„Effektheischende Exotik“

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Dr. Barbara Meier, Dr. Arne Steinforth / Foto: exc

MÜNSTER. (exc/hpd) Zur Fußball-WM in Südafrika beklagen Experten ein einseitiges, archaisches Afrika-Bild in den Medien, das auf „effektheischende Exotik“ ausgerichtet sei.

„Ein Großteil der aktuellen Berichterstattung vergibt die Chance, ein differenziertes Bild zu vermitteln. Sie fertigt einen ganzen Kontinent als irrational, archaisch und abstoßend ab und bestätigt damit Vorurteile“, schreiben die Ethnologen Dr. Barbara Meier und Dr. Arne Steinforth in einem Beitrag für die Internetseite des Exzellenzclusters „Religion und Politik“ der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU). Nach ihrer Beobachtung häufen sich “Schauermärchen über ‚okkulte Praktiken‘ im afrikanischen Fußball“. Mit „effektheischenden Ausschmückungen“ würden Opferrituale und Wahrsagesitzungen beschrieben, ohne sie in den kulturellen Zusammenhang zu setzen, beklagen die Afrika-Spezialisten.

Mit Vorliebe zeigen viele Medien laut Meier und Steinforth Ritualgegenstände wie Masken, Trommeln, Knochen, Felle und Muscheln. Der starke Focus auf diese Objekte diene dazu, ein umso fremderes und obskures Afrika-Bild zu konstruieren. "Der sensationelle Charakter der Rituale liege aber allein in den Augen der europäischen Betrachter. „Aus Religion und Alltag der Menschen im südlichen Afrika sind die ‚Wahrsager‘, Männer wie Frauen, nicht wegzudenken. Sie vermitteln nach dortigem Glauben zwischen den Klienten und der übernatürlichen Welt “, so die Ethnologen. Bei Ritualen im Fußball geht es nach ihren Worten selten um „Schadenszauber“ gegen den Gegner, sondern um spirituelle Unterstützung der Mannschaft. Zusätzlich zu Trainerstab, Mannschaftsarzt und Physiotherapeut sei der Ritualspezialist „ein Dienstleister, dessen Arbeit der Leistung von Spieler und Mannschaft zuträglich sein soll“. Meier und Steinforth erforschen am Exzellenzcluster die Einbindung von Geistern in politische Prozesse im südlichen Afrika.

Diskriminierende Wortwahl

Auch die Wortwahl mancher Berichte über „Magie im Fußball“ diskriminiert nach Auffassung der Forscher den Kontinent. „Afrika mit seinen 53 Staaten, Tausenden von Gesellschaften und ebenso vielen Sprachen wird darin zur Heimat von nicht näher bestimmten ‚Stämmen‘, die ihr Schicksal blind in die Hände von ‚Hexenmeistern‘ und ‚Scharlatanen‘ legen.“ Das vermittele „ein exotisches Bild, das dem der ‚Wilden‘ und ‚Kannibalen‘ aus Kolonialtagen in nichts nachsteht.“ Ethnologen diskutieren seit mehreren Jahren intensiv, welche Verantwortung das Fach bei der Darstellung und Analyse „okkulter“ Phänomene hat. Ziel der Fachleute ist es, ihre Erkenntnisse über derartige Praktiken öffentlich zu kommunizieren, ohne dabei überstrapazierte und unzutreffende Stereotype zu verstärken.

Meier und Steinforth betonen in ihrem Beitrag auch, die Idee übernatürlicher Hilfe für fußballerischen Erfolg sei „beileibe keine afrikanische Besonderheit“. Auch in Deutschland knüpften Spieler, Trainer, Fans und Vereine Beziehungen zur Welt des Religiösen. „Spieler berühren beim Einlaufen ins Stadion aus offenbar unerfindlichen Gründen die Seitenauslinie, ihre Brust oder ihre Stirn, Trainer tragen wochenlang rätselhafte Glückskrawatten, Fußballvereine richten christliche Kapellen und eigene Friedhöfe für Fans ein.“

Viola van Melis
Exzellenzcluster „Religion und Politik“