Wie öffentliche Skulpturen-Bilder entstehen

Welches war Deine erste geplante Figur, die auch gebaut wurde und zu welcher Zeit war das?

Die zwei Figuren stehen noch bei meinen Eltern im Regal. Es war in der Grundschule und ich töpferte Spatzen. Ich erinnere mich noch genau, meine Lehrerin hat einen in die Hand genommen, gestreichelt, und gesagt, das ist der Spatz in der Hand …

Danach gab es eine lange Pause. Ich hatte Marionetten gestaltet, aber die sind nie fertig geworden. Erst in der Oberstufe, also wieder in der Schule, habe ich wieder eine Skulptur gebaut. Das war im Kunstunterricht zum Thema Primitivismus und es wurde sozusagen meine erste Auftragsarbeit. Die Aufgabe war, aus Teppich-Papprohren Figuren herzustellen, die sich an die Kunstrichtung Primitivismus anlehnen. Ich hatte mich richtig vorbereitet und überlegt, wie kommst du dahin, was im Unterricht gewünscht wird. Ich hatte mich mit der Moderne, Künstlern wie Picasso und Gauguin befasst und mit dem Primitivismus, mit den primitiven Völkern, deren Kunst und den Figuren, die die Urvölker geschaffen hatten. Dafür konnte ich mich begeistern und es folgte eine gute Note.


Wie kann ich mir Deinen Berufsalltag vorstellen?

Ich bin nicht mehr am Theater sondern nach einem beruflichem Zwischenstepp und der Überlegung - wo werden denn Figuren gebraucht -, in Düsseldorf bei Jacques Tilly gelandet und damit beim Karneval. Karneval bedeutet Saison-Arbeit für ein halbes Jahr und die geht im September/Oktober los. In der Zwischenzeit muss ich auch Geld verdienen und so habe ich über das Internet meine Spezialkenntnisse angeboten. Es ist ein Kundenkreis von Menschen entstanden, die unsere Plastiken entdeckt haben, als Eye-Catcher für einen Stand auf Messen oder Veranstaltungen. Für das Theater sind es häufig kleinere Arbeiten, die als Detail auf der Bühne gebraucht werden oder Preise, die den Lokalgrößen überreicht werden. Die Aufgaben eines Plastikers sind sehr unterschiedlich und das Trojanische Pferd war im Format die größte Skulptur, die ich bisher gebaut habe.

Gebaut? Was genau steckt an Arbeit hinter diesem Wort – wie sind die Schritte zur Skulptur?

Wie ich es schon beim „Trojanischen Pferd“ beschrieben habe ist die Planung der erste wichtige Schritt. Im Gespräch mit dem Kunden ermittele ich die Anforderungen, die an die Skulptur gestellt werden, ob der Kunde feste Vorstellungen hat. Skizzen entstehen, Größe und Fern- oder Nahwirkung nehmen Einfluss auf die Materialwahl. Oder auch die Nutzung: Wird die Skulptur einmalig eingesetzt wie z. B Figuren im Karneval? Bleibt die Skulptur ein Unikat oder handelt es sich um einen Serienbau wie bei einen Pokal, der beispielsweise über ein Bauteil immer wieder gegossen werden kann. Das Herstellungsmaterial nimmt ebenfalls Einfluss auf den Preis. Wetterfeste Materialien sind teuer und schwerer zu verarbeiten. Welche Anforderungen werden an die Haltbarkeit gestellt? Wird die Skulptur einmal zusammen gebaut und bleibt dann am Ort stehen oder ist sie transportabel herzustellen? Es sind viele Faktoren also, die Einfluss nehmen um letztendlich zu entscheiden, aus welchem Material die Skulptur tatsächlich gebaut wird.

Ich erinnere mich, dass Du vorhin, als wir bei dem LKW standen und die Planen sich öffneten, gesagt hattest: Jetzt bin ich doch aufgeregt. Magst Du darüber etwas erzählen, wie es Dir da ging?

Nun ja wir hatten zwar vorher alles geplant und geprobt, die Abläufe waren auch klar, aber vor Ort ist man dennoch viel näher dran. In der Werkstatt, in der ich täglich bin, da kenne ich ja alles, da weiß ich auch, wo alles ist und wie alles funktioniert, und beim Probelauf konnten immer Hilfsmittel hinzugezogen werden. Vor Ort muss alles sitzen, es muss alles bereit sein und funktionieren. Wenn es da jetzt ein Missgeschick passiert oder bisher unbekannte Probleme auftauchen, wird es möglicherweise kompliziert. Wenn da etwas schief gelaufen wäre, dann hätte alles hinüber gewesen sein können und das Bild wäre nicht mehr einsetzbar gewesen. Dazu kam noch die Tatsache, dass es ein sehr schweres Objekt ist und doch auch die Furcht dabei war, dass sich jemand verletzen könnte, einen Finger oder Fuß quetschen.

Das „Trojanische Pferd“ wurde vor den Augen der Zuschauer, in zwei Bauteilen, aus einem LKW heraus gezogen, der Kopf dann hochgehoben und aufgesetzt. Der ganze Körper wurde auf rollenden Eisenstangen bewegt und sorgsam festgeschraubt - viele Hände, ruhige und besonnene, die Abstimmung und Griffe fügten sich zu einem Ganzen, als würde dieses jeden Tag genau so geschehen. Wie war dieses Prozedere für Dich?

Also, ich bin begeistert von dem Einsatz, sehr begeistert, weil es offensichtlich auch für das Aufbau-Team eine Freude war, dieses Werk mit entstehen lassen. Man begegnet auch anderen Menschen, die eine Arbeit schnell hinter sich bringen wollen und grober zupacken. Es war schon toll, diesen Einsatz zu sehen. Schön war auch, dass der Kunde selbst anwesend war und auch darauf bedacht, dass das Objekt seine Wirkung erzielt und nicht verfehlt und die Aktion nicht nur über die Bühne geht, sondern die Bühne tatsächlich entstanden ist.

