Einwanderungswillige kommen in Käfige, Kinder werden von ihren Eltern getrennt: Die US-Administration unter Donald Trump tritt die Menschenrechte mit Füßen. Und beruft sich dabei auf Gott und die Bibel. Ein Widerspruch? Aber nicht doch!
Gott ist das Gesetz. Das ist seine einzige sinnvolle gesellschaftliche Funktion. Der christliche Gott und die Menschen haben einen langen, ausgedehnten Knatsch miteinander, ihre gemeinsame Geschichte beginnt als ein Rechtsakt. Gott spricht ein Verbot aus, die Menschen übertreten es, Gott verhängt eine Strafe und vollstreckt sie auch gleich: Raus aus dem Paradies, ihr! Sein Verständnis von Recht und Gewaltenteilung ist dabei nicht das unsere. Gott ist Gesetzgeber, an dessen wie auch immer abstruse Ge- und Verbote ("Nicht von dem Baum da essen!") man sich zu halten hat. Gott ist, da allwissend, eine Ermittlungsbehörde wie sie in ihrer Perfektion noch keine Diktatur hat aufbauen können. Und Gott straft, wohlgemerkt zunächst einmal ohne gesetzliche Grundlage, einfach aus dem göttlichen Bauch heraus.
Seine Strafe hat dabei keine Abschreckung im Sinn, denn die Tat "Erbsünde" wird dank paradiesischer Grenzschließung nicht wiederholbar sein. Aus demselben Grund ist auch eine Reintegration der Täter in die ihnen bekannte Gesellschaft keine Motivation bei Strafbemessung und Vollzug. Denn diese Paradiesgesellschaft ist ja als Teil der Strafe nun aufgelöst worden. Gottes Strafe ist maßlos bis hin zur generationenübergreifenden Sippenhaft, und an ihrer Maßlosigkeit kann man ablesen, dass für das Strafmaß vor allem diese Erwägung wichtig war: wie sehr die Eitelkeit der Gottheit verletzt worden ist. Der Gesetzgeber (rückwirkend), Richter und Vollstrecker ist hier zudem auch noch das Opfer der Tat: Folgerichtig muss hier also von Selbstjustiz die Rede sein, einem Akt von ganz herab zudem, der sich eigentlich nur mit einem Staatsterror wie dem Bombardieren der eigenen Bürger vergleichen lässt.
Dieser Terror ist nun nicht ganz so schlimm, denn er findet ja nur in einer religiösen Fiktion statt. Dennoch hat er, seit der Gott als Denkfigur eingeführt wurde, Auswirkungen auf die echte Welt: Denen, die an ihn glauben, droht er mit seinem Potenzial maximaler Gewalt, und schafft so die Voraussetzung dafür, dass man ihm überhaupt zuhört. Je weniger vorhanden man ist, desto größere Kräfte muss man ja haben, um auf die Welt einwirken zu können. Gottes Nichtvorhandensein bedingt seine absolute, kolossale Allmacht, wenn er denn mehr sein soll als eine x-beliebige Märchenfigur. Wo andere Sagengestalten, wie Nixen oder Heinzelmännchen, der Unterhaltung, der punktuellen Warnung und möglicherweise auch der Tradierung einer bestimmten Moral dienten, so ist Gott ja dafür vorgesehen, in größeren Gesellschaften eine rigide Ordnung zu schaffen, auf der Grundlage der Unterwerfung der Menschen unter seinen vermeintlichen Willen.
