Rudolf Steiner und die Waldorf-Schulen

(hpd) Die Erziehungswissenschaftlerin und Lehrerin Irene Wagner geht in ihrem Buch "Rudolf Steiners langer Schatten. Die okkulten Hintergründe von Waldorf & Co." auf die bedenklichen esoterischen Einflüsse des Anthroposophie-Begründers auf Lebensmittel, Medizin und Waldorfschulen ein.

Der materialreiche Band neigt mitunter zu nicht unproblematischen Verallgemeinerungen, kann aber eine Fülle von beachtenswerten Fakten und Hinweisen zu den bedenklichen Folgewirkungen des Steinerschen Denkens präsentieren.

Seit den 1970er Jahren lässt sich ein steigendes Interesse an alternativen Lebensmitteln, Medikamenten und Schulformen ausmachen. Galt dies zunächst nur für eher marginale Bereiche der Gesellschaft, fanden entsprechende Angebote mit der Zeit auch breiter Akzeptanz und Interesse. In diesem Kontext stieß auch die Anthroposophie auf höhere Aufmerksamkeit und Zustimmung: Arzneimittel von Weleda, Bioprodukte von Demeter und Schulen nach Waldorfpädagogik haben ihren Platz in der vielbeschworenen "Mitte der Gesellschaft" gefunden. Was früher belächelt wurde, gilt heute als "in". Bei all dem spielt auch die Berufung auf Rudolf Steiner eine bedeutende Rolle, wobei er für Anhänger ein herausragendes Genie seiner Zeit und für Kritiker ein Esoteriker mit bedenklichen Ansichten ist. Die promovierte Erziehungswissenschaftlerin und frühere Lehrerin Irene Wagner widmet sich seinen Einflüssen in einem Buch mit dem bezeichnenden Titel "Rudolf Steiners langer Schatten. Die okkulten Hintergründe von Waldorf & Co."

Darin will sie anhand der Bereiche Landwirtschaft, Medizin und Waldorfschulen den aus ihrer Sicht bedenklichen esoterischen Einfluss von Steiner verdeutlichen. Denn: "Es wird häufig behauptet, dass der anthroposophische Hintergrund in den Praxisfeldern keine Rolle spielt" (S. 10).

Das Gegenteil will die Autorin mit ihrem Buch aufzeigen, wobei sie sich in erster Linie auf die Theorie und Praxis der Waldorfpädagogik bezieht. Dem vorangestellt sind Ausführungen zu Leben und Werk von Steiner und der Geschichte der anthroposophischen Bewegung bis in die Gegenwart. Erst danach geht Wagner auf die unterschiedlichsten Aspekte der Waldorfpädagogik ein, angefangen von deren Grundlagen aus Steiners Sicht über die besondere Rolle des Lehrers und die esoterische Gestaltung der Lerninhalte und des Schulalltags bis hin zu den unterschiedlichen Skandalen an verschiedenen Schulen. Eher kurz geht es danach um die Praxisfelder "Landwirtschaft" und "Medizin" mit Ausführungen zu einschlägigen Hintergründen bei Bioprodukten, Homöopathie oder Impfabstinenz.

Bilanzierend heißt es: "Nicht nur die Waldorfschule ist eindeutig immer noch ganz und gar von Steiners abstrusem Weltbild geprägt, sondern dieses bestimmt ebenso die anthroposophische Medizin und die biologisch-dynamische Landwirtschaft. In keinem der drei Praxisfelder hat sich grundlegend etwas geändert. Moderne, wissenschaftliche Erkenntnisse werden weiterhin ignoriert. Nur gelegentlich kann man gewisse Zugeständnisse erkennen, wobei es da wahrscheinlich mehr um Selbsterhaltungsbestrebungen geht als um Reformwillen. Sicherlich gibt es einzelne unter den Lehrern oder anderen Anthroposophen, die das starre Korsett gerne ablegen würden, aber sie werden von Kollegen, der Institution und der anthroposophischen Gemeinde daran gehindert" (S. 381).

Gegen Kritiker gehe man nicht mehr argumentativ, sondern meist juristisch vor. Gleichzeitig finde die Anthroposophie in der Politik immer mehr Förderer und Unterstützer. Dies führe immer stärker zu einer staatlichen Anerkennung bedenklicher esoterischer Lehren. Wagner kommt das Verdienst zu, eine Fülle von kritischen Informationen und Überlegungen zum Thema, vor allem mit Blick auf die Waldorf-Schulen, präsentiert zu haben. Bereits auf den ersten Seiten des Buches merkt man aber auch ihre persönliche Betroffenheit, welche ihr an vielen Stellen mehr als die gebotene Differenziertheit und Sachlichkeit die Feder führt. So kommt es dann leider auch zu Übertreibungen wie "Alles, was alternativ aussieht, wird von den Anthroposophen unterwandert" (S. 14) oder "Das Modell Waldorfschule in seiner autoritären Struktur ist meiner Meinung nach eine Gefahr für die Demokratie ..." (S. 242).

Leider stellt sich die Autorin nicht genügend die Frage, in welchem Maße etwa Steiners Lehren tatsächlich noch direkt in den Waldorfschulen umgesetzt werden. Dies ist je nach Ort mal mehr, mal weniger, mal kaum der Fall. Die Prüfung der Verallgemeinerungen wäre die Aufgabe einer breiter angelegten Untersuchung. Wagners kritische Betrachtungen liefern zumindest viel Stoff zu einer nötigen kritischen Auseinandersetzung mit Waldorf & Co.

Armin Pfahl-Traughber

Irene Wagner, Rudolf Steiners langer Schatten. Die okkulten Hinergründe von Waldorf & Co., Aschaffenburg 2013 (Alibri-Verlag), 405 S., 24 €

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