Monotheismus und Gewalt

(hpd) Gibt es einen kausalen Zusammenhang von Religion und Gewalt? 

 

Über diese Frage wird seit einigen Jahren erneut heftig gestritten

: Die eine Seite verweist darauf, dass mit dem Exklusivitätsanspruch auf den wahren Weg zum Heil in Geschichte und Gegenwart immer wieder die Anwendung von Gewalt verbunden war. Die andere Seite hebt hervor, dass die eigentlich gewaltfreien Religionen zur Rechtfertigung von Gewalttaten missbraucht worden seien. Welcher Position kann man zustimmen?

Eine Antwort auf diese Frage vermittelt die Prüfung an der Realität. Im Sinne eines neuen Forschungsparadigmas will sie der Religionswissenschaftler Hans G. Kippenberg in seiner neuen Studie „Gewalt als Gottesdienst. Religionskriege im Zeitalter der Globalisierung" liefern. Mit häufigen methodischen Rückgriffen auf Max Weber soll darin die Bedeutung von Handlungen untersucht werden, welche die Geltung inner- wie internationaler Rechtsordnungen unter Inanspruchnahme eines höheren offenbarten Rechts verneinen.

Kippenbergs Arbeit gliedert sich in drei theoretische Kapitel und acht Fallstudien: Zunächst geht er der Gewalt als religiöser Gemeinschaftshandlung nach und erörtert den Machtzuwachs religiöser Vergemeinschaftung. Dem folgen Analysen zu alternativen Religionsgemeinden in den USA, dem schiitischen Islamismus im Iran, der Entstehung und Entwicklung der Hizbollah im Libanon, den ultraorthodoxen Siedlern in Israel, der Hamas in Palästina, den fundamentalistischen Protestanten in den USA, den Attentätern vom 11. September und der religiösen Legitimation des US-Krieges gegen den Terror. Abschließend kommentiert der Autor noch einmal gesondert die heilsgeschichtlichen Szenarien religiöser Gewalt. Bilanzierend heißt es zur Problemstellung mit differenzierter Bewertung: „Es gibt einen Zusammenhang zwischen Monotheismus und Gewalt; jedoch muss man ihn kontingent nennen: Er ist weder notwendig, noch ist er unmöglich. Er hängt von der Situation ab, in der eine religiöse Gemeinschaft sich befindet" (S. 22).

Damit verweist Kippenberg darauf, dass Gewalthandlungen im Namen einer Religion aus einer Wechselwirkung von religiöser Gemeinschaft und sozialen Konflikten hervorgingen. In der Tat überzeugt diese Auffassung weitaus mehr als die deterministische These von Jan Assmann zum Zusammenhang von Monotheismus und Gewalt. Mit dem Verweis auf den längerfristigen Konfliktverlauf bei den acht geschilderten Fällen eröffneten sich auch Chancen für die Religionsgemeinschaften, diesen Zyklus religiöser Gewalt zu unterbrechen. Ansonsten stünde uns, so Kippenberg zutreffend, eine neue unfriedliche Epoche der Religionsgeschichte in der Ära der Globalisierung bevor.

Seine differenziert argumentierte und überaus kenntnisreiche Studie weist aber auch eine analytische Lücke auf: So gibt es nur einen viel zu kursorischen Vergleich der acht Fälle, welcher eine systematische Untersuchung mit der Herausarbeitung entsprechender Strukturmerkmale bei den Religionen vermissen lässt. Gleichwohl liefert Kippenbergs Arbeit dazu wichtige Anregungen und Informationen.

Armin Pfahl-Traughber

Hans G. Kippenberg, Gewalt als Gottesdienst. Religionskriege im Zeitalter der Globalisierung, München 2008 (C. H. Beck-Verlag), 272 S., 19,90 €