Ist der Islam mit der Demokratie vereinbar? Ja, sagt die türkischstämmige SPD-Politikern Lale Akgün. Im Interview mit dem hpd erklärt sie, wie ein liberaler Islam aussehen sollte und was die Islamverbände richtig gemacht haben.
hpd: Sie sagen, wenn der Islam sich nicht reformiert, dann ist er dem Untergang geweiht. Wie meinen Sie das?
Lale Akgün: Er wird nicht morgen oder nächste Woche untergehen, aber auf Dauer kann man die gesellschaftlichen Entwicklungen nicht aufhalten. Es wird in Zukunft immer weniger Leute geben, die mitmachen wollen.
Schaut man sich in der Welt um, so begegnet man dennoch häufig einem orthodoxen Islam wie in Saudi-Arabien, in Zentralasien, in Teilen Indonesiens und auch in Brunei. Ist der liberale Islam eine Utopie?
Nein, man muss einen Blick in die Geschichte werfen, denken Sie an die Taliban in Afghanistan oder an den Wahhabismus in Saudi-Arabien. Dieser orthodoxe Islam hat sich hauptsächlich in den letzten hundert Jahren entwickelt. Das ist ein politischer Islam und er unterwirft die Menschen einem ideologischen System.
Sie können den politischen Islam auch mit anderen Ideologien vergleichen wie mit einem rigiden Kommunismus oder dem Faschismus. Ich denke, dass einseitige Ideologien irgendwann nicht mehr greifen. Der liberale Islam hingegen ist mit dem Alltag der Menschen kompatibel.
Lassen Sie uns auf Deutschland schauen. Hat der liberale Islam denn hier überhaupt eine Chance? Von außen betrachtet wirkt es so, als seien sogar die liberalen Muslime untereinander zerstritten.
Das liegt nicht am liberalen Islam, sondern an den handelnden Personen und der Rolle, die sie einnehmen. Auch Eitelkeit ist ein Grund.
Der liberale Islam wird in Deutschland von der Mehrheitsgesellschaft sehr positiv aufgenommen und vielleicht möchten diejenigen, die ihn propagieren, im Vordergrund stehen. Wenn dann aber Konkurrenz auftaucht, kann es passieren, dass man sich gegenseitig den Ruhm oder die Anerkennung neidet.
Es hat auch etwas mit den Migranten selbst zu tun, mit einer Minderheitsgesellschaft in einer Mehrheitsgesellschaft. Wer wird am meisten geliebt? Wer wird akzeptiert? Denn oft geht es bei den Diskussionen nicht um Inhalte, sondern um individuelle Befindlichkeiten. Es dreht sich dann nur um die Personen und wen die Deutschen mehr liebhaben. Aber das dient der Sache nicht.
Zudem sind es immer dieselben liberalen Muslime, die man wahrnimmt. Wo sind die anderen?
Das stimmt. Natürlich braucht man Leute, die einen ansprechen. Aber der Islam ist ja keine Partei, er ist eine Weltanschauung. Und deshalb brauchen wir viele Player, damit viele Menschen für einen liberalen Islam gewonnen werden. Wenn sich aber jeder nur selbst darstellen will, dann wird das nix.
Gibt es eigentlich eine muslimische Identität, zumindest behaupten das ja die Islamverbände?
Interessanterweise behaupten das ja nicht nur die Islamverbände, sondern auch die Rechten. Natürlich gibt es keine islamische Identität. Es gibt ja auch keine christliche, keine katholische Identität. Das ist Glaube, nicht Identität. Aber damit versuchen die Islamverbände ganz gezielt, die Menschen auf eine Linie zu bringen, weil hinter der sogenannten islamischen Identität ja auch Dinge stehen, die man machen muss, Regeln, die befolgt werden sollen. Und die rechten Kräfte benutzen dieses Bild ebenfalls, um alle Muslime ausgrenzen zu können. Nach dem Motto: Das sind Muslime, die kann man nicht ändern und deswegen gehören die nicht zu uns.
Also rechte Fundamentalisten und muslimische Fundamentalisten sind Brüder im Geiste, zwei Seiten derselben Medaille?
Absolut. Am Ende sind Ideologien austauschbar.
Aber wie kann es dann sein, dass die Islamverbände von der Politik mehr Unterstützung erfahren als die liberalen Muslime? Was haben die Verbände richtig gemacht?
Sie haben "hier" gerufen. Sie waren da, als in Deutschland die Zahl der Muslime anstieg und sie konnten sich organisieren. Und Deutschland ist ein Land der Organisationen.
