Willensfreiheit 3: Das Marionettentheater

 

Jesus und Mo über die Willensfreiheit

 

Diesseits von Gut und Böse

Fassen wir die wichtigsten Aussagen aus dieser Reihe zusammen (ich fasse sie zusammen und Sie dürfen sie lesen):

1. Ein akausaler (libertarischer) freier Wille existiert wahrscheinlich nicht.

2. Wir hätten uns in beinahe (!) identischen Situationen anders entscheiden können, als wir es taten, weil unsere Vernunft selbst eine Ursache ist, die eine alternative Wirkung auslösen kann! Wird unsere Vernunft nicht durch äußere oder innere Zwänge (Gewalt, Drogen, Nahrungsmangel, etc) eingeschränkt, verfügen wir über einen freien Willen, also einen Willen, der sich frei von störenden Fremdursachen formen kann.

3. Ein Schuldkonzept, das von metaphysischen Begründungen abhängt (vom Teufel besessen, böse Seele, Monster, libertarische Willensfreiheit etc.) ist unhaltbar. Das sagt aber nichts über die Angemessenheit von harten Strafen aus. Um angemessene Strafen zu ermitteln, muss ihre Wirksamkeit empirisch überprüft werden, Verhältnismäßigkeit muss gewährleistet sein, die Menschenrechte sind einzubeziehen, etc. Wir müssen also auf die Folgen unserer Handlungen sehen und nicht auf die Ausstattung des Täters mit einem freien Willen oder dessen Mangel.

4. Menschen treffen in der Regel ihre Entscheidungen keineswegs auf Grundlage eines philosophisch begründeten Weltbilds (etwa auf Basis der Annahme, dass der libertarische freie Wille existiert), oder überhaupt auf Grundlage philosophischer Überlegungen. Die meisten Menschen denken gar nicht oder kaum über philosophische Fragen nach (was ihnen nur bedingt vorzuwerfen ist, schließlich würde die Arbeitsteilung in unserer Gesellschaft kaum funktionieren, wenn jeder mit Philosophie seine Zeit verbringen würde. Außerdem könnte man den Großteil der Philosophie verlustlos durch Gartenarbeit ersetzen, meinte schon Voltaire). Wäre das anders, würden soziobiologische und psychologische Studien nicht so aussehen, wie sie aussehen. Man denke zum Beispiel daran, dass beliebige Testpersonen, darunter Studenten, ihre instinktiven Entscheidungen bei Peter Singers moralischen Dilemmas überhaupt nicht begründen können!

5. Die Frage nach der Willensfreiheit hat keine hohe Priorität für die Aufklärung. Fehler bei der Vermittlung einer mangelnden Willensfreiheit lösen unter Umständen Fatalismus und somit unsoziales Verhalten aus, außerdem haben die oftmals mit der mangelnden Willensfreiheit verknüpften Schlussfolgerungen (Rache schlecht, Vergebung gut, etc.) gar nichts mit der Frage nach der Willensfreiheit zu tun. Wir können gegen Rache sein und vergeben, egal, was wir von der Willensfreiheit halten.

 

Schlusswort

Richard Carrier hat etwas Wichtiges zu sagen:

"Es ist zentral für unser Selbstverständnis, dass wir keine Puppen sind; dass wir unser Schicksal durch die Entscheidungen, die wir treffen, kontrollieren; dass wir uns verändern können; dass wir uns entschließen können, sorgfältig durchdachte, anstelle von irrationalen oder gedankenlosen Entscheidungen zu treffen; dass wir keine Sklaven unserer Emotionen sind; dass wir über die Umstände hinauswachsen können, in die wir hineingeboren wurden; dass wir uns deshalb korrigieren und verbessern und aus schlechten Umständen entkommen können; dass unsere Emotionen uns gehören und niemandem sonst; dass unsere Handlungen unsere Persönlichkeit demonstrieren; dass wir verantwortlich sind für die Entscheidungen, die wir treffen; und so weiter. Und doch: Jeder einzelne Eintrag auf dieser Liste ist wahr. CCF [der kontra-kausale/libertarische freie Wille] hat tatsächlich nichts mit all dem zu tun."

Sollte es jemandem gelingen, meine materialistischen Ausführungen in einem religiösen oder esoterischen Sinne misszuverstehen, fände ich das sehr amüsant. Tun Sie sich keinen Zwang an.

Und das letzte Wort bekommt Christopher Hitchens:

"Natürlich haben wir einen freien Willen. Wir haben keine andere Wahl."

 

Danksagung

Bekämpfe das Böse. Lese Bücher.Mein Dank gebührt auch diesmal wieder dem Psychologen Rolf Degen, der mir einige der hier zitierten Studien und wertvolle kritische Kommentare geschickt hat. In Abwesenheit danke ich Richard Carrier und Daniel Dennett, die tatsächlich verstanden haben, worum es in dieser Debatte geht.

Ich freue mich auf Ihre Kommentare auf feuerbringer.com.

 

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Im Labyrinth der Willensfreiheit

Abschied von der Willensfreiheit?

Willensfreiheit 3: Das Marionettentheater

 

Andreas Müller