Die Privilegien der Kirchen und das Grundgesetz

Die zweite Gesprächsrunde trug den Titel „Staatsleistungen: Ewige Rente?“. Kontrahenten waren hier Professor Dr. Heinrich de Wall und Dr. Carsten Frerk.

Prof. de Wall vertrat die Meinung, dass die Staatsleistungen an die Kirchen schon allein deshalb rechtmäßig sein müssen, weil sonst das Vertrauen zwischen Staat und Kirche(n) gestört wäre. Er hält die Staatsleistungen mitnichten für eine ewige Rente, da auch andere als die christlichen Religionsgemeinschaften (er sprach tatsächlich nur von Religionsgruppen, nicht von weltanschaulichen!) diese bei Vorliegen vergleichbarer Gründe erhalten könnten.

Mir ist mangels historischen Wissens der größte Irrtum an dieser Argumentation noch nicht einmal aufgefallen: dass nämlich die Ursachen der Staatsleistungen aus einer Zeit herrühren, da etliche andere religiöse oder weltanschauliche Gruppen noch nicht existierten bzw. in unserem Kulturkreis nicht bedeutsam waren.

Anders Dr. Frerk, der sehr wohl die historischen Ursachen und Begründungen kannte und diese Stück für Stück ad absurdum führte. Es war dies der erfrischendste Beitrag des Tages. In wenigen Worten, knapp und präzise und ohne fachchinesisches Versteckspiel zeigte Dr. Frerk auf, dass all die Argumente, die die Befürworter der Staatsleistungen hervorbringen, schon allein deshalb irrelevant sind, da die Grundlagen, sowohl die historischen als auch die juristischen, fehlerhaft sind. Es kann keine Ausgleichszahlungen für die Enteignung von z.B. Grund und Boden geben, wenn der, der diese Ausgleichszahlungen in Anspruch nehmen will, nicht der Eigentümer eben dieses Grund und Bodens war. Damit erübrigen sich jegliche ausufernde Diskussion über das Für und Wider der Ausgleichszahlungen, da es keine Grundlage für einen Ausgleich gibt.

Es war Prof. Dr. de Wall deutlich anzusehen, dass er mit diesen unverbrämt unjuristischen Aussagen deutliche Probleme hatte. An einem Punkt der Diskussion, an dem deutlich gesprochen wird, versagen jegliche juristischen und diplomatischen Spitzfindigkeiten. Und so mussten Prof. Dr. de Wall‘s Bemühungen, sich wieder auf sein gewohntes Feld zurückzuziehen, erfolglos bleiben. Die Mittagspause befreite den sichtbar überforderten Referenten vor weiteren Fragen und Antwortversuchen.

Im dritten und letzten Teil der Veranstaltung trafen Prof. Dr. Ehlers und Dr. Czermak aufeinander. Thema war „Kirchenverträge: undemokratische Vorzugsbehandlung?“

Dabei ging der Münsteraner Prof. Dr. Ehlers sehr vorsichtig zu Werke und erklärte eigentlich nur, dass es rechtlich einwandfrei sei, dass die Amtskirchen als Träger öffentlichen Rechts bindende Verträge mit dem Staat bzw. den Ländern eingehen können. Dies ist vermutlich auch unbestritten. Allerdings ist für mich nicht umstritten, ob als Begründung für dieses Recht der Kirchen herhalten kann, dass jene „sinnstiftend“ sind. Ich denke, da gehen des Professors Meinung (die auch die politische Meinung unter anderem der SPD ist!) und meine weit auseinander.

Dr. Gerhard Czermak, Mitglied der GBS und Verwaltungsrichter, stellte vor allem darauf ab, dass es nicht um die Rechtmäßigkeit der Verträge gehe, sondern um deren Inhalte. Er wies darauf hin, dass selbst ein Bundesland wie Brandenburg, in dem es knapp 3% Katholiken gäbe, einen Staatsvertrag mit der Katholischen Kirche abgeschlossen habe.

Er kritisierte dabei vor allem, dass dieser Vertrag zwischen der Kirche einerseits und dem Kultusministerium andererseits verhandelt und unterzeichnet wurde. Die Abgeordneten des Landtages – also die Vertreter des Volkes - haben keinerlei Mitspracherecht, was den Inhalt des Vertrages anbelangt, sondern können nur für oder gegen diesen stimmen. Das entsprechende Gesetz beinhaltet nur zwei Paragrafen. Immerhin – so Dr. Czermak – war Brandenburg das erste Bundesland, in dessen Landtag es zumindest zu einer inhaltlichen Diskussion zum Vertrag kam; wenn auch ohne Ergebnis.

Angemerkt wurde sowohl von Dr. Czermak als auch wiederholt aus dem Publikum, dass diese Art Staatsverträge keine Rücktrittsklausel beinhalten und dass der Abschluss eines solchen Staatsvertrages schon deshalb obsolet ist, da er immer weniger Menschen einschließt und eine große Bevölkerungsgruppe – nämlich die der Nichtkonfessionellen – ausschließt.

Spätestens als der Bundestagsabgeordnete der FDP, Pfarrer Pascal Kober, ein Resumée des Tages fassen sollte und den Vertretern der Säkularisierung blanken Neid unterstellte, nicht auch die Privilegien der Kirche genießen zu dürfen, war mir klar, dass dieses 4. Berliner Gespräch nichts bewirkt hat. Nicht einmal ein Nachdenken. Insofern ist deutlich geworden, und das ist dann immerhin doch ein Ergebnis, dass die weltanschaulichen Gräben und gegensätzlichen Auffassungen derzeit nicht mit Kompromissen überbrückt werden können.

Frank Navissi
 

Fotografien der Referenten: Frank Navissi