Wer einen Verein gründet, wird gehört.
Genau. Wenn man organisiert ist und einen Vereinsvorsitzenden wählt, dann hat man sogleich einen Ansprechpartner für die Öffentlichkeit, der für die anderen mitredet.
Obendrein erhielten die großen Verbände Unterstützung aus dem Ausland wie zum Beispiel aus der Türkei. Ideologisch und logistisch. Und dadurch, dass sie Ansprechpartner der Politik wurden, konnten sie auch die Meinungsbildung im Land gestalten. Und wer die Meinung gestaltet, wird umso wichtiger für die Politik.
Sie fordern eine Reform des Islam. Aber wer soll reformieren?
Es wird niemand morgen auftauchen und sagen "Ich reformiere jetzt den Islam". Wer das behauptet, macht sich zu einer Lachnummer. Wer kann denn bitte für 1,6 Milliarden Muslime sprechen?
Nein, es braucht tausende Menschen für eine Reform, und viele Menschen haben ja auch gute Ideen und wollen etwas verändern. Nicht nur in Deutschland bewegt sich also einiges. Auch in Amerika oder in Frankreich.
Inwiefern ist der Islam eigentlich mit den Frauenrechten vereinbar?
Das kommt auf die Auslegung an, und es hängt von demjenigen ab, der die Religion interpretiert.
Schauen Sie, alle monotheistischen Religionen sind nicht sehr frauen-freundlich. Die großen Weltreligionen haben den Frauen nie irgendwelche Rechte zugestanden, weil es patriarchale Systeme sind. Aber es ändert sich etwas. Sogar aus konservativen Moscheevereinen treten plötzlich dutzende Frauen aus, weil sie sich nicht ernst genommen fühlen.
Auch Traditionen und Kulturen sind einem Wandel unterworfen.
Ja, und deshalb glaube ich, dass ein deutscher Islam möglich ist. Wenn orthodoxe Muslime behaupten, es gebe nur einen Islam, so muss ich widersprechen, denn die Religion geht ja immer eine Symbiose mit der Kultur ein. Sie beeinflussen sich gegenseitig. Muslime in Japan und Muslime in der Türkei leben ja völlig unterschiedlich.
Was sind für Sie die wichtigsten drei Punkte, die angegangen werden müssen?
Für mich ist die Schlüsselfrage die Frauenfrage. Wenn der Islam nicht mehr das Patriarchat bedienen würde, also wenn bestimmte Suren und Hadithe nicht mehr zur Anwendung kämen, weil sie einfach überholt sind – wie die Verhüllung der Frau – dann wäre viel gewonnen.
Vor 1400 Jahren mag das vielleicht sinnvoll gewesen sein, aber heute muss sich niemand mehr hinter einem Vorhang verstecken. Das ist nicht mehr zeitgemäß.
Auch ein Kopftuch ist nicht mehr nötig. Und wenn es doch nötig sein sollte, dann haben wir Frauen bei der Erziehung unserer Söhne etwas falsch gemacht. Wenn unsere Söhne nicht in der Lage sind, ihre Hose zuzulassen, haben wir sie falsch erzogen.
Der zweite Punkt wäre der Umgang mit Andersgläubigen. Der Islam ist keine lokale Religion mehr, sondern eine globale. Er trifft auf Juden, Christen, Hindus, Atheisten, und er muss lernen den anderen in seiner Andersartigkeit zu akzeptieren. Denn tatsächlich ist der Islam ja eine sehr persönliche Religion. Jeder ist für sich selbst verantwortlich. Missionierung widerspricht dieser Eigenverantwortlichkeit.
Und drittens: Es kann nicht sein, dass es neben den Menschenrechten noch muslimische Rechte gibt.
Die Menschenrechte müssten also überall universell sein?
Ja. Man darf nicht alles dem Glauben unterordnen. Und das bedeutet zudem, dass der Islam von der Alltagsgestaltung getrennt sein sollte, sonst unterliegt das ganze Leben Regeln und Verboten. Der Islam muss sich auf seine Rolle der spirituellen Bereicherung besinnen und den Dogmatismus zurückfahren.
Das Gleiche haben wir bei den orthodoxen Juden. In Tel Aviv gibt es sogar ein McDonald's extra für ultraorthodoxe Juden. Am Ende kann der Alltag ja kaum bewältigt werden, weil man weder essen noch trinken darf, was man möchte und es verboten ist, sich irgendwo hinzusetzen.
