war beziehungsweise genau diese so gestaltete Pracht bevorzugte.

Pteridophora alberti - Foto: Tim Laman - National Heographic Pressroom

Pteridophora alberti - Foto: Tim Laman - National Heographic Pressroom

Dank der us-amerikanischen Biologen Tim Laman und Edwin Scholes wissen wir es jetzt ganz genau. Wir erfahren, was die Paradiesvogelweibchen sehen, wenn die Männchen ihren Balztanz ausführen. Die beiden haben innerhalb eines fast neunjährigen Forschungsprogramms nicht nur alle 39 Paradiesvogelarten fotografiert und gefilmt. Sie haben sie erstmals aus der Perspektive der Weibchen aufgenommen. Es kommt zur Ansicht, wie sie sich ihren erhofften Paarungspartner präsentieren. Da zeigte sich auf einmal dieses merkwürdig abstrakte Formenrepertoire, das man nun in dem prächtigen Bildband "Birds of Paradise" bewundern kann. Sozusagen als I-Tüpfelchen und Zugabe der Evolution.

Sah Wallace nur die auf den Molukken lebenden Arten - dort entdeckte er eine eigene, fortan nach ihm benannte Art (Semioptera wallacii) - spürten die beiden sie auf ganz Neu-Guinea und an der australischen Küste auf. Sie erkundeten die Bedingungen für die bezaubernde Artenvielfalt dieser Rabenvögel, deren nächste Verwandten die Krähen und die Häher sind und die sich doch bei aller Formenvielfalt untereinander genetisch sehr nahe stehen.

Paradiesvögel wagen sich kaum aufs Meer hinaus. So entstanden durch die Abgeschiedenheit auf den Inseln ein Gutteil der Arten. Aber auch die hohen Gebirgszüge Neu-Guineas haben für die Artenentwicklung einen ähnlichen Isolationseffekt. Den Rest der Vielfalt brachten die Weibchen in Gang. Sie waren wählerisch. In ihrer ganzen Pracht sollten sich ihnen die Männchen zeigen, aber möglichst inoffensiv. So kommt es, dass die Männchen sich oft kopfüber vor den Weibchen im Gezweig aufhängen und dann so ihr standartenartiges Gefieder aufplustern oder in gebührender Entfernung zur Rolle um den Ast ansetzen. Andere richten einen regelrechten Tanzplatz her, säubern ihn von allem Blattwerk, den sich dann anschließenden Balztanz mit Blatt im Schnabel darf man gut und gerne als ritualisierten Hausputz verstehen!

Die Weibchen haben guten Grund wählerisch zu ein. Ihren Nachwuchs müssen sie ganz alleine aufziehen. Die Männchen sind vollauf damit beschäftigt, um die Weibchen zu werben, und meistens begatten sie schließlich mehrere Vogeldamen. Derart fit und adrett zu sein, kostet sie etwa genauso viel Kraft wie die Weibchen, die meistens nur ein Ei legen, die Brustpflege. Bis zu sechs Jahre dauert es, bis die Männchen ihr prunkvolles Gefieder voll ausgebildet haben. Bis dahin heißt es üben, üben, üben in einem unscheinbaren Jugendkleid, ähnlich dem der Weibchen... den Balztanz, der die Weibchen überzeugen soll.

Simone Guski

Tim Laman, Edwin Scholes: „Birds of Paradise. Revealing the Worlds Most Extraordinary Birds“, National Geographic, The Cornell Lab of Ornithology, Washington 2012, 228 S, 50 US-Dollar/36,30 Euro

Die National Geographic Society, die zusammen mit dem Cornell Lab of Ornithology die Forschungen der beiden ermöglichte, hat nicht nur Filmmaterial auf dem ihr eigenen TV-Kanal herausgegeben, das man auf YouTube finden kann. Dazu gibt es hervorragendes Unterrichtsmaterial für die Klassen 4 bis 8, von dem sich auch Lehrer hierzulande mit Gewinn anregen lassen können.
http://education.nationalgeographic.com/education/birds-of-paradise/?ar_a=1
http://www.youtube.com/watch?v=HJaZXpi24RM