Religionskritiker II: Neuzeit

Der französische Philosoph Denis Diderot (1713-1784), Begründer und Mit-Herausgeber der für die Aufklärung so bedeutsamen „Enzyklopädie“, näherte sich im Laufe seiner geistigen Entwicklung von einer deistischen einer atheistischen Position an: Für ihn bestand ein Gegensatz zwischen Glaube und Vernunft, denn der Glaube sei ein eingebildetes Prinzip, das von naturwidrigen und widersinnigen Annahmen ausgehe. Diderot kritisierte auch den teleologischen Gottesbeweis, wonach sich die Existenz eines höheren Wesens aus der Ordnung und Zweckmäßigkeit in der Welt ergebe. Demgegenüber wies er darauf hin, dass der Natur angesichts des Entstehens und Vergehens von Pflanzen- und Tiergattungen auch Zweckwidrigkeit eigen sei. Und schließlich hob Diderot mit der Forderung, sowohl gegen die himmliche wie gegen die irdische Majestät vorzugehen, den Zusammenhang von Gesellschafts- und Religionskritik hervor. Mit den beiden letztgenannten Aspekten nahm er Kernelemente der späteren Religionskritik vorweg.

Auch der französische Aufklärungsphilosoph Claude-Adrien Helvetius (1715-1771) entwickelte sich vom Deisten zum Atheisten. Sein Hauptwerk „Vom Geist“ von 1758 enthielt neben einer Gesellschaftstheorie auch Ausführungen zur Begründung von Moral, die nicht von Gott abstamme, sondern sich aus menschlichen Interessen ergebe. Darüber hinaus hob Helvetius wie andere Aufklärer den Gegensatz von Religion und Wissenschaft hervor und kritisierte die Widersprüchlichkeit der Gottesidee. Die Religion sei aus Betrug und Unwissenheit heraus entstanden und von den jeweils Mächtigen zur Legitimation ihrer Herrschaft genutzt worden. Insofern kritisierte Helvetius die christliche Kirche, da sie sich an der Irreführung der Menschen, Unterstützung des Despotismus und Verhinderung von Fortschritten beteilige. Er erblickte in der Religion aber auch ähnlich wie später Feuerbach und Marx eine auf den Glauben verschobene Hoffnung auf Besserung des Daseins und damit eine phantastische Widerspiegelung des realen Seins.

Ähnliche Auffassungen vertrat der französische Philosoph Paul Thiry D'Holbach (1723-1789), ein wichtiger Mitarbeiter von Diderots „Enzyklopädie“. Unter Pseudonym veröffentlichte er zahlreiche Schriften wie etwa „Das entschleierte Christentum“ von 1766, die sich kritisch mit der Religion als Aberglaube und Machtinstrument auseinander setzten. Auch D'Holbach sah in ihr einen Gegensatz zu Vernunft und Wissenschaft, führte die Akzeptanz des Glaubens auf die Furcht der Menschen zurück und kritisierte die Instrumentalisierung durch die Herrschenden. Religion galt ihm als Ausdruck des Priester-Trugs, der dem Adel seine Herrschaft über das Volk ermögliche und dieses auf eine bessere Zeit im Jenseits vertröste. Dem gegenüber stellte D'Holbach eine atheistische Moral auf Basis der Naturgesetze. Mit dieser Argumentation vertrat er eine entwickelte atheistische und materialistische Philosophie, wie sie in dem Hauptwerk „System der Natur“ von 1770 systematisch entwickelt wurde.

Der Philosoph Immanuel Kant (1724-1804) lieferte mit seinen Einwänden gegen Gottesbeweise in der „Kritik der reinen Vernunft“ von 1787 einen Beitrag zur Religionskritik. Hierzu gehörte der ontologische Gottesbeweis, der aus der Vorstellung von einem allmächtigen Gott auch dessen Existenz ableitet, wobei Dasein als Eigenschaft fehlinterpretiert werde. Der kosmologische Gottesbeweis, der Gegebenheiten auf Ursachen und diese wiederum auf Gott zurückführte, löste ähnliche Einwände bei Kant aus, da hier ebenso aus Begriffen etwas ohne Verweis auf Erfahrungen geschlossen werde. Und schließlich ging es um den physikotheologischen Gottesbeweis, der aus der Ordnung der Natur auf das planerische Wirken Gottes schließt, aber mit dem Hinweis auf endliche Erfahrungen eben gerade nicht die Existenz eine unendlichen Gottes empirisch belegen könne. Aus dieser Kritik leitete Kant aber nicht die Inexistenz Gottes ab, sondern konstatierte lediglich die Unmöglichkeit einer Vergegenständlichung.

Eine neue Perspektive für die Religionskritik entwickelte der materialistische Philosoph Ludwig Feuerbach (1804-1872) durch die Auflösung der Theologie in Anthropologie: In seinem Hauptwerk „Das Wesen des Christentums“ von 1841 vertrat er die Auffassung, Gott und Religion seien Produkte menschlicher Erfindungen. Abhängigkeit und Beschränktheit, Glückseligkeit und Egoismus, Nichtigkeit und Ohnmacht riefen das Bedürfnis nach einem Gottesglaube hervor. Man übertrage damit verbundene Hoffnungen, Idealvorstellungen und Wünsche auf das Konstrukt Gott, das demnach als ideale Verkörperung des menschlichen Wesens erscheine. Da der Mensch in der Religion sein eigenes geheimes Wesen vergegenständliche, sei der Zwiespalt von Gott und Mensch letztendlich auch der Zwiespalt des Menschen mit seinem eigenen Wesen. Feuerbachs Auffassungen hatten großen Einfluss auf andere Religionskritiker, knüpften doch Marx, Nietzsche und Freud inhaltlich und verbal an seine Projektionstheorie an.

Die historischen Grundlagen des christlichen Glaubens wurden von dem früheren Geistlichen und Theologen David Friedrich Strauß (1808-1874) in seinem Hauptwerk „Das Leben Jesu“ von 1835 einer grundsätzlichen Kritik unterzogen. Er thematisierte darin zunächst die mit den Berichten über Wunder einhergehenden Ungereimtheiten und Widersprüche in den Evangelien. Daraus leitete Strauß ab, dass es sich hier nicht um geschichtliche Ereignisse, sondern religiöse Mythen handele. Die historische Existenz Jesu bestritt er zwar nicht, konstatierte aber den Mangeln an genauerem Wissen über sein Denken und Handeln. Angesichts nicht belegbaren Informationen und Vermutungen stehe es schlecht um die historische Fundierung des Christentums. Strauß' Forschungen kamen zu dem Ergebnis, dass man sich nicht mehr auf erkennbare Vorgaben des „Heiligen Geistes“ berufen konnte, sondern die Evangelien lediglich Ausdruck des subjektiven Denkens und Wollens ihrer zeitgenössischen Autoren waren.