Trennung von Alltag und Religion ist wichtig, aber Sie setzen sich ja auch für Säkularität ein, also Trennung von Staat und Religion. Leider sieht Ihre Partei, die SPD, das anders. Sie gehören der Gruppe "Säkulare Sozialdemokraten" an, doch es ist Ihnen nicht erlaubt, einen offiziellen Arbeitskreis zu bilden, im Gegensatz zu Muslimen, Juden und Christen. Das muss Sie doch schrecklich ärgern. Erschwert das nicht Ihr Anliegen?
Wir brauchen in Deutschland mehr Säkularität. Über vierzig Prozent der Gesellschaft gehört gar keinem Glauben mehr an, übrigens auch bei den sogenannten Muslimen. Die Moscheen sind genauso leer wie die Kirchen, außer vielleicht freitags.
Die SPD kann diese Entwicklung nicht ignorieren, insbesondere nicht bei Fragen wie die Ablösung der Altlasten, die Kirchensteuer, die rituelle Beschneidung von Jungen, Sterbehilfe und vieles mehr. Da muss die SPD die säkulare Sicht miteinbeziehen. Deswegen erwarten wir, dass die Partei unseren Arbeitskreis akzeptiert und etabliert. Und was die Beschneidung betrifft, es kann doch nicht sein, dass in der Türkei darüber diskutiert wird, in Israel ebenfalls, aber in Deutschland ist es ein Tabuthema. Wenn ich hier den Mund aufmache, kriege ich eins über den Deckel.
Ich kann in der Türkei oder im Iran mit aufgeklärten Menschen viel offener über das Kopftuch diskutieren als hier in Deutschland.
Stellen Sie sich vor, da unterschreiben hier neulich über hundert Professoren aus den Bereichen Pädagogik und Psychologie eine Erklärung, dass sie gegen ein Kopftuchverbot sind bei Mädchen unter vierzehn Jahren.
Deutschland hat ein orthodoxeres Islamverständnis als die Menschen in der Türkei oder im Iran.
Das Positionspapier ist eine Antwort auf die Aktion "Den Kopf frei haben" von Terres des Femmes. Die 110 Damen und Herren, die das unterschrieben haben, lehren an deutschen und österreichischen Universitäten und Hochschulen. Auch fünfzehn Verbände und Vereine haben sich angeschlossen. Mit welcher Begründung stellen sich die Pädagogen denn gegen ein Kopftuchverbot für Kinder?
Angeblich müsse man die Leute da abholen, wo sie sind. So ein Unsinn! Denn das Kopftuch sexualisiert minderjährige Mädchen! Ich bin richtig empört!
Was wünschen Sie sich also von der deutschen Gesellschaft?
Dass wir diskutieren können. Ohne Tabus. Ich wünsche mir eine wirklich offene, demokratische Gesellschaft. Das einzige, was uns alle am Ende des Tages verbindet, ist der Rechtsstaat. Viele sagen, das Grundgesetz, aber es ist der Rechtsstaat, der uns verbindet. Das ist der Rahmen. Und in diesem Rahmen soll jeder frei leben können. Ob muslimisch, jüdisch, christlich, buddhistisch oder atheistisch.
Lale Akgün, Platz da! Hier kommen die die aufgeklärten Muslime, Alibri-Verlag 2018, 18,00 Euro
27 Kommentare
Kommentare
HuGo am Permanenter Link
Ein Islam in Deutschland muss sich demokratiekonform und dem Rechtsstaat bedingungslos unterwerfen, wenn er auf die elementaren Menschenrechte und die Menschenwürde trifft.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
So sehr ich einsehe, dass man Gläubige nicht von heute auf morgen von ihrer Wahnvorstellung eines "Gottes" befreien kann (und auch - wenn wirklich privat betrieben - nicht muss), so sehr sehe ich die Schwier
Der Koran selbst immunisiert sich gegen freie Interpretation - und um nichts anderes geht es bei der Idee des "liberalen Islams" oder des "humanistischen Islams", wie Prof. Khorchide es ausdrückt. Es wäre eine Radikalabkehr von der bisherigen islamischen Praxis vonnöten. Und vor allem: Was bliebe von einem Islam übrig, der seine Jungs (und hin und wieder seine Mädchen) nicht mehr genital verstümmelt? Was bliebe, wenn er nicht mehr schächtet, die Begriffe "halal vs. haram" abschafft, die Geschlechterapartheit beendet (die ein wesentlicher Kern der Monotheismen ist, wie es das orthodoxe Judentum und der Katholizismus bis heute mehr oder minder praktizieren) und die Kleiderordnung aufhebt? Was bliebe, wenn Homophobie und Antisemitismus aufgegeben würden? Was bliebe, wenn das Patriachat abgeschafft würde und der Zwang zum Beten zu unmöglichen Tageszeiten? Oder wenn gar die Missionierung beendet würde?