Mit wie vielen Menschen habt ihr Dein „Trojanisches Pferd“ vor Ort in Gang gesetzt?

Glücklicherweise konnte Greenpeace rund dreißig Aktivisten anheuern. Der Aufbau lief reibungslos, sie haben die Taue befestigt, an der Deichsel und am Pferd. Des Bildes wegen wurde auf eine Zugmaschine verzichtet und der Wagen mit dem Pferd von Menschenhand gezogen, mit vielen Seilen. Durch die Akteure wurde das Bild erst lebendig.

 

Gab es bei dem Aufbau einen gefährlichen Augenblick?

Na, ja, das Aufsetzten des Kopfes. Es gab dort vor Ort keine wirklich hohen Leitern, keinen Kran, keinen Flaschenzug – es gab unsere Kraft und bei den vielen Händen, die zugepackt haben, da kann schon etwas ins Kippeln und aus dem Gleichgewicht geraten und dadurch dann schlecht ausgehen.


Wie schwer ist das „Trojanische Pferd?“

Kann ich gar nicht sagen. Die Mutmaßungen liegen zwischen 300 bis 500 Kilogramm. Es wäre interessant, es genau zu erfahren. Natürlich versucht man bei einem so großem Objekt Material und Gewicht zu sparen, aber viele Schritte sind zum gewünschten Ergebnis notwendig: Erst wird das Stahlgerüst geschweißt, das muss wegen der Stabilität sein, hier dicke Rohre, dort dünne Rohre. Holzplatten für das Innere. Die müssen stabil sein und dürfen nicht durchbrechen, weil ja ein Mensch im Inneren sitzen und das Pferd beladen muss. Um den Kopf aufzusetzen, muss ein Mensch auf dem Rücken stehen können, der darf auch nicht durchbrechen und braucht entsprechend feste Platten. Mehrere Bund Dachlatten für die gestalterische Konstruktion. Eine Mindestmenge an Maschendraht für den plastischen Feinschliff. Eine Kaschuhr aus Papier und Stoff. Eine Oberflächenversiegelung mit Feinspachtel auf Kunststoffbasis. Allein zur Grundierung habe ich mindestens sieben Kilo Farbe aufgetragen, die zwar zum Teil verdunstet ist, aber so kommt Kilo zu Kilo.

Nun hat es bei den Veranstaltungen hier in Berlin nicht geregnet. Was wäre sonst gewesen?

Ich hätte mir um das Pferd dann keine Sorgen machen müssen sondern eher um den Auf- und Abbau. Die Figur wäre glitschig gewesen. Die Leute hätten nicht richtig festhalten können und es besteht dann die Gefahr, abzurutschen. Gut, die Oberfläche wäre schon weich geworden, aber dann nach dem Trocknen wäre sie wieder in den ursprünglichen Zustand zurückgekehrt.

Nun, wie viele Skulpturen hast du schon gebaut. Wo sind sie zu sehen?

Gezählt habe ich sie noch nie, aber in den vierzehn Jahren meiner Tätigkeit als Plastikerin kommt schon eine größere Zahl zusammen.

Wo sind sie zu sehen? Das ist sehr unterschiedlich. Auszeichnungen landen hoffentlich nicht im Schuhkarton. Wetterfeste Skulpturen bleiben voraussichtlich ein paar Jahre an ihrem Bestimmungsort oder werden alljährlich z.B. zu Weihnachten wieder hervor geholt. Viele Arbeiten entstehen für einen speziellen einmaligen Einsatz. Wenn ein Kunde der Skulptur dann einen besonderen Platz einräumt und sie bewahrt - wie z.B. im Foyer der Firmenzentrale, dann ist das besonders schön. Wenn die Skulptur gebaut und beim Kunden ist, dann existiert sie für mich nur noch auf dem Foto. Mein Kopf ist frei für Neues. Selten sehe ich meine Arbeiten wieder.


Gibt es eine weitere Verwendung für das Pferd?

Möglicherweise gibt es noch einen Einsatz - Genaues weiß ich noch nicht. Das hängt von verschiedenen Faktoren ab, denen ich an dieser Stelle noch nicht vorgreifen möchte.

Außerdem gab es Interessierte aus anderen Reihen, die sehr von diesem Bild angeregt waren und sich andere Schandtaten vorstellen können, die ich natürlich auch nicht preisgeben kann.


Doris, was würdest Du gerne bauen?

(Lange Pause) Na, ja, es geht eigentlich mehr darum, auszuprobieren. Ich habe keine große Wohnung oder Platz um Figuren aufzubewahren und dazu kommt, dass die Skulpturen, an die ich denke, sehr aufwendig herzustellen wären… Bronze – ja, das wäre auch ein Material, das mich neben der normalen Arbeit mal reizen würde.
Grundsätzlich bevorzuge ich Skulpturen mit Gesicht. Weil so viel vom Ausdruck abhängt, ist es jedes Mal eine Herausforderung, die ich gerne annehme.


Zurück zum Karneval. Parodien gehören dazu. Wie entstehen die Ideen und die Skulpturen dazu?

Das Arbeitsteam besteht ja aus mehreren Plastikern. Jeder von uns hat zwar sein Metier, aber der Karneval ist die Domäne von Jacques Tilly. Die Karnevals-Kreationen stammen alle von ihm und dann baue ich nach seinen Ideen.

 

Doris, danke für das Gespräch

Die Fragen stellte Henriette Adler.

Fotografien © Evelin Frerk