Die Werte der Aufklärung verteidigen

KÖLN. (hpd) Mit einem Bekenntnis zu den individuellen Freiheitsrechten und zur Emanzipation

ging die zweitägige Kritische Islamkonferenz in Köln zu Ende. Dort diskutierten am vergangenen Wochenende knapp 200 Teilnehmer über die islamische „Herrschaftskultur", über die Verteidigung einer fortschrittlich-emanzipatorischen Zukunftsperspektive und über Möglichkeiten einer erfolgreichen Integration von Einwanderern aus islamischen Ländern.

 

Weitgehende Einigkeit herrschte in der Einschätzung des Islam, der als gefährliche Ideologie im Gewand einer harmlosen Frömmigkeitslehre gesehen wurde. In den Details gingen die Vorstellungen allerdings durchaus auseinander.

Leidenschaftlicher Ralph Giordano

Am Samstag wurde der Kongress von Ralph Giordano mit einer leidenschaftlichen Rede eröffnet. Darin beschwor er die Gefahr, die vom Islam für eine weltoffene, liberale und säkulare Gesellschaft ausgeht, wenn dessen Ordnungsvorstellungen nicht entschiedenen Widerspruch erfahren. Als Ablehnung in Deutschland lebender Muslime wollte er das nicht verstanden wissen: Wenn er muslimische Jugendliche sehe, habe er nur einen Gedanken: „Was kann ich dafür tun, wie und was dazu beitragen, daß es ihnen gut geht?" Zugleich wies Giordano darauf hin, dass in seinen Augen die Integration bisher allerdings gescheitert sei.

Berichte aus der Praxis

Diese Einschätzung bestätigten auch die einleitenden Referate der Podien über das islamische Patriarchat sowie die Zukunft der multikulturellen Gesellschaft. Fatma Bläser berichtete über ihre Beratungstätigkeit, die sie an Schulen durchführt und die jedes Jahr von vielen hundert muslimischen Mädchen in Anspruch genommen wird. Anhand ihrer Schilderungen wurde deutlich, dass die patriarchal geprägte Familie eines der zentralen Hindernisse für eine Emanzipation und Integration darstellt. Dies bestätigten auch Margalith Kleijwegt, die einst als Sozialarbeiterin tätig war und nun als Journalistin das Leben junger Muslime in Amsterdam erforscht hat, und die Religionswissenschaftler Assia Maria Harwazinski, die ebenfalls eine einschlägige empirische Studie erstellt hat. Um hier einen Fortschritt zu erreichen, sei zunächst eine Kultur des Hinschauens notwendig und dann eine Reform der sozialarbeiterischen Ansätze. Insbesondere müssten die in diesem Bereich Tätigen besser auf ihre Arbeit in diesem Milieu vorbereitet werden. Beeindruckend waren vor allem die Schilderungen von konkreten Einzelfällen, die einerseits das Versagen deutscher Behörden illustrierten, andererseits andeuteten, dass manche Konfliktlage in der Praxis komplizierter ist, als die theoretische Analyse suggeriert.

Theoretische Untermauerung

Um die Frage einer „kopftuchfreien" Schule drehte sich Thomas Mauls Statement. Der Philosoph plädierte dafür, das Kopftuch aus den Bildungsanstalten zu verbannen, und zwar nicht auf der Grundlage der weltanschaulich-religiösen Neutralität des Staates (wie in Berlin geschehen), sondern um die hinter dem Kopftuchgebot stehende Ideologie zurückzudrängen. Sein Vortrag war offenbar so überzeugend, dass diese Forderung - als eine von vielen Änderungen am Entwurf - in die Abschlussresolution aufgenommen wurde.

Neben den Diskussionspodien gab es eine Reihe von Vorträgen, welche die Fallschilderungen theoretisch untermauerten und weitere Problemfelder vorstellten. Hartmut Krauss stellte seine Thesen über die islamische „Herrschaftskultur" vor; Klaus Blees erläuterte, wie der Begriff „Islamophobie" zur Diffamierung von Kritik am Islam eingesetzt wird. Und der Politikwissenschaftler Stephan Grigat stellte die sich im Islam begründende Aggression gegen Israel (mit einem Schwerpunkt auf dem iranischen Regime) vor.

Internationale Solidarität

Einer der Höhepunkte der Konferenz war das Podium, auf dem Ex-Muslime aus vier europäischen Ländern ihre Arbeit vorstellten. Afsaneh Vahdat aus Schweden warf ihrer Regierung - stellvertretend für viele andere europäische Staaten - vor, durch eine verfehlte Politik das islamische Establishment zu stärken. In Schweden werden mit Staatsmitteln islamische Imame ausgebildet, weil sich der Staat davon verspricht, die Situation der Frauen in der muslimischen Community zu verbessern. Tatsächlich, so Vahdat, werde dadurch aber nur die dem Islam entspringende Diskriminierung der Frauen legitimiert. Deshalb bedürfe es politischen Drucks, damit eines Tages auf einer Konferenz der Ex-Muslime darüber berichtet werden könne, dass dieser oder jener europäische Staat die Beziehungen zu islamischen Organisationen eingeschränkt oder abgebrochen habe und die Bedeutung dieser Gruppierungen sinke.

In einer Frage herrschte auf dem Podium keine Einigkeit: Ist es sinnvoll, Islamisten bzw. islamistische Gewalttäter auszuweisen? Ehsan Jami aus den Niederlanden konnte sich dies vorstellen. Auch Ralph Giordano hatte sich kritisch über deutsche Gerichte geäußert, die in dieser Frage sehr langmütig seien. Allerdings erntete er hier Widerspruch aus dem Publikum: Wird das Problem durch eine Abschiebung nicht nur in das Land verlagert, in das die betreffende Person abgeschoben wird? Giordano überlegte - und stimmte zu. Und lag damit im Tenor der Konferenz: Um das Problem des Islamismus zu lösen, bedarf es einer Kultur des Hinschauens, nicht des Abschiebens.

Martin Bauer / Petra Silie