Dann wären Muslime ganz normale Menschen in Deutschland, die nach und nach ihre Religion vergessen, wie dies die (teil-)säkularisierten Christen auch tun. Und dagegen werden - gerade wegen des Beispiels Christentum - die islamischen Verbände Sturm laufen. Das wäre die Assimilierung, vor der Erdogan 2008 seine Landleute in Köln warnte. Dann wäre vor allem die Zeit des Jammerns vorbei, die Muslime müssten aus ihrer Opferrolle herauskriechen.
Das Entscheidende ist aber: Die Religion - wie jede andere auch - würde ihren Untergang nicht mehr aufhalten können. Denn der Mensch braucht keine Wahnvorstellungen von Geistern im Weltraum.
Nach dem Motto "Prüfe alles und behalte das Gute" würde die Gastfreundschaft der nahöstlichen Kultur bleiben, die Bereitschaft zur Spende und das war es im Wesentlichen. Das alles - inklusive christlicher Nächstenliebe (die ich lieber als "Nächstenverständnis" bezeichnen würde) - und dem jüdischen Witz und Genie soll bleiben und wird bleiben. Und dann werden wir eines Tages lernen, dass uns die Religionen bisher eher im Weg standen, diese positiven Eigenschaften noch besser zu entfalten...
Hans Trutnau am Permanenter Link
"Was bliebe von einem Islam übrig," wenn kein A, kein B, keine Scharia etc.?
Er sollte gleich komplett über Bord geworfen werden.
Doch, das geht, wie wir wissen.
David Zahn am Permanenter Link
Sehe ich ähnlich. Es ist zu wünschen, dass sich Religionen weg von wirren Forderungs- und Machtansprüchen tendenziell in Richtung gemütlicher Wohlfühl-Folklore entwickeln.
Ich gebe nur eines zu Bedenken: Religionen sind nicht alle gleich, genaus so wenig wie Ideologien alle gleich sind. Die einen lassen sich besser an moderne demokratische, humanistische Grundsätze anpassen als die anderen. Und ein paar lassen sich womöglich gar nicht anpassen.
A.S. am Permanenter Link
Frau Akgün ist ja eine nette Person, aber sie hat meines Erachtens nicht verstanden, wozu Religion da ist:
Die Konflikte, die wir in unserer Gesellschaft haben, sind wesentlich durch den Kampf der Relgionsführer (die ihre Anhänger entsprechend instrumentalisieren) um die Oberhoheit gegen den weltlichen, demokratischen Gesetzgeber geprägt. Wer bestimmt über das Recht? Der demokratische Staat oder ein ominöser, unbewiesener, nur behaupteter Gott (hinter dem sich die Kleriker mit ihren höchst weltlichen Interessen zu verstecken wissen). Würde sich der demokratische Staat durchsetzen, wären die Religionsführer in ihrer selbst angemaßten Rolle obsolet.
In diesem fundamentalen Konflikt instrumentalisieren die großen christlichen Kirchen die Muslime und Juden, die wiederum ihre eigenen Spielchen gegen den demokratischen Staat treiben. Letztlich steht der demokratische Rechtsstaat mittlerweile einer Allianz der Religionen gegenüber, die ALLE GEMEINSAM den säkulaten Staat zerstören oder zumindest soweit unter Kontrolle bringen möchten, dass der Staat vor den Religionen kuscht.
Am weitesten sind die Kirchen mit ihren Bemühungen gekommen, die einstmals säkular orientierten Parteien SPD, LINKE, GRÜNE zu unterwandern und die Parteiführungen zu kapern. Gemeinsam installieren diese religionsaffine Verfassungsrichter und halten alle säkularen Kräfte von der Macht im Staate Deutschland fern.
Ich bezweifle, dass Frau Agkün diese Zusammenhänge verstanden hat.
Die säkularen Kräfte in Deutschland können meiner Ansicht nach KEIN Interesse an einem "liberalen" oder "deutschen" Islam haben. Einzig die christlichen Kirchen wünschen sich einen in ihrem Sinne gleichgeschalteten Islam für Deutschland...
