Ethikunterricht in Österreich

Politisch verschleppt – pädagogisch überfällig!

(hpd) Anton A. Buchers Büchlein – anders kann man diese nach Abzug des Inhaltsverzeichnisses, der Erläuterungen, Leerseiten und grafischen Darstellungen diverser Statistiken, nicht einmal 100 Seiten umfassende Schrift, kaum nennen – ist weder ein Sachbuch noch eine Studie. Es entspricht auch keinem anderen geläufigen Schema. Es ist das erste Beispiel für eine neugegründete Schrift-Gattung, nämlich der Protestnote in Buchform.

 

In zehn knappen Kapiteln schafft der aus der Schweiz stammende Religionspädagoge die gesamte Geschichte des Ethikunterrichts in Österreich zumindest ansatzweise zusammenzufassen, auf die Grundproblematik des Ethikunterrichts als Ersatzpflichtfach zum Religionsunterricht einzugehen und abschließend zu skizzieren, wie es aktuell um den Ethikunterricht aus politischer Sicht bestellt ist. Doch darum geht es Bucher, der sich wie kaum ein anderer mit der Evaluierung des Ethikunterrichts in Österreich befasst hat, eigentlich gar nicht.

Der Theologe und Religionspädagoge ist nämlich ein brennender Verfechter eines verpflichtenden Fachs “Ethik und Religionen” und er macht auch daraus keinen Hehl. Ihm geht es, man kann es kaum fassen, nicht um die Frohbotschaftsverkündigung auf Staatskosten sondern um die Förderung einer weitgehend von Ideologie und Wahrheitsanspruch befreiten ethischen Bildung (und nicht Erziehung) der Heranwachsenden. Umso verständlicher wird vor diesem Hintergrund die zur Schau getragene Frustration Buchers ob der Tatsache, dass 15 Jahre nach seiner Einführung als Schulversuch es noch immer nicht gelungen ist, den Ethikunterricht ins Regelschulwerk zu überführen.

In diesem Buch bedient sich Bucher einer Doppelstrategie, um seine Agenda der Öffentlichkeit schmackhaft zu machen: auf der einen Seite appelliert er an die Vernunft, indem er ausführlich die Vorzüge seines “Zukunftsmodells ‘Ethik und Religionen’” auflistet. Die Ergebnisse einer Studie, die von ihm im Frühjahr 2013 durchgeführt wurde, präsentiert er zusätzlich um sein Pro-Ethik Plädoyer zu untermauern. Auf der anderen Seite stellt aber Bucher die Verantwortlichen für die Nichtüberführung des Ethikunterrichts ins Regelschulwerk an den Pranger. Es sind insbesondere die Katholische Kirche und ihr mehr oder weniger verlängerter politischer Arm, die ÖVP, die von Bucher gescholten werden. Und Buchers Vorwurf ist kein geringer: das ständige Taktieren und Blockieren konservativer Akteure verfolge einzig und allein das Ziel, den konfessionellen Religionsunterricht, von dem Bucher erstaunlich wenig hält, zu fördern.

Auch wenn der Verfasser dieser Zeilen dem Vorschlag Buchers, die Religionsgemeinschaften in die Erstellung des Lehrplanes eines Ethik- und Religionenunterrichts mit einzubeziehen (Seite 95) skeptisch gegenübersteht, darf nicht übersehen werden, dass das vorliegende Buch, wie kein anderes, eine liberal-laizistische Agenda vertritt. Buchers Thesen, die den Interessen seines Brotgebers, der Katholischen Kirche, teilweise diametral entgegenstehen, entstammen offensichtlich einer langjährigen und ehrlichen Auseinandersetzung eines Pädagogen – und nicht eines Theologen! – mit einem hochkomplexen und politisch geladenen Forschungsgegenstand. Buchers kompromisslose Loyalität seiner eigenen Wahrheit gegenüber ist, insbesondere für österreichische Verhältnisse, beeindruckend, ja schon fast tragisch.

Jeder, der in Sachen Ethikunterricht in Österreich mitreden will, wird nicht darum herumkommen, dieses Büchlein zu lesen.

Eytan Reif

 

Anton A. Bucher, Der Ethikunterricht in Österreich, Politisch verschleppt – pädagogisch überfällig! 127 Seiten, Tyrolia-Verlag, Innsbruck-Wien 2014, ISBN 978–3–7022–3333–4, 14,95 Euro

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