Folgen katholischer Mädchenerziehung

So konnten Wirtschaftssystem und Kirche gemeinsam ihre Interessen befriedigen: sie bildeten gut qualifizierte junge Frauen aus Arbeiterfamilien mit einem schlechten Selbstwertgefühl heran, die sich später im Berufsleben nicht gegen Unterbezahlung wehrten.

Judith: „Das Gefühl, ausgeliefert zu sein wurde noch schlimmer, wenn ich erfolglos versuchte, meine Mutter um Unterstützung zu bitten. Denn meine Mutter wurde als Bäuerin von der Schulleitung nicht ernst genommen.“

Anna (Jahrgang 1962) besuchte ein Kloster-Internat der Armen Schulschwestern in Nordrhein-Westfalen: „Für die Anderen über die eigene Kraft, die eigene Grenze zu gehen, wurde als erstrebenswert gelehrt.“

In dem katholischen Erziehungsratgeber lesen wir, wie es gelingen kann, Kinder zu selbstausbeuterischen Erwachsenen zu konditionieren: „Die dunkle Urschuld hat nach christlicher Lehre die Kräfte und Triebe des Menschen in Unordnung gebracht. So besteht denn die große Aufgabe eines Menschen in der Selbstbeherrschung …“ (Seite 13)

Anna: „Meine Familie hat es gut gefunden, dass ich in so ein Format – ein Kloster-Internat- komme, da ich eine wilde Trude war. Wenn ich gebrochen wurde, dann damit, dass ich nicht ich selbst sein konnte. Es war erst gut, Ruhe, als ich keine Leidenschaften mehr hatte, keine Fähigkeit mehr, selbst für mich zu sorgen.“

Unser katholischer Erziehungsratgeber, der übrigens nur an einer einzigen Stelle erwähnt, dass es eine wichtige Aufgabe ist, die „hasserfüllte Menschheit der Nachkriegsjahre“(Seite 23) zu bilden, geht nicht im Geringsten auf die Kriegstraumatisierungen und Folgen der nationalsozialistischen Indoktrination ein. Viel wichtiger sind ihm Beschämungsrituale, um die Kinder dazu zu bringen, sich „freiwillig“ in die Schablonen der katholischen Geschlechterrollenkonstrukte zu legen.

 

Hier eine Maßregelungsvorlage, die Anwendung finden sollte bei einem „Verstoß des Kindes“:

 

Magda.
Unschickliches, grobes Benehmen.

  • Grüß dich Gott, Magda! So, was gibt´s wohl beim Pfarrer? Setz dich! Du, wir wollen ganz ehrlich sein, so wie das Gewissen es mir und dir sagt. Es ist schön, dass du gekommen bist. Du wusstest ja schon, dass wir etwas Unangenehmes zu besprechen haben. Das war tapfer!
  • Also, ich habe dir schon angedeutet, dass du zu wenig fein seiest für ein Mädchen…. Der Schnee war ja verlockend, gewiß. Aber die Buben fanden es auch verlockend, euch zuzuschauen, wie ihr zwei euch im Schnee gewälzt und eingerieben habt, die Beine in die Höhe gestreckt und so geschrieen habt, dass es auffiel. Weißt du, was eine Frau mir gesagt hat über euer Lachen und Kreischen: Wollüstig war´s!
  • Das war gar nicht fraulich fein, Magda, das war roh, das war fast schlimm und schlecht. Ich habe gemeint, das Ideal der Frau, von dem wir doch gesprochen, hätte euch gezeigt, was sich gehört und was nicht. Aber es scheint, dass ich mich arg getäuscht habe - in der Magda - - - Die Magda war rot geworden. Sie sagte nichts. Sie war auch ein bisschen trotzig und stierte zu Boden.
  • Magda, wenn Buben so wild tun, macht das nicht viel aus. Es sind eben Buben, nicht Mädchen wie du. Hör, was ich jetzt sage: ich habe ein bisschen Angst um dich! Du schaust mich erstaunt an? Ja, ich habe etwas Angst um dich! Denn wenn die Magda jetzt so tut, im Schulhof, vor den Buben, dann wird sie auch später nicht zurückhaltend sein vor jungen Männern! Und dann werden es die jungen Männer vor der Magda noch viel weniger sein! …Darum habe ich Angst, Magda - - - -. Magda war purpurrot geworden. Und die Tränen liefen. (So, jetzt aufbauen!)
  • Siehst du Kind, du musst dich jetzt einfach gegen das Rohe und Bubenhafte in dir wehren, da du ja ein Mädchen bist. .…. (Lebenskunde, Seite 94)

Judith: „Mit 15 entwickelte ich Bulimie. Es war ein Aufbegehren, ein Versuch mich zu retten. Ich fühlte mich erdrückt von Lasten. Ich fühlte mich immer gebremst, gehemmt und wertlos. Dann habe ich das Instrumentarium entwickelt, mich abzugrenzen. Erst war es faszinierend: Pah! Du bist ja gar nicht so machtlos, nicht so ausgeliefert. Die ersten Wochen waren Durchatmen. Die Bulimie war ein Rettungsversuch, der mich stabilisiert hat. Aber relativ bald ist mir das Gefühl gekommen: Hilfe, du bist ja ganz pervers! Dann aber hatte die Bulimie mich im Griff bis Anfang 40. Ich hatte 25 Jahre lang Bulimie.“

Hildegard, Anna und Judith (die Namen wurden aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes geändert) sind inzwischen 42 und 47 Jahre alt. Bis heute leiden sie unter bio-psycho-sozialen Einschränkungen und Belastungen als Folge der Zertrümmerung ihrer natürlichen psychosexuellen Entwicklung. Geholfen hat ihnen die Auseinandersetzung mit feministischen Ideen. Aber die Verletzungen sitzen tief, der Heilungsprozess gestaltet sich langwierig und erfordert professionelle Hilfe: psychosomatische Behandlung, Psychotherapie, berufliches Coaching. Leider betrachten viele Berater/innen die Probleme als Einzelschicksal. Häufig wird der Zusammenhang zwischen der Indoktrination zur Selbstaufopferung von Mädchen und ihrer Schwierigkeit, für sich einzustehen, nicht auf das katholische Weiblichkeitsideal zurückgeführt. In einem Land, in dem viel über die Unterdrückung der Frau im Islam diskutiert wird, bleibt der blinde Fleck für die Gehirnwäsche durch die katholische Kirche in professionellen Kreisen zu oft unbemerkt, steht in keinem Ausbildungs-Lehrplan.