Frau Akgün betreibt, ob wissentlich oder unwissentlich sei dahin gestellt, das Spiel der Christlichen Kirchen und das Spiel der Muslime, in Deutschland ihre Machtstrukturen weiter ausbauen zu wollen. Eine Islamisch-Christliche Koalition gegen die Aufklärung also.
Und die naiven Humanisten, die Frau Akgün unterstützen, ebenso.
N.B. Was heißt Aufklärung im 21. Jahrhundert eigentlich?
Meine Antwort: Intelligente, zynische Menschen haben verstanden, dass dümmere Menschen für die Verheißung eines ewigen Lebens im Paradies alles, wirklich alles tun, sogar Flugzeuge kapern und in Hochhäuser lenken oder ihre Nachbarn ermorden.
Diese hochintelligenten Zyniker machen Gebrauch von dieser Einsicht zu ihrem eigenen Vorteil. Das Ganze nennt man Religion. Und damit der Schwindel nicht allzu augenfällig wird, werden zur Tarnung auch ein paar "gute Taten" veranlasst.
Wenn man sich klar macht, dass man es bei den Religionsführern mit hochintelligenten Zynikern und gewieften Menschen-Lenkern zu tun hat, wundert man sich über nichts mehr, keinen sexuellen Missbrauch, keine "heiligen Kriege".
Wer, wie viele Humanisten, Religion für harmlosen, uns bereichernden Aberglauben hält, ist in meinen Augen naiv.
Rüdiger von Gizycki am Permanenter Link
"Religion ist dazu da, Menschen zu steuern, vorzugeben, wie die Menschen sich im Alltag zu verhalten haben.
So pauschal kann das nicht gesagt werden und ist sicher auch falsch. Es kommt darauf an, was durch die Initialzündung Religiosität jeweils persönlich geglaubt wird. Die Beschreibung von Religion im Sinne Gustav Menschings macht das deutlich. Ich zitiere WIKIPEDIA: "Eine substantialistische Definition etwa nach Gustav Mensching lautet: „Religion ist erlebnishafte Begegnung mit dem Heiligen und antwortendes Handeln des vom Heiligen bestimmten Menschen.“ Von einem Gott ist nicht die Rede. Und was bedeutet heilig? WIKIPEDIA:"Heilig bezeichnet etwas Besonderes, Verehrungswürdiges und stammt wortgeschichtlich von Heil ab, was sich abgeschwächt noch in heil („ganz“) wiederfindet (vgl. englisch holy ‚heilig‘ – von whole). Im allgemeinen Sprachgebrauch ist heilig ein im Zusammenhang mit Religion gebrauchter Begriff mit der zugedachten Bedeutung „einer Sphäre des Göttlichen, Vollkommenen oder Absoluten angehörig“. Das kann auch das Leben in all seiner Vielfalt sein. Was der Mensch persönlich zum Heiligen erklärt, ist die Grundlage sein Glaubens. Von Vorgabe ist auch nicht die Rede. Der Mensch ist selbst verantwortlich dafür, nicht die Vorgabe von irgendwelchen Schriften, Priestern, Mullahs oder Heiligen Schriften. Religion an sich kann für das Verhalten des Menschen nicht verantwortlich gemacht werden, nur der Mensch mit seiner Art und Weise zu glauben und wie er diesen auslebt.
A.S. am Permanenter Link
Sehr geehrter Herr von Gizycki, die Wikipedia schreibt über Religion, was die Kirchen allgemein behaupten. Ich teile die dort wieder gegebene Lehrmeinung nicht.
Was sind die "10 Gebote" denn anderes als Vorschriften, wie Menschen sich verhalten sollen? Es handelt sich eindeutig um eine Urform der Gesetzgebung, autorisiert durch Hokuspokus. Ich kann das als historisches Phänomen sehen und zeitbezogen auch würdigen.
Manche dieser Vorschriften sind ja durchaus brauchbar und haben Eingang in die staatliche Gesetzgebung gefunden. Auch damit habe ich kein Problem.
Woran ich mich stosse ist, das auch in heutigen Zeiten noch Politiker ihr Handeln mit den sogenannten "heiligen Schriften" rechtfertigen und völlig überholte Verhaltensregeln ihren Mitmenschen vorschreiben und an tuen wollen wie z.B. die Beschneidung, Steinigung, Hand abhacken, Auspeitschen, ... .
Und: Die Vernebelungstaktik von öffentlicher Seite.
