USA

Trumps Saat zum Verbot sicherer Abtreibung geht auf

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Supreme Court Building in Washington, D.C.
Supreme Court Building in Washington, D.C.

Während seiner Amtszeit besetzte der damalige Präsident Donald Trump drei Posten an der Spitze des Obersten US-Gerichtshofes mit Konservativen. Da nun ein großes Ungleichgewicht zu ungunsten der Liberalen besteht, ist zu befürchten, dass das per Verfassung geschützte Recht auf legale Abtreibung gekippt wird und sich einzelne Bundesstaaten mit strikten Verboten überbieten. Ein von Samuel Alito, Richter am Supreme Court, im Februar verfasstes Dokument lässt Schlimmes ahnen. Landesweite Proteste fordern den Erhalt legaler Schwangerschaftsabbrüche.

Lange wurden die Stimmen belächelