Alte Genome werfen neues Licht auf die frühesten Europäer und ihre Beziehungen zu den Neandertalern

Erbgut der frühesten Europäer

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Nische in Sektor 1 (links) und der Hauptsektor (rechts) der Bacho-Kiro-Höhle in Bulgarien während der Ausgrabungen 2016. Der zementierte Bereich im Vordergrund wurde bereits in den 1970er Jahren untersucht. Die neuen Grabungen schließen an die von damals an.
Bacho-Kiro-Höhle in Bulgarien

Ein internationales Forscherteam hat die Genome der ältesten sicher datierten modernen Menschen in Europa sequenziert, die vor rund 45.000 Jahren in der Bacho-Kiro-Höhle in Bulgarien lebten. Durch den Vergleich ihrer Genome mit den Genomen von Menschen, die später in Europa und in Asien lebten, zeigen die Forscher vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig, dass diese frühe Menschengruppe in Europa Gene zu späteren Menschen, insbesondere zu den heutigen Ostasiaten, beigetragen hat. Die Forscher identifizierten auch große Abschnitte von Neandertaler-DNA in den Genomen der Menschen aus der Bacho-Kiro-Höhle, was zeigt, dass sie Neandertaler-Vorfahren innerhalb der ungefähren zurückliegenden fünf bis sieben Generationen in ihrer Familiengeschichte hatten. Dies deutet darauf hin, dass eine Vermischung mit Neandertalern eher die Regel als die Ausnahme war, als die ersten modernen Menschen in Europa ankamen.

Letztes Jahr berichtete ein Forscherteam unter der Leitung von Forschern des Nationalen Instituts für Archäologie mit Museum der Bulgarischen Akademie der Wissenschaften und des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie, Deutschland, über die Entdeckung moderner menschlicher Überreste, die in direktem Zusammenhang mit Steinwerkzeugen aus dem frühen Jungpaläolithikum an der Fundstelle der Bacho-Kiro-Höhle in Bulgarien gefunden wurden, der frühesten Kultur, die mit modernen Menschen in Eurasien in Verbindung gebracht wird. Die ältesten Individuen in der Höhle wurden mittels Radiokarbon-Datierung zunächst auf ihr Alter geschätzt. Nun haben Mateja Hajdinjak und ihre Kollegen die Genome von fünf Individuen sequenziert: Vier Individuen sind zwischen 43.000 und 46.000 Jahre alt. Es handelt sich damit um die früheste bekannte Ausbreitung des modernen Menschen über die mittleren Breiten Eurasiens.

Ein weiteres in der Höhle gefundenes Individuum ist etwa 35.000 Jahre alt und wurde mit Steinwerkzeugen eines späteren Typs gefunden. Bisher war man davon ausgegangen, dass die Vertreter des anfänglichen Jungpaläolithikums ausstarben, ohne genetisch zu den später eintreffenden modernen Menschen beizutragen. Die Forscher zeigen nun jedoch, dass die ältesten Individuen aus der Bacho-Kiro-Höhle, oder mit ihnen eng verwandte Gruppen, Gene zu den heutigen Menschen beigetragen haben. Überraschenderweise findet sich dieser Beitrag vor allem in Ostasien und Amerika und nicht in Europa, wo die Menschen aus der Bacho-Kiro-Höhle lebten. Diese genetischen Verbindungen nach Asien spiegeln die Verbindungen zwischen den anfänglichen jungpaläolithischen Steinwerkzeugen und den persönlichen Schmuckstücken, die in der Bacho-Kiro-Höhle gefunden wurden, und den Werkzeugen und dem antiken Schmuck, die in ganz Eurasien bis zur Mongolei gefunden wurden, wider.

Genetische Unterschiede zwischen Individuen

Wichtig hierbei ist, dass das spätere 35.000 Jahre alte Individuum, das auch in der Bacho-Kiro-Höhle gefunden wurde, zu einer Gruppe gehörte, die sich genetisch von den früheren Bewohnern der Höhle unterschied. Dies zeigt, dass die früheste Geschichte des modernen Menschen in Europa turbulent gewesen sein könnte und Bevölkerungsaustausch beinhaltete.

Die frühesten Menschen in der Bacho-Kiro-Höhle lebten zu einer Zeit, als es noch Neandertaler gab. Die Forscher scannten daher ihre Genome nach Fragmenten von Neandertaler-DNA: "Wir fanden heraus, dass die Individuen aus der Bacho-Kiro-Höhle einen höheren Anteil an Neandertaler-Abstammung hatten als fast alle anderen frühen Menschen, mit Ausnahme eines rund 40.000 Jahre alten Individuums aus Rumänien. Entscheidend ist, dass der größte Teil dieser Neandertaler-DNA in extrem langen Abschnitten vorliegt. Das zeigt, dass diese Individuen Neandertaler-Vorfahren hatten, die etwa fünf bis sieben Generationen zurück in ihren Stammbäumen liegen", sagt Mateja Hajdinjak.

Obwohl bisher nur eine Handvoll Genome von modernen Menschen, die zur gleichen Zeit in Eurasien lebten wie die letzten Neandertaler, geborgen wurden, haben fast alle diese Individuen einen kürzlich vor ihnen lebenden Neandertaler-Vorfahren. "Die Ergebnisse legen nahe, dass sich die ersten modernen Menschen, die in Eurasien ankamen, häufig mit Neandertalern vermischt haben. Sie könnten sogar in den ansässigen Neandertaler-Populationen aufgegangen sein. Erst später kamen größere moderne Menschengruppen an und verdrängten die Neandertaler", sagt Svante Pääbo, der die genetischen Untersuchungen koordinierte. (mpg)

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