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"Ich denke, also bin ich kein Christ!"

Mancher Zuschauer des Films war über diese Anmerkung sicher erstaunt. Schließlich sind Christenverfolgungen irgendwelcher, dem Wahnsinn entgegen irrlichternder römischer Kaiser ein beliebtes Motiv wohlbekannter historischer Hollywoodschmonzetten. Tatsächlich aber verlangte das heidnische Rom von den Bewohnern des Reiches nur die Befolgung eines Opferritus für den Kaiserkult als Loyalitätserweis. Dies konnten die monotheistischen Juden nicht erbringen. Hier begnügte sich Rom mit einem Ersatz, dem Gebet für den Kaiser, es nahm durchaus auf solche Besonderheiten Rücksicht.

Manfred Lütz
Manfred Lütz

Wer glaubt, in diesem Film gäbe es nichts zu lachen, hat die Rechnung ohne Manfred Lütz gemacht. Der Psychiater und Theologe, der inzwischen auch ein Buch über Gott geschrieben hat, wirkt in Ricarda Hinz’ Film mit seinen Versuchen, den Bock mit der Elefantenbüchse abzuschießen, so skurril wie der Großwildjäger Van Pelt in dem Film “Jumanji”. Er erinnert aber auch an den unglückseligen Inspektor Farge in dem Film “Der Profi”: “Zu sagen, ‘die Kirche hat Kriege geführt’ heißt, dass man die Geschichte nicht kennt. Dann möchte ich bitte wissen, welchen Krieg die Kirche geführt hat? Es ist so gewesen, dass es Kriege gegeben hat, die Kaiser und Könige geführt haben und diese Kriege wurden auch unterstützt von der Kirche, und das ist auch gegebenenfalls zu kritisieren.”

Ein Theologe sollte natürlich die Kirchengeschichte gut genug kennen, um zu wissen, dass die Kirche im Mittelalter ein Machtfaktor mit eigenen militärischen Ressourcen war und hochgesteckte machtpolitische Ziele mit eigenem Militär oder indirekt durch Verbündete verfolgte.

Lütz behauptete auch, die Katholische Kirche habe keine Hexen verfolgt. Für folgende Aussage über Deschner erübrigt sich jeder Kommentar: “Ich glaube, dass jemand, der intensiv hasst und dies in Deutschland vom Schreibtisch aus tut, auch ein Täter ist.”

Im letzten Drittel des Films wird die kirchliche Frauenproblematik aufgegriffen. Hier erregte sich Uta Ranke-Heinemann darüber, dass “2000 Jahre Christentum die Gehirnzellen der Frauen so beschädigt haben, dass sie heute die größten Fürsprecher ihrer eigenen Unterdrückung sind.”

Schließlich wandte man sich der Verquickung der Kirche mit dem Faschismus zu. Hier versuchten die prokirchlichen Interviewgeber, die Konflikte der Kirche mit dem NS-Regime als Ausdruck einer generellen Widerstandshaltung auszugeben. Offenkundig war ihnen in keiner Weise klar, dass die katholische Kirche sich mit vielen faschistischen Regimen in einer klassischen Allianz von Thron und Altar verbunden hatte. Der Fachausdruck hierfür lautet Klerikal-Faschismus. Dazu gehört nicht nur die Franco-Diktatur in Spanien (1939 – 1975), sondern auch der kroatische Ustascha-Faschismus (1941 – 1944), der einen Völkermord an den orthodoxen Serben zu verantworten hatte. In diesem Zusammenhang gab es auch Konzentrationslager, die von Franziskanermönchen geleitet wurden. Das NS-Regime gehörte zwar nicht der Kategorie des Klerikal-Faschismus an – auch Deschner erwähnt in dem Film eine anti-klerikale Haltung der Nazis – aber offenkundig erhoffte sich die Kirche eine Angleichung des Regimes an den Klerikal-Faschismus, denn durch den Zuspruch an die katholische Zentrumspartei, für das Ermächtigungsgesetz zu stimmen (1933), verhalf Vatikan-Botschafter Pacelli, der spätere Papst Pius XII. (1939 – 1958), dem NS-Diktator zur absoluten Macht. Hitler wurde auch nie exkommuniziert. Der einzige Naziführer, der von seiner Kirche ausgeschlossen wurde, war Joseph Goebbels, weil er eine Protestantin geheiratet hatte. Professor Schmidt befand, Pius XII. und die deutschen Bischöfe hätten auf die Nürnberger Anklagebank gehört.

Der Film schließt mit einem Wort von Karlheinz Deschner: “Ich denke, also bin ich kein Christ!”

Ich selbst habe übrigens – mit einer Ausnahme – erst im Verlauf der letzten drei Jahre Bücher von Deschner erworben, da ich mir als katholischer Jugendlicher einen Ekel bezüglich seines Stils eingefangen hatte. Meine historischen Kenntnisse haben sich deshalb fast ganz ohne ihn angesammelt. Heute finde ich, dass seine manchmal nervtötende, moralisierende Vorgehensweise ein Gegengewicht zu den Unzulänglichkeiten der anderen Historiker darstellt. Diese neigen oft dazu, siegreiche Machthaber und Institutionen mit großem Wohlwollen zu beschreiben, ohne auf das Leid ihrer Opfer allzu viel Mühe zu verwenden.

Hier geht es zum Film auf Youtube:

 

 


Die hasserfüllten Augen des Herrn Deschner. (1998), Regie: Ricarda Hinz; Interviewpartner u.a. Karlheinz Deschner, Hermann Josef Schmidt, Uta Ranke-Heinemann, Hermann Josef Spital, Herbert Steffen; 70 Min.


Bei dem Artikel handelt es sich um die gekürzte Fassung eines Veranstaltungsberichtes von Jochen Beck, der am 19.10.2010 auf dem hpd veröffentlicht wurde.