Haben Sie sich schon mal gefragt, warum unsere Herrschaftseliten so großen Wert darauf legen, dass wir alle an Gott und den ganzen Blösinn glauben sollen?
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Klare Sicht der Dinge und ein absolut wünschenswerter Ansatz. Chapeau !
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Sollte in dem Kommentar darüber stehen.
Hans Trutnau am Permanenter Link
Das islamische Strafrecht, die Scharia, wurde hier nicht angesprochen?
'Fragt nicht die Muslime, fragt die Minderheiten' - wie es Hamed A.S. meint:
David Zahn am Permanenter Link
Ist ein deutscher Islam möglich? Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Aber ganz sicher nicht, wenn wir uns ständig belügen, wie mit dieser unwahren Behauptung:
"Dieser orthodoxe Islam hat sich hauptsächlich in den letzten hundert Jahren entwickelt."
Ein moderner Islam wird erst dann möglich sein, wenn er ehrlich reflektiert wird. Sein Problem ist: Wenn er ehrlich und modern reflektiert wird, bricht vieles weg von dem, was ihn ausmacht.
Klaus D. Lubjuhn am Permanenter Link
Was aktuell in der muslimischen Welt zählt, ist nicht das philosophisch geprägte Islamverständnis eines Ibn Ruschd, das auch seinerzeit nicht breitenwirksam war.
Gabriele Wruck am Permanenter Link
"Seit 2015 sind durch massenhafte Immigration v.a. Menschen mit reaktionärem Islamverständnis nach Europa und Deutschland gekommen."
Das kann man natürlich für einen Zufall oder "Schicksal" halten.
Ich persönlich denke nicht, dass Frau Merkel so zügig von ihrem Befehl abgerückt wäre, wenn lauter syrische Atheistinnen vor der Tür gestanden hätten.
Roland Schütze am Permanenter Link
Gute Frage!
A.S. am Permanenter Link
Atheistische Flüchtlinge haben es besonders schwer, in Deutschland Aufnahme zu finden. So erzählen es zumindst Leute vom "Zentralrat der Ex-Muslime".
Manchmal frage ich mich, ob die Kirchen nicht in ihre eigene Falle getappt sind. Seit Ende des 2. Weltkriegs behaupten die Kirchen landauf landab, die Religionen wären wichtig für den Frieden. (Meiner Ansicht nach tun die es, um von ihrer Unterstützung für Hitler und seinen Krieg gegen die "gottlosen Bolschwiken" abzulenken.)
Und jetzt kommen Muslime und machen sich mit dem selben Märchen hier breit. Die von den Kirchen für dumm verkauften Gläubigen glauben das den Muslimen natürlich auch.
Würden die Menschen statt den Sirenengesängen der Kirchen zu lauschen ihre Augen aufmachen, würden sie sehen, welche Rolle Religion bei den Kriegen spielt: Psychologische Kriegsunterstützung.
Frau Akgün kopiert mit ihren Thesen die Verdummbeutelungsstrategie der Kirchen.
Klaus Bernd am Permanenter Link
„die Religion geht ja immer eine Symbiose mit der Kultur ein“ zweifellos ein Kernsatz der Religionswissenschaft, den man denen, die leichtfertig pauschal von „Islam“ oder von „Christentum“ … reden, nicht oft genug ins
„Deutschland hat ein orthodoxeres Islamverständnis als die Menschen in der Türkei oder im Iran.“
Bei aller Abneigung diesen 110 Unterzeichnern gegenüber und bei allem Verständnis für die provokative Überspitzung möchte ich dieser Formulierung doch vehement widersprechen. Auch mehr als hundert deutsche Professoren sind nicht Deutschland, und „die Menschen in der Türkei oder im Iran“, die ein weniger orthodoxes Islamverständnis haben als „Deutschland“, sind gewiss in der Minderheit und sind nicht „die Türkei“ und nicht „der Iran“. Ich würde hier lediglich gelten lassen: Mehr als hundert deutsche Professoren – studieren viele von ihnen zufällig auch Theologie ? - haben ein orthodoxeres Islamverständnis als viele/manche/einige (?) Menschen in der Türkei oder im Iran oder in Deutschland. Umgekehrt muss man sagen, dass Türkei und Iran ein deutlich orthodoxeres, ja sogar fundamentalistisches Islamverständnis haben als die 110 deutschen Professoren. Dass dort 110 Professoren eine Petition gegen die Kopftuchpflicht unterschreiben (und das überleben), ist schließlich undenkbar.
