"Das ist kein Film, sondern Realität"

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Mina Ahadi in Regensburg, Foto: © Evelin Frerk

TRIER (hpd) Der 11. Juli ist der internationale Tag gegen Steinigung. Der hpd führte mit der Menschenrechtlerin Mina Ahadi ein Interview über die Bedeutung dieses Tages, ihren Kampf gegen Hinrichtungen und die Zusammenarbeit mit der Giordano-Bruno-Stiftung.

hpd: Liebe Mina! Du warst in den letzten Wochen im Rahmen deiner Menschenrechtsarbeit wieder viel auf Reisen. Am 11. Juli war der internationale Tag gegen Steinigung. Wieso ist dieser Tag auch heute noch von großer Bedeutung?

Mina Ahadi: Der Tag gegen Steinigung ist auch weiterhin wichtig, um den Opfern von Hinrichtungen ein Gesicht zu geben. Das Schicksal der betroffenen Personen ist kein Film, sondern Realität. Die Opfer leben wie wir alle im 21. Jahrhundert. Es muss eine neue Diskussionskultur geschaffen werden, um dies zu verdeutlichen. Dafür ist es wichtig die frauenfeindliche Praxis der Steinigungen unter die Lupe zu nehmen, die eng mit dem Islam und kollektiver Kriminalität verbunden ist.

Der Kampf gegen Steinigungen bedarf auch eine Auseinandersetzung mit dem politischen Islam und Kulturrelativismus. Daher muss man auch Religions- und Gesellschaftskritik betreiben, um Menschen vor der Steinigung zu retten.

 

Inwiefern ist der Kulturrelativismus ein Hindernis für die Menschenrechtsarbeit?

Zum einen erschwert der weit verbreitete Kulturrelativismus das Engagement gegen Hinrichtungen, da er grundlegende Menschenrechte relativiert. Kulturrelativisten übersehen in falscher Toleranz, dass die Opfer Menschen mit Gefühlen, eigenem Musikgeschmack sowie individuellen Wünschen und Zielen sind.

Damit verbunden ist zum anderen die Strategie islamischer Regime, welche die Betroffenen auf ein vermeintliches Verbrechen und damit zu rechtlosen Kriminellen reduziert. Gegen diese gezielte Entpersonalisierung wollen wir, das Internationale Komitee gegen Todesstrafe, vorgehen, in dem wir die Biographien und die Situation der Opfer möglichst greifbar schildern.

 

Bei deinem Kampf für Menschen- und Frauenrechte hast du eng mit der Giordano-Bruno-Stiftung gearbeitet. Wie sah diese Zusammenarbeit bisher konkret aus?

Die Giordano-Bruno-Stiftung war bei vielen Projekten und Aktionen direkt und indirekt beteiligt. Sie unterstützte zum Beispiel die große Kampagne zur Rettung der zum Tode verurteilten Iranerin Nazanin Fatehi, die nach massiven internationalen Protesten freigesprochen wurde. Weitere Projekte waren die Beteiligung an der Gründung des Zentralrats der Ex-Muslime und die mitinitiierte Kampagne “Asyl für Ex-Muslime”. Durch letztere wurde staatlich anerkannt, dass auch religionsfreie Menschen religiös verfolgt werden.

Mit der Durchführung der “Kritischen Islamkonferenz” konnte die Giordano-Bruno-Stiftung mit anderen Organisationen neue Akzente bei der Debatte um Integrationspolitik und Islamkritik in Deutschland setzen. Die Form der humanistischen Islamkritik, die zwar Menschenrechtsverletzungen durch die islamische Ideologie scharf kritisiert, dabei aber nicht muslimfeindlich ist, sollte noch viel stärker in die Öffentlichkeit getragen werden. Für die Zukunft würde ich mir diesbezüglich eine noch engere Zusammenarbeit mit dem Zentralrat der Ex-Muslime wünschen.

 

Zuletzt: Vor Kurzem ist die Fußballweltmeisterschaft ausgetragen worden, in der auch das Iranische Fußballteam angetreten ist. Welche gesellschaftliche Rolle spielt Sport im Iran?

Sport ist auch im Iran ein großes Thema. Eine sehr intensive Diskussion drehte sich im Rahmen der Fußballweltmeisterschaft - zum Beispiel auf Facebook - um das Zeigen der Iranischen Flagge, da diese auch für eine Regierung steht, die brutale Menschenrechtsverletzungen begeht.

Ein anderes Thema ist die islamisch begründete Geschlechtertrennung, die auch bei Sportveranstaltungen eine Rolle spielt. In Kürze wird etwa ein Fußballspiel zwischen dem Iran und Italien in Florenz stattfinden. Dort haben nun mehrere Organisationen eine Pressekonferenz einberufen, bei der über die Geschlechtertrennung diskutiert werden soll. Vielleicht werde ich dort auch eine Rede halten.

 

Liebe Mina! Herzlichen Dank für das interessante Interview und viel Erfolg in Florenz!

 

Das Interview führte Florian Chefai.