BERLIN. (hpd) "Muss die Kirche bescheidener werden?" Diese Frage sollte am Abend des Tages, an dem der Papst dem Limburger Bischof in den "Urlaub" schickte, bei "ZDF log in" diskutiert werden. Sollte sie; wurde sie aber nur am Rande. Trotzdem kamen einige spannende Themen auf den durchsichtigen Tisch, der die Diskutanten trennte.
Dabei waren der Generalvikar des Erzbistums Berlin, Tobias Przytarski. Im gegenüber stand Sigrid Grabmeier, die Sprecherin der Kirchenvolksbewegung "Wir sind Kirche". Und da die Gäste der Sendung strategisch platziert werden stand dem Generalvikar der ehemalige CSU-Bundestagsabgeordnete Norbert Geis zur Seite.
In der ersten Runde waren sich alle noch relativ einig, dass die Entscheidung des Papstes, dem Limburger Bischof "zu beurlauben", gerecht sei. Obwohl - wie Frau Grabmeier sagte - die "Verunsicherung der Gläubigen geblieben" sei.
Das bestätigte sich auch, als Moderator Wolf-Christian Ulrich das Publikum befragte, das zufällig aus Limburg den Weg ins Berliner Studio fand. Deutlich wurde klar, dass die Limburger Katholiken Herrn Tebartz-van Elst nicht mehr als Bischof wiedersehen wollen. Ihm wurden - neben den finanziellen Verfehlungen - vor allem auch - nennen wir es diplomatisch - charakterliche Schwächen vorgeworfen.
Norbert Geis, der in der gesamten Sendung weniger als Politiker denn als vehementer Verteidiger der katholischen Kirche auftrat, verteidigte den Limburger Bischof sofort: "Ich habe noch nie erlebt, dass ein Mann so in die Ecke gedrängt wird." Da bleibt dann allerdings die Frage, wo er seit 1987 lebte. Denn auch in der Politik des Bundestages geschieht es ab und an, dass jemand "in die Ecke gedrängt" wird. Der Kommentar von Geis wurde so auch von einem Lachen des Publikums quittiert.
Etwas später - es ging immerhin um die Frage, ob den Kirchen etwas mehr Bescheidenheit gut zu Gesicht stünde - wies Sigrid Grabmeier darauf hin, dass ein Prunkbau wie der bischöfliche Palast in Limburg nicht zeitgemäß sei, wenn anderenorts Gemeindehäuser aus Geldmangel schließen würden. Auch Bescheidenheit im Auftreten forderte sie: denn mit Verweis auf Freiburg forderte sie mehr Bescheidenheit der Kirche in moralischen und vor allem dogmatischen Fragen. "Es braucht mehr Eingehen auf die Menschen in ihren Nöten und Notwendigkeiten. Und weniger Dogmatik."
Einen Seitenhieb führte sie auch gegen die sog. "Transparenzoffensive" der Kirchen, denn es werde mehr verschleiert als offengelegt. Dem widersprach Przytarski, der darauf verwies, dass die Kirchen bisher eben nicht alles offen legen mussten. Und die Umstellung der bisherigen Buchführung viele Probleme auch für die Kirchenverwaltungen aufwirft.
Gerade, als ich mit meinen Nachbarn darüber diskutierte, weshalb nur Kirchenleute diskutierten, wurde Raju Sharma, ehem. religionspolitischer Sprecher DIE LINKE im Bundestag aufgerufen. Der zeigte dann gleich einmal die Zähne und forderte ein Ende der Staatsleistungen. In wenigen Worten erklärte er das historische Entstehen dieser Zahlungen des Staates an die Kirchen und forderte, dass diese zukünftig ihre "Mitgliedsbeiträge" selbst kassieren mögen.
Damit war die Diskussion dann erst richtig eröffnet.
Interessant wurde es, als alle Diskutanten sich einig waren, dass es allerhöchste Zeit ist, die Staatsleistungen abzulösen. "Es ist Aufgabe des Bundes, auf die Kirchen in der Sache zuzugehen" fasste Geis diesen Teil der Diskussion zusammen. Dem vorausgegangen war ein kurzer Streit mit Sharma, der sagte: "Mit der Kirche kann man gut über den Ablasshandel streiten."
Ob sich Norbert Geis der Konsequenzen aus seinem Satz "Wir haben keine Trennung zwischen Staat und Kirche" so recht bewusst war, wurde nicht so recht klar. Aber sein Halbsatz, "das ist gut, weil es schon immer so ist" wurde von ungläubigem Staunen des Publikums aufgenommen.
Auch Sigrid Grabmeier widersprach sofort und legte sich für eine Trennung von Staat und Kirche ins Zeug: "Kirche kann nicht kritisch gegenüber dem Staat sein, wenn sie zu eng mit ihm verbandelt ist." Gerade in Zeiten, da die soziale Schieflage immer deutlicher sich zeigt, sollte Kirche mehr soziales Handeln vom Staat fordern.
Hier fasste Sharma nach und stellte die These auf, dass das Geld, das für soziale und infrastrukturelle Maßnahmen notwendig wäre, unter anderem auch für die Zahlung des Staates an die Kirchen - zum Beispiel auch der Dotationen - verwendet wird.
Am "Katzentisch" im Publikum wartete die ganze Zeit die Politologin und Publizistin Corinna Gekeler auf ihren viel zu kurzen Auftritt. Gebucht war sie ursprünglich, um ebenfalls im Scheinwerferlicht zu stehen. Kurz vor der Sendung erst hieß es, dass sie sich im Hintergrund halten muss und nicht neben Sharma die Seite der Konfessionsfreien vertreten wird.
Sehr kurz war daher die Kamerapräsenz der Frau, die erst kürzlich das Buch "Loyal dienen!?" veröffentlichte, in dem sie sich mit dem Arbeitsrecht bzw. dem verminderten Arbeitsrecht in kirchlichen Einrichtungen auseinander setzt. Gekeler sprach kurz darüber, dass kirchliche Wohlfahrtsträger wie Diakonie und Caritas im Wettbewerb "normale Wirtschaftsbetriebe" seien und durch geringe Lohnzahlungen sich einen Vorteil verschaffen würden.
Nachfragen des Moderators bei Tobias Przytarski, der auch Vorsitzender des Caritasverbandes Berlin ist, ergaben nichts wirklich Stichhaltiges. Er konnte oder wollte sich dazu nicht konkret äußern und es blieb beim einem Hinweis, dass das "Gehalt bei uns besser ist" als woanders.
Dem widersprach Raju Sharma mit dem Satz: "In der katholischen Caritas gibt es ein paar schwarze Schafe. Aber bei den Evangelen ist die ganze Herde schwarz."
Abschließend wurde noch über die Kirchensteuer diskutiert. Während die Mehrheit der Internet-Nutzer, die die Sendung live kommentierten, dafür plädierten, dass die Kirchensteuer abgeschafft gehört und die Kirchen ihre Mitgliedsbeiträge selbst einkassieren solle, gab es in der Runde zwei Stimmen, die dafür waren, alles so zu lassen, wie es ist (Geis, Grabmeier), eine, die die Abschaffung forderte (Sharma) und - überraschend - einer, dem es gleichgültig ist: Przytarski.
Geklärt werden konnte nicht, ob die Kirche bescheidener werden müsse. Doch trotzdem gab es eine gute Diskussion, bei der (leider) die Laizisten (einmal mehr) in der Minderheit waren.
F.N.
Eine kurze Zusammenfassung der Sendung findet sich in der Mediathek.
Weitere Fotos aus dem Studio gibt es auf der nächsten Seite.