Zu wenig Hilfe für Schwangere

christian_fiala_470.jpg

Christian Fiala, Foto: Museum für Verhütung und Schwangerschaftsabbruch/muvs.org

WIEN. (hpd/pur) In Österreich gibt es nach wie vor zu wenig Sexualaufklärung, Unterstützung für ungewollt Schwangere und Kinderbetreuungseinrichtungen. Das kritisiert der Wiener Arzt Christian Fiala, Leiter eines Ambulatoriums für Familienplanung. Diese Versäumnisse würden zur hohen Zahl an Schwangerschaftsabbrüchen beitragen.

 

Sie gilt als ein Meilenstein der österreichischen Frauenpolitik. Die Straffreistellung des Schwangerschaftsabbruchs innerhalb der ersten drei Monate verhindert seit 41 Jahren ungezähltes Leid und Tragödien bei ungewollt Schwangeren. Das weiß kaum jemand besser als der Wiener Gynäkologe Christian Fiala. Er leitet das Ambulatorium Gynmed, in dem auch Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt werden. Allein, viele dieser Abbrüche könnten verhindert werden, zeigt sich Fiala überzeugt.

"1974 hat der Nationalrat parallel zur Einführung der Fristenregelung flankierende Maßnahmen versprochen, die die Situation schwangerer Frauen verbessern sollten. Die sind bis heute leider nur teilweise umgesetzt", beklagt Fiala.

Verhütungsmittel oft zu teuer

Nach wie vor seien etwa Verhütungsmittel nicht für alle Bevölkerungsschichten zugänglich - 1974 war das in Aussicht gestellt worden. "Immer noch ist die Pille für viele, v.a. junge Mädchen zu teuer, ebenso die Spirale", kritisiert Fiala, der auch das weltweit einzige Museum für Verhütung und Schwangerschaftsabbruch leitet. "Hier besteht aber Hoffnung, dass eine künftige Generation an PoltikerInnnen diese Forderung umsetzt. So hat z.B. ein breites Jugendbündnis unlängst die Einführung von Verhütungsmittel auf Krankenschein gefordert". Schlecht bestellt sei es auch um die Sexualaufklärung junger Menschen: "Bis heute ist zu wenig bekannt, dass Kondome und Methoden der Selbstbeobachtung keinesfalls zu den sicheren Verhütungsmitteln zählen". Die Folge: ungewollte Schwangerschaften, die nicht selten zu Abbrüchen führen.

Wo bleiben Kinderbetreuungseinrichtungen?

Eine Dauerbaustelle der Politik bleibt die Kinderbetreuung. 1974 waren der Ausbau von Kindergärten und die Einführung der Ganztagsschule in Aussicht gestellt worden. Trotz Förderpakets durch die Bundesregierung in den vergangenen Jahren gibt es von beidem zu wenig, wie nicht nur Fiala kritisiert. Besonders trist es in ländlichen Regionen, wo Kindergärten und Volksschulen am frühen Nachmittag zusperren. Das macht es für tausende Frauen unmöglich, Kind und Beruf unter einen Hut zu bringen.

Familienberatungsstellen: Teuer und überflüssig

Ein besonderes Problemfeld sind für den Gynäkologen die so genannten Familienberatungsstellen, die 1974 parallel zur Fristenregelung eingeführt worden waren. (Im Unterschied zu Deutschland müssen Frauen in Österreich keine verpflichtende Beratung bei einer externen Stelle vor einem Abbruch besuchen, Anm.) Eine Beruhigungspille für die katholische Kirche, wie heute bekannt ist. Sie bekam einen großen Teil des Kuchens und betreibt einen großen Teil der heute 390 Familienberatungsstellen. Und bekommt damit auch einen Teil der Förderungen in der Höhe von insgesamt 48 Millionen Euro. Problematisch ist aus Sicht von Kritikern vor allem, dass es in manchen Regionen ein kirchliches Monopol auf diese Stellen gibt. So gibt es im gesamten Innviertel eine einzige nicht kirchliche Stelle.

"Durch das Internet sind viele dieser Stellen unnötig geworden", sagt Fiala. "Das drückt sich auch in der Statistik aus, wonach nur mehr 7% aller Anfragen das Thema Schwangerschaft betreffen – es ist somit das am seltensten angefragte Thema – obwohl immer noch 50% aller Einrichtungen diese Beratung ganz vorne auf ihre Agenden setzen. Als Ersatz haben sich die Familienberatungsstellen auf andere Bereiche verlegt, z.B. Sektenberatung, welche 57 Stellen anbieten – mehr als ein Viertel aller Einrichtungen. Auffällig ist auch der große Anteil an kirchlich geführten Beratungsstellen, welche entsprechend ihrer Weltanschauung wenig wirksame Verhütungsmethoden propagieren und damit leider auch zu der großen Anzahl an Schwangerschaftsabbrüchen beitragen."

Maßnahmen an den tatsächlichen Bedürfnissen der Menschen ausrichten

Verhütungsexperte Fiala rät, die Familienberatungsstellen deutlich zu reduzieren und auf ein zeitgemäßes, evidenzbasiertes Beratungsservice für konkrete Zielgruppen umzustellen: "Die Geldmittel sollten vielmehr für die Abgabe kostenloser Verhütungsmittel, insbesondere der sehr wirksamen Langzeitmethoden, verwendet werden und um effizientere Informationskampagnen zu starten, so wie dies im übrigen Westeuropa seit langem ein selbstverständlicher Standard ist. Mit derartigen Maßnahmen würde es uns gelingen einen großen Teil der Schwangerschaftsabbrüche zu verhindern."

PUR/Red