Fethullah Gülen: Entsorgung der Wissenschaft

BOCHUM. (hpd) Fethullah Gülen, dessen Anhänger sich in der nach ihm benannten Bewegung zusammenfinden, ist ein Islamist und türkischer Nationalist. Die Universität Bochum scheint dennoch keine Probleme damit zu haben, eine Propagandaveranstaltung seiner moslemischen Fans und nichtmoslemischen Unterstützer in ihren Räumen zuzulassen.

Der Imagepflege islamischer Fundamentalisten, verpackt als interkulturelle Verständigung, dient eine „Gülen-Konferenz“, die am 7. und 8. Juni 2010 an der Ruhr-Universität Bochum stattfindet. „Die Gülen-Bewegung im Kontext Europas. Ein Blick auf Nordrhein-Westfalen“ lautet der Titel der Tagung, zu der Organisationen mit den illustren Namen „Interkultureller Dialog e.V.“, „interkulturelles Dialogzentrum e.V.“ und „Rumiforum am Rhein“ aufrufen.

Wie schon die Einleitung der Programmankündigung deutlich macht, geht es bei der Konferenz nicht um eine kritische, wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Gülen & Co. Dort wird Gülen mit überschwänglichem Lob überschüttet, als „herausragender Intellektueller“ und Friedensapostel verkauft und als Humanist, der „eine Kultur universeller menschlicher Werte“ befürworte. Vorangestellt ist der Ankündigung ein Allgemeinplatz, den die Organisatoren wohl für einen besonders weisen Ausspruch Gülens halten: „Menschen mit einem wirklich langen Leben sind nicht jene, die schon sehr alt sind, sondern diejenigen, die ihr Leben so fruchtbar wie möglich gestaltet haben.“

Islamisierung auf leisen Sohlen

Wer ist der Mann, der solche Perlen der Weisheit von sich gibt? Geboren wurde Gülen um 1940 in Ostanatolien in der Türkei. Zunächst war er als Imam der staatlichen türkischen Religionsbehörde Diyanet tätig und schloss sich dem vom 1960 gestorbenen islamischen Prediger Said Nursi gegründeten mystischen Nurculuk-Orden an. Wegen islamistischer Aktivitäten saß er nach dem Militärputsch 1971 einige Monate im Gefängnis, blieb aber im Staatsdienst, aus dem er 1981 ausschied. Danach rief er seinen eigenen Verein ins Leben, als modernisierte Spielart der Nursi-Bewegung. Gülen propagiert eine Synthese aus großtürkischem Nationalismus und Islam, möchte alle „Turkvölker“ vom Kaukasus bis China unter türkischer Herrschaft vereinen. Dieses Projekt schließt die kurdischen Gebiete ein. Ziel ist eine Assimilation der Kurden, die er dazu bringen möchte, sich als osmanische Türken zu verstehen. Dabei ist ihm vor allem die säkulare Kurdische Arbeiterpartei PKK im Wege, die zu seinen Hauptfeinden zählt. 1980 unterstützte er den gegen Linke und Kurden gerichteten Putsch des türkischen Militärs, das sich darüber sehr freute. Seine heutige Strategie ist allerdings nicht auf Umsturz ausgerichtet, sondern auf einen Marsch durch die Institutionen, auf eine schrittweise Übernahme wichtiger Positionen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft der Türkei durch seine Anhänger.

Doch beschränken er und seine Getreuen die Verbreitung ihrer Ideologie nicht auf die Türkei, sondern operieren global. Zu diesem Zweck haben sie in über 50 Ländern ein Netzwerk von Schulen, Universitäten, Koranschulen und Nachhilfeinstituten, von Stiftungen, Medien und Wirtschaftsunternehmen etabliert. Sie legen Wert auf die Erziehung einer wissenschaftlich gebildeten islamischen Elite. Vor allem die Öffnung für die wissenschaftlichen Errungenschaften der Moderne hat Gülen den Ruf eingebracht, Vertreter eines Reformislams und Brückenbauer zwischen den Kulturen zu sein. Diese Öffnung dient allerdings der Erweiterung des eigenen Einflusses. Die reaktionäre, klassisch fundamentalistische Ausrichtung offenbart sich in seiner Feststellung, Wissenschaft sei nur so lange wahr, wie sie dem Koran und den Hadithen (Prophetenüberlieferungen) nicht widerspreche. Sein Weltbild ist von Engels- und Dämonenglauben geprägt, wie aus seinen zahlreichen Büchern und Reden hervorgeht. Im Vordergrund steht für ihn der Kampf gegen Kommunismus, Atheismus und Darwins Evolutionstheorie.

Anders als die meisten anderen islamistischen Strömungen verfügt die Bewegung Gülens bewusst nicht über einen Dachverband. Sie ist dezentral strukturiert, die einzelnen Institutionen und Vereine handeln eigenständig, aber auf der Basis einer gemeinsamen Ideologie und gemeinsamer Ziele. 1999 wurde eine heimlich mitgeschnittene Rede Gülens bekannt, in der er unverblümt zur Unterwanderung des türkischen Staates aufforderte und so den konspirativen Charakter des ganzen Unterfangens offen legte. Das rief die türkische Staatsanwaltschaft auf den Plan, woraufhin er sich in die USA absetzte, wo er heute lebt.

Gülens Unterwanderungsstrategie zeigt Erfolge. Unter anderem verfügt seine Anhängerschaft über Einfluss in der türkischen Regierungspartei AKP, besetzt Schlüsselpositionen im Innen- und im Bildungsministerium und umfasst einen Großteil der Angehörigen der Polizei wie der Lehrerschaft.

Bündnispolitisch kann Gülen ohnehin auf einschlägige Erfahrungen zurückgreifen. Die faschistischen „Grauen Wölfe“ unterstützte er ideologisch und mit Spenden, aus seinen Sympathien für die von diesen abgespaltene islamfaschistisch-nationalistische „Große Einheitspartei“ (BBP), die mutmaßlich hinter der Ermordung des armenischen Journalisten Hrant Dink im Januar 2007 in Istanbul steckt, macht er keinen Hehl.