Daher ist er ein Allschöpfer und Allvernichter, und nie um ein sadistisches Massaker verlegen, wenn er wieder seine Wut hat. So bleibt ja selbst trotz seines Cameo-Auftritts als Jesus und seiner großen Vergebungsnummer letztlich die im großen Opernstil durchgeführte Vernichtung der Welt sein Endziel. Gewaltbereitschaft bis dorthinaus ist also die Geschäftsgrundlage dieses Gottes, zudem muss er zwingend als extrem launenhaft entworfen werden, denn wären seine Attacken und Strafexpeditionen berechenbar, so müsste man ihn ja täglich in der Realität erleben können. Jede Sünde fände ihre Strafe, klug zugemessen und direkt umgesetzt von Gott. Nun wissen aber alle Menschen auf der Welt aus eigener Erfahrung, dass es einen solchen Mechanismus nicht gibt. Jeder Meckeronkel in der Nachbarschaft wirkt stärker auf die Welt ein als Gott, Sünden oder Gesetzesverstöße ziehen niemals automatisch göttliche Sanktionen nach sich. Deswegen fällt es leicht, Gott als inaktiv zu erleben und seine Abwesenheit oder mindestens ein komplettes Desinteresse seinerseits zu erahnen.
Mit einem solchen desinteressierten Gott aber ist kein Staat zu machen. Als Gesellschaftsordner muss er also, obwohl er nie und nirgends greifbar ist, dennoch dräuen. Jederzeit kann es soweit sein, dass er zuschlägt und deine Stadt mit brennendem Schwefel bewirft! Man weiß nie! So ist der Bibelgott eine furchtbare Instanz, die einerseits rigide auf die Einhaltung von Regeln pocht, andererseits aber vollkommen erratisch, ja, terroristisch agiert. Gott ist ein Choleriker, gut kann man ihn sich als Quartalssäufer vorstellen, der dann und wann seinen Koller bekommt, immer auf der Grundlage einer gewissen Unzufriedenheit, vermutlich über seine Schöpfung, die ihm, trotz behaupteter Allmacht und Vollkommenheit, irgendwie doch nicht so gut geraten ist. Um seine Stellung als Top-Down-Terrorist und somit durchaus hassenswert zu verschleiern, hat man ihm die Geschichte von der Erbsünde mitgegeben, die da behauptet, letztlich sei ja alles unsere eigene Schuld.
Gott sorgt für Ruhe und Ordnung. Durch Unterwerfung. Seine zentralen Auftritte in der Bibel handeln immer von Strafe und Gesetz. Er schafft und vernichtet, und für die Zeit dazwischen gibt er die Regeln vor. Er gibt keinen Yogaunterricht, er erklärt den Kindern nicht das Wirken der Natur, erzählt keine guten Witze, streichelt niemanden, verschenkt keine Kulturtechniken, kümmert sich um nichts wirklich. Im Paradies überlässt er die Leute sich selbst, und in der Zeit danach dann, unter anderen Vorzeichen, auch. Sollen die doch sehen, wie sie ohne ihn klarkommen. Gott agiert eigentlich mehr wie ein unmotivierter Affenwärter im Zoo denn wie ein liebender Vater, er macht keine schönen Sonntagsausflüge mit seinen Geschöpfen, er sorgt nicht für Frienden unter ihnen, erfindet ihnen nicht das Theater, die Musik oder wenigstens ein bisschen Internet. Alles, was ihn interessiert, ist, dass man ihn verehre. Erstens. Zudem: Ruhe und Ordnung. Gott pflegt, sich in Anweisungen zu äußern. Zehn Gebote haut er raus, oder zumindest kommt Moses mit denen vom Berg wieder runter, und sie sind eingesponnen in einen ganzen großen, grausig-skurrilen Gesetzeskatalog bis hin zu der Anweisung, dass man als Soldat eine Schippe mit sich führen soll, um seinen Stuhlgang zu begraben. Der gesamte Gesetzgebungsprozess ist dabei das Gegenteil von dem, was wir uns als demokratisch vorstellen. Das Gesetz wird einfach vom Anführer überbracht, es findet keine Abstimmung statt. Es erstaunt wenig, dass die Schattengestalten aus Trumps Kamarilla genau diesen Gott, diese freiheitsfeindliche, intolerante, antiaufklärerische, bedrohliche Figur, so sehr lieben und ihre Bibel zücken, wann immer sie sich aus den Widrigkeiten der Realität zu retten haben: Denn Gott ist das Gesetz, er toppt alles. Er toppt Sachlagen, toppt die Vernunft, toppt demokratische Prozesse. Und immer öfter toppt dieser vorgebliche Gott der Liebe auch die basalste menschliche Empathie: Maria und Josef wären als Flüchtlinge vermutlich in Käfige gesperrt worden, und das Jesuskind von ihnen getrennt, hätten sie heute versucht, in die USA einzureisen.
Das hält einen Jeff Sessions, einen Mike Pence und eine Sarah Huckabee Sanders nicht davon ab, sich auf die Bibel zu berufen, aus deren mächtigem Wust sich mühelos ein paar Stellen herausklauben lassen, in denen, konsequent, die totale Unterwerfung unter die Obrigkeit verlangt wird, und die also ihr ganzes vorgeblich heiliges Buch jedes ethischen Ansatzes berauben und zu einer Propaganda für die fragwürdige Sekundärtugend der Gehorsamkeit herabwürdigen.
Gott ist das Gesetz. Das Gesetz kommt von oben. Es dient dazu, den Staat zusammenzuhalten. Gottes zentraler Auftritt erfolgt in einem Moment, da der Staat in seiner frühen Form bedroht ist: Das Volk Israel, heimatlos durch den Nahen Osten irrend, zerfranst sich in Vergnügungen. Gott (oder doch Moses?) droht, seine Macht über dieses Volk zu verlieren. Also erfindet er das Gesetz. Die Gesetze. Sie sollen sein Team wieder zusammenzurren, sollen für Recht und vor allem für Ordnung sorgen, und niemals gibt es auch nur den Funken einer Idee, dass das Volk sich seine Gesetze besser selber geben sollte. Dass eine Absegnung durch die Menschen selber viel mehr wert wäre als der Segen durch eine hypertrophe Gewaltandrohung. Gott ist das Gegenkonzept zu Demokratie und Freiheit, und darin ist er weitgehend auch das Gegenmodell zur US-amerikanischen Verfassung. Der Trump-Bande ist das egal. Sie halten ihren Gott fest in der Hand, und er ist nicht die Liebe, die Hoffnung. Dieser Gott ist eine Waffe, die bei Bedarf ohne Bedenken zum Einsatz gebracht wird. Er steht für Recht als willkürliche Anordnung der Machthaber. Jeder Politiker, der sich auf den Gott der biblischen Überlieferung beruft, steht damit gegen die Grundüberzeugungen der Demokratie.
8 Kommentare
Kommentare
renate huber am Permanenter Link
lasset uns beten, dass der trump-bande endlich hörner wachsen, auf dass alle welt es sehe und buße tue!
http://www.kater-sokrates-philosoph.de/index.php/buecher
Hans Trutnau am Permanenter Link
Was für eine Formulierung (!):
"trotz seines Cameo-Auftritts als Jesus".
Cameo-Auftritt - ich lach mich schlapp...
Aber ich sehe durchaus den Ernst der Lage.
henry burchardt am Permanenter Link
lieber klaus ungerer,
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Dem ist nichts mehr hinzuzufügen, jedes Wort ist richtig und es ist eine Schande für die Menschheit dass die Vernunft, von solchen Leuten derartig unterdrückt werden kann.
Wolfgang am Permanenter Link
Vernunft und Christentum? Da liegen wahre Welten dazwischen. Dummheit ist eine Epidemie,
unheilbar.
Intelligenz hat sich noch nie zu einer Epidemie aufgeschwungen. Dafür sorgt schon ein Kreuz!
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Diese Volksverdummung hat ein perfides System und beginnt schon im Vorschulalter wo man
Dieter Bauer am Permanenter Link
.....auf den Gott der biblischen Überlieferung beruft ....
Helmut Debelius am Permanenter Link
Großartige Argumente gegen das absurde Konstrukt der Christologie!