A.S. am Permanenter Link
Sehr geehrter Herr Bernd, ich halte das Verhältnis von Kultur und Religion nicht für eine Symbiose, sondern eher für "siamesiche Zwillinge". Jeweils das eine wird mit dem anderen verschwinden.
Chr. Nentwig am Permanenter Link
Ich wünsche Frau Lale Akgün viel Glück und viel Erfolg. Ganz ehrlich.
Und wenn ich mir überlege dass heute noch, jedes, Jahr bis Mai 9-10 jährige Kinder im Kommunionunterricht mit hirnrissigen "Wahrheiten" gequält werden, ihre Freizeit für diese Märchen beschnitten wird, dann sehe ich nochmal schwarz...
Chr. Nentwig
Klarsicht(ig) am Permanenter Link
Kritik:
Frau Akgün sieht sich als „säkulare Muslimin“. Wie funktioniert ein solcher Mensch. Denkt und verhält er sich nach dem Zufallsprinzip mal säkular und mal muslimisch oder teilt er seinen Tagesablauf in zeitliche Abschnitte auf, in denen er planvoll ausschließlich säkular oder muslimisch denkt und handelt ?
Frau Akgün wünscht sich eine „zeitgemäße Interpretation des Islams, die nicht mit individueller Freiheit und Gleichberechtigung kollidiert“. Die „islamische Ideologie“ ist inhaltlich aber so beschaffen, dass eine solche Interpretation völlig ausgeschlossen ist. Jedenfalls ist sie nicht möglich, wenn man intellektuell redlich bleiben möchte.
Frau Akgün meint: „Auf die Tatsache, dass diese Verbände (gemeint ist der Zentralrat der Muslime in Deutschland [ZMD] u. a.) einen konservativ bis orthodoxen Islam mit dem entsprechenden Weltbild vertreten, wurde von politischer Seite nicht eingegangen.“
Der Vorsitzende des ZMD, Herr Aiman Mazyek, benutzt gerne den Begriff „Kulturrassismus“, um damit Kritiker des Islam zu diffamieren. Es erstaunt mich, dass auch Frau Akgün sich nicht scheut, diesen Begriff zu verwenden. Denn sie behauptet: „Die AfD hat den Islam zum Objekt ihres rassistischen Weltbildes erklärt, wobei der Kulturrassismus alle Erklärungsmodelle des Blut- und Bodenrassismus übernommen hat.“ Es ist mir neu, dass Kultur (z. B. Islam) eine Rasse ist. Wenn das so ist, könnte man den Begriff Rasse auch weiter inflationieren, indem man z. B. die Begriffe Politik-, Parteien-, Meinungs-, Denk- oder Weltanschauungsrassismus einführt.
Frau Akgün meint: „Und man gibt ihnen Zunder, wenn man diejenigen unterstützt, die gar nicht in dieser Gesellschaft ankommen wollen. Und dazu zählen meiner Meinung nach neben der DİTİB auch der Islamrat und der Zentralrat der Muslime.“ Wenn Frau Akgün dieser Meinung ist, sollte sie davon absehen, den Begriff „Kulturrassismus“ zu verwenden. Denn mit dessen Verwendung rückt sie sich in die Nähe des „konservativ bis orthodoxen“ islamischen Weltbildes des Herrn Mazyek.
Frau Akgün fragt: „Wie wäre es daher, wenn man Muslime ganz normal als Inländer sehen könnte, also als deutsche Bürger und nicht als 'muslimische Mitbürger' ?“ Gegenfrage: Wie wäre es, wenn die „muslimischen Mitbürger“ darauf verzichten würden, mit zunehmender Tendenz sehr viel dafür zu tun und sehr darauf zu achten, dass man sie als Muslime im öffentlichen Raum und auch anderen Ortes wahrnimmt ? Auch Frau Akgün möchte scheinbar als Muslimin wahrgenommen werden, indem sie erklärt, dass sie eine „säkulare Muslimin“ (siehe oben) sei.
Anmerkung:
Die hier verwendeten Zitate hinsichtlich der Frau Akgün stammen aus folgender Quelle:
http://www.alibri-buecher.de/docs/Probetext298.pdf
Gruß von
Klarsicht
Ich hoffe, dass mein obiger Kommentar veröffentlicht wird. Gleichfalls hoffe ich, dass mein anderer Kommentar auch noch veröffentlicht wird, den ich nachstehend noch einmal wiederhole:
[Anm. d. Mod.: Der Kommentar wurde nicht veröffentlicht, da es sich um einen Wiederholungkommentar handelte, der zudem einen nicht überprüfbaren Link beinhaltete.]
A.S. am Permanenter Link
@Klarsicht: Die Positionen von Frau Akgün sind derart in sich widersprüchlich, dass ich in ihnen nur eine Mogelpackung erkennen kann, den sprichwörtlich alten Wein in neuen, aufgehübschten und an die aktuellen Politik
Kay Krause am Permanenter Link
Nachdem Wir Deutschen es seit Kriegsende, seit Bestehen der BRD, weder zu einem real säkularen Staat geschafft haben, noch eine reale Trennung zwischen staat und Kirche herbeiführen konnten, nachdem - ganz im Gegentei
die katholischen und protestantischen Machthaber endlich in ihre Schhranken zu verweisen, und die Milliardenbeträge, die wir ihnen jährlich in's stets offene maul stopfen, für umweltschonende und soziale zwecke bereit zu halten! Nein! Noch so einen Religions-Diktator und Schmarotzer brauchen wir nicht!
'rum tritt aus, tritt aus!
aus dem bigotten Kirchenhaus!
Glauben, Beten kannst du auch zuhaus!
Tritt aus!
denn Kirche hat sich schon bald selbst erledigt.
Wo kein Publikum,
da wird auch nicht gepredigt!
Konrad Schiemert am Permanenter Link
Wenn eine Religion ihre "Light"-Ausgabe hat, dann wäre wünschenswert in ihrer heiligen Schrift die einzelnen Sätze mit "Aktuell", "Nur symbolisch" oder "Veraltet" Bemerkungen zu
Dagmar Rehak am Permanenter Link
Eine so schwere Körperverletzung, wie es die sexuelle Verstümmelung ist, ist strafbar, auch wenn diese Straftat ins Elternrecht aufgenommen wurde, was natürlich ein Ding der Unmöglichkeit ist.
Und was ist mit den Ärzten? Seit wann dürfen Ärzte auf Zuruf der Eltern einem Kind gesunde Körperteile amputieren? Das ist ebenfalls ein Ding der Unmöglichkeit.
Die Täter gehören angemessen bestraft, den "Eltern" gehört das Sorgerecht entzogen, wenn sie daran auch nur denken, und zwar VOR der Tat, die Opfer haben lebenslänglich Anspruch auf angemessenen Schadenersatz - soweit das überhaupt möglich ist.
Die zivilisierte Welt schaut da nicht mehr zu. Dieses Verbrechen muss weltweit beendet werden.
Hans Strohschein am Permanenter Link
Ja was denn nun? Ist ein deutscher Islam begrüßenswert?
Oder "betreibt Frau Akgün ... das Spiel der Christlichen Kirchen und das Spiel der Muslime, in Deutschland ihre Machtstrukturen weiter ausbauen zu wollen. Eine Islamisch-Christliche Koalition gegen die Aufklärung also. Und die naiven Humanisten, die Frau Akgün unterstützen, ebenso.", wie A.S. meint?
Zum Glück gibt es ja doch noch ein paar gemäßigte vernünftige Stimmen, die nicht nur reine Religionshetze unters Volk (oder in den Chat) bringen.
Aber wie man bei dem Thema eines deutschen Islam auf
9-10 jährige Kinder kommen kann, die "im Kommunionunterricht mit hirnrissigen "Wahrheiten" gequält werden" und deren Freizeit für diese Märchen beschnitten wird, bleibt mir ein Rätsel.
Kay Krause am Permanenter Link
Die Frage, die Sie anfangs stellen, Herr Strohschein, halte ich durch die vorangehenden Kommentare für ausreichend beantwortet!
Thomas R. am Permanenter Link
Nein, Frau Akgün, es gibt keine "aufgeklärten" Muslime (oder Religioten anderer Art), denn Beharren auf falschen Überzeugungen ist das Gegenteil dessen, was eine aufgeklärte Geisteshaltung ausmacht.
Carola Dengel am Permanenter Link
Was hat an dieser Stelle "Das Positionspapier zum Kinderkopftuch" zu suchen ? ",
vom 'Netzwerk Rassismuskritische Migrationspädagogik, März 2019'. In diesem Papier wird heftig gegen die Kampagne von Terre Des Femmes gewettert. Frau Akgün hingegen ist eine der Unterstützerinnen der Kampagne von Terre Des Femmes.