Um den Weltrekord im "selektiven Zitieren" kämpft die Anthroposophie schon lange mit – dank Spitzen-Anthroposophen wie Ralf Sonnenberg und Detlef Hardorp. Auf der Website "Anthroposophie gegen Rassismus" der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland wird aktuell ein neuer "Wahnsinns"-Rekordversuch unternommen.
Wenn die "Geister des Lichts" mit den "Geistern der Finsternis" die Rolle tauschen, und Rassismus, der vorher gut war, "plötzlich"1 schlecht wird: ist das ein Hinweis auf Antirassismus bei Rudolf Steiner – oder auf seinen Wahn?
Selber lesen, selber entscheiden, ob Rudolf Steiner nur "ugs." – "umgangssprachlich" – "einen an der Waffel hatte"2, oder bei ihm auch eine "klinische Diagnose" zu stellen ist, Zitat Rudolf Steiner:
"Denn während alles dasjenige, was auf die Herrschaft des Blutes gebaut war, Fortschritt bedeutete, solange das Blut unter der Herrschaft der Geister des Lichts war, bedeutet es unter der Herrschaft der Geister der Finsternisse Niedergangserscheinung. (…)
Ein Mensch noch des 14. Jahrhunderts, der gesprochen hat von dem Ideal der Rassen, von dem Ideal der Nationen, der hat gesprochen aus den fortschreitenden Eigenschaften der menschlichen Entwickelung heraus;
ein Mensch, der heute von dem Ideal von Rassen und Nationen und Stammeszusammengehörigkeiten spricht, der spricht von Niedergangsimpulsen der Menschheit."
Die letzte Textpassage findet sich als Werbeaussage für Rudolf Steiners vermeintlichen Antirassismus auf der Webseite "Anthroposophie gegen Rassismus" der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland. Das "ein Mensch" in Kleinschreibung hinter dem Semikolon3 wurde in "Ein Mensch" in Großschreibung als Satzanfang verwandelt: um zu verschleiern, dass der Satz willkürlich aus einem größeren Zusammenhang gerissen wurde? Eine Quellenangabe für das Zitat Rudolf Steiners wird auch nicht gemacht, wobei ein Link auf den Original-Vortrag Steiners doch wirklich kein Problem gewesen wäre, ich mache es einmal vor:
Rudolf Steiner, "Die spirituellen Hintergründe der äußeren Welt. Der Sturz der Geister der Finsternis", ZWÖLFTER VORTRAG, Dornach, 26. Oktober 1917, GA 177, Seite 205.
Ich empfehle, Steiners Vortrag im Original zu lesen, nur so versteht man, was mit "Wahn" – mit "einen an der Waffel haben" – gemeint ist, und wie grob das Steiner-Zitat von der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland aus dem Zusammenhang gerissen wurde.
Wer noch zögert, einmal wirklich Steiner zu lesen, dem hilft vielleicht eine Aussage, die 2022 auf einer Tagung von "Dreißig im anthroposophischen Feld tätigen Medienschaffenden" gemacht wurde: "Mehrere im Kreis rieten davon ab, sich bei Kritiken auf eine Auseinandersetzung um Zitate von Rudolf Steiner einzulassen."4
Ja, warum nur? Neugierig geworden? Hier noch einmal der Link …
Nicht zuletzt enthält Steiners Vortrag wichtige Hinweise für Menschen, die glauben, dass ihre Arme die falsche Länge haben – über eine Schönheits-OP nachdenken? –, oder die erwägen, nach Amerika auszuwandern, Zitat Rudolf Steiner:
"Die Amerikaner, die eigentlich Europäer sind, aber nach Amerika verpflanzt sind – wenn das auch heute noch nicht sehr weit fortgeschritten ist, so ist es doch wahr –, sie bekommen allmählich Eigenschaften, die an die alten Indianer erinnern, die Arme bekommen eine andere Länge, als sie in Europa hatten, dadurch, daß der Mensch nach Amerika verpflanzt ist. Der physische Mensch paßt sich dem Boden schon an. Das geht sogar so weit, daß ein beträchtlicher Unterschied ist in der physischen Gestaltung zwischen den West- und Ostamerikanern. Das ist: sich dem Boden anpassen. Äußerlich, physisch, indianisiert sich der Europäer in Amerika. Wenn die Seele nun mitgeht mit diesem physischen Prozeß, wie das in früherer Zeit der Fall war, dann würde – nur in europäischer Phase – ein Wiederaufleben der Indianerkultur kommen. Das ist etwas paradox gesprochen, aber es ist doch so. Die Menschheit kann eben in der Zukunft nicht gebunden sein an dasjenige, was sie mit dem Erdboden verbindet; frei werden muß die Seele. Dann kann der Mensch über die Erde hin die physischen Eigenschaften seines Bodens annehmen, dann kann der Körper der Europäer, wenn er nach Amerika kommt, verindianisieren, aber der Mensch reißt sich in seiner Seele los von dem Physisch-Irdischen und wird ein Bürger der geistigen Welten. Und in den geistigen Welten gibt es nicht Rassen und nicht Nationen, sondern andere Zusammenhänge."5
Ja, in den "geistigen Welten" muss die Freiheit wohl grenzenlos sein, wusste schon Rudolf Steiner, oder war es doch ...?6 Egal – am Ende zählt nur, was uns Steiner zwei Jahre vor seinem Tod, 1923, als "zusammenfassenden Schlussstrich"7 hinterließ, Zitat Rudolf Steiner:
"Die weiße Rasse ist die zukünftige, ist die am Geiste schaffende Rasse."
1"plötzlich": um genau zu sein, im Jahre "1879" – Zitat "AnthroWiki": "Das Michaelzeitalter, in dem wir heute stehen, welches das vorangegangene Gabriel-Zeitalter (1510–1879 n. Chr.) ablöste, begann nach den geistigen Forschungen Rudolf Steiners im November 1879 nach dem Sturz der Geister der Finsternis durch den Erzengel Michael."
In der Waldorfschule hängen Bilder des Erzengels Michael, dort pflegt man einen Michael-Kult: "Eine der wichtigsten und eindrucksvollsten Feiern an Waldorfschulen ist die Feier zu Michaeli."
2Bedeutung von "einen an der Waffel haben" – Gesellschaft für deutsche Sprache e. V.:
"(…) Im »Deutschen Wörterbuch« der Brüder Grimm (Leipzig 1854 ff.) wird Waffel (›1. groszer mund mit herabhängenden lippen‹) auf das Verb waffeln zurückgeführt, das eine Weiterbildung des lautmalerischen Wortes waffen darstellt. Waffeln/waffen bedeutet so viel wie ›schwätzen, Unsinn erzählen‹. Die Brüder Grimm geben als Ursprung »die bewegung der kinnbacken und das dadurch hervorgerufene schmatzende geräusch« an. Vergleichend nennen sie Bildungen wie stammeln, lispeln, mummeln. Im Englischen haben sich derweil das Verb to waffle ›schwafeln‹ und das Substantiv waffle ›leeres Geschwätz‹ herausgebildet. Die Redensart einen an der Waffel haben hat sich somit wahrscheinlich aus der Bezeichnung für jemanden entwickelt, der undeutlich und schnell redet, die Wörter vielleicht durcheinander wirft, schwätzt, schwafelt und Unsinn verbreitet. Hieraus entstand dann schließlich die Bedeutung ›nicht ganz richtig im Kopf sein‹. (…)"
3"Nach einem Semikolon wird nach der deutschen Rechtschreibung klein weitergeschrieben, sofern kein Substantiv oder ein aus anderen Gründen groß zu schreibendes Wort folgt, etwa Eigennamen. (Wikipedia "Semikolon")
4Wolfgang Held, "Schlagkraft und Dialog", Das Goetheanum, 18.5.2022
5Rudolf Steiner, "Die spirituellen Hintergründe der äußeren Welt. Der Sturz der Geister der Finsternis", ZWÖLFTER VORTRAG, Dornach, 26. Oktober 1917, GA 177, S. 212.
6"Über den Wolken", Lied von Reinhard Mey, "muss die Freiheit wohl grenzenlos sein".
7Helmut Zander: "Die Anthroposophie – Rudolf Steiners Ideen zwischen Esoterik, Weleda, Demeter und Waldorfpädagogik", Ferdinand Schöningh, 2019, S. 196.
16 Kommentare
Kommentare
Roland Fakler am Permanenter Link
Danke für diesen aufklärerischen Text! Den steinerschen Vortrag konnte ich wegen zunehmender Schwindelanfälle nur teilweise lesen.
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Du nimmst mir die Worte aus dem Mund lieber Roland, die Parallelen sind unübersehbar.
Andreas Lichte am Permanenter Link
@ Roland Fakler Ich hatte erwogen, zur Steiner-Lektüre auch noch den Hinweis "Welche Nebenwirkungen sind möglich?" aufzunehmen.
Hier aber der Hinweis, dass Schwangere vor der Steiner-Lektüre unbedingt mit Ihrem Arzt sprechen sollten, Zitat Rudolf Steiner [ich lasse das "N-Wort" im Original im Sinne eines historischen Dokuments]:
"Neulich bin ich in Basel in eine Buchhandlung gekommen, da fand ich das neueste Programm dessen, was gedruckt wird: ein Negerroman, wie überhaupt jetzt Neger allmählich in die Zivilisation von Europa hineinkommen! Es werden überall Negertänze aufgeführt, Negertänze gehüpft. Aber wir haben ja sogar schon diesen Negerroman. Er ist urlangweilig, greulich langweilig, aber die Leute verschlingen ihn. Ja, ich bin meinerseits davon überzeugt, wenn wir noch eine Anzahl Negerromane kriegen und geben diese den schwangeren Frauen zu lesen, in der ersten Zeit der Schwangerschaft namentlich, wo sie heute ja gerade solche Gelüste manchmal entwickeln können - wir geben diese Negerromane den schwangeren Frauen zu lesen, da braucht gar nicht dafür gesorgt werden, dass Neger nach Europa kommen, damit Mulatten entstehen; da entsteht durch rein geistigs Lesen von Negerromanen eine ganze Anzahl von Kindern in Europa, die ganz grau sind, Mulattenhaare haben, die mulattenähnlich aussehen werden."
Roland Fakler am Permanenter Link
Unglaublich, dass solcher Unsinn erst heute ans Licht kommt, dank Andreas Lichte.
Bitte weiter so! Das Zitat kommt natürlich in meine Sammlung.
Volker Kirsch am Permanenter Link
In meine auch!
Andreas Lichte am Permanenter Link
@ Volker Kirsch Über einen neuen Artikel von Ihnen freue ich mich sehr! Und – Motivationshilfe! – Sie wollen doch sicher auch zum engen Kreis der "Rautenberg-Verschwörung" gehören?!
„Auch die GBS hat ihre Ableger, die gezielt für bestimmte Zwecke gegründet wurden. Kürzlich erst wurde der Zentralrat der Konfessionsfreien neu belebt, und das säkulare Jahrzehnt wird nur möglich dank[50] von der GBS initiierten Institutionen wie dem Hans Albert Institut oder dem Humanistischen Pressedienst (HPD), wo unter dem Schlagwort „Anthroposophie“ zahlreiche Texte im Stil Rautenbergs zu finden sind.[51]“
Quelle: "Materialismus contra Anthroposophie – Wer ist Rautenberg?", https://hpd.de/comment/reply/20742/78583
Andreas Lichte am Permanenter Link
... da ist was beim link zu "Info3" schiefgegangen ... das geht natürlich gar nicht! ...
Andreas Lichte am Permanenter Link
"Erziehung auf Basis eines Geistersehers", Volker Kirsch, 1. Juli 2019, https://hpd.de/artikel/erziehung-basis-eines-geistersehers-16973
Hans Trutnau am Permanenter Link
Bei Steiners Ergüssen ging es mir schon immer ähnlich, Roland.
Der Wahn ist da nie fern.
Aber Steiners Folger sehen das wohl anders und verteufeln dich, mich und Andere.
Sei's drum.
Klaus Bernd am Permanenter Link
"(ver)indianisieren" ich lach mich tot, echt, ROFL LOL und noch mal ROFL.
Helmuth Dau am Permanenter Link
Danke fuer den Link auf den steinerschen Vortrag, der mein Gehirn auf 0 zurueckgesetzt hat, endlich sehe ich klar. Wahnsinn.
Andreas Lichte am Permanenter Link
Rudolf Steiner kennt unzählige „Geister“, nicht nur die oben im Artikel vorgestellten. Im Folgenden als Beispiel die „abnormen Geister der Form”, wieder im Zusammenhang mit „Rassen“:
Laut Steiner haben die „abnormen Geister der Form” auf ihre Weiterentwicklung zu den höherstehenden „Geistern der Bewegung” verzichtet, um die Menschheit in Rassen zu gliedern. Die laut Steiner aktuell auf der Erde existierenden Rassen sind also auch durch eine höhere, kosmische Gesetzmäßigkeit entstanden.
Im Steiner-Original liest sich das so: „Dasjenige aber, was über die ganze Erde dahinspielt, was das gesamte Menschentum in Rassen gliedert, das bewirken die abnormen Geister der Form, die verzichtet haben zugunsten der Tatsache, daß nicht eine einzige Menschheit auf der Erde erscheint, sondern eine Mannigfaltigkeit von Menschen.”4 „(...) daß er [der Mensch] bestimmt wird durch diejenigen Eigenschaften, die er dadurch erhält, daß diese Kräfte der Erde, die durch den betreffenden Ort bestimmt sind, in ihm wirken. Das alles bestimmt seinen Rassencharakter, und auf diesem Wege sind die abnormen Geister der Form (...) die Verursacher der Rassenverschiedenheit des Menschen über die ganze Erde hin, die also von dem Orte auf der Erde abhängt, auf dem der Mensch geboren wird.”5
4 „Die Mission einzelner Volksseelen im Zusammenhang mit der germanisch-nordischen Mythologie”, Rudolf Steiner, GA 121, Taschenbuchausgabe 613, 1994, S. 67
5 ebd., S. 75
Andreas Lichte am Permanenter Link
update zum Artikel, Stand 31.10.2022: auf der Website "Anthroposophie gegen Rassismus" wurde das im Artikel, oben, besprochene Zitat Rudolf Steiners entfernt.
"Hinweis
Krankheitsbedingt konnte die Veröffentlichung der neuen Website noch nicht stattfinden. Dies wird in den nächsten Tagen nachgeholt.
— Sebastian Knust, Matthias Niedermann, Michael Schmock —"
Andreas Lichte am Permanenter Link
...
"Es gibt eine jahrzehntelange anthroposophische Tradition des Leugnens von Rudolf Steiners Rassismus. In der vom Bund der Freien Waldorfschulen herausgegebenen Zeitschrift Erziehungskunst führt Jost Schieren, Professor an der anthroposophischen Alanus Hochschule, diese alte Tradition unter dem neuen Label "Waldorf & Wissenschaft" fort. In seinem Artikel "Anthroposophie in der Kritik" schreibt Schieren: "Rudolf Steiner war kein Rassist". Eine Aussage, die an Eindeutigkeit nicht zu überbieten ist, nicht wahr? (…)“, weiter: https://hpd.de/artikel/rudolf-steiner-war-kein-rassist-20317
Andreas Lichte am Permanenter Link
...
"Nele Auschra: »Was soll die Website ermöglichen?«
Sebastian Knust: »Mit der Website geht es uns darum, ausgewogen zu informieren und aufzuklären. (…)«"
Quelle: https://www.erziehungskunst.de/artikel/klare-kante-gegen-rechts/anthroposophie-gegen-rassismus-ein-interview/
Andreas Lichte am Permanenter Link
update zum Artikel, Stand 13.11.2022: auf der Website "Anthroposophie gegen Rassismus" wurde das im Artikel, oben, besprochene Zitat Rudolf Steiners wieder eingefügt, aktueller Text:
"Ein Mensch, der heute von dem Ideal von Rassen und Nationen und Stammeszusammengehörigkeiten spricht, der spricht von Niedergangsimpulsen der Menschheit.
— Rudolf Steiner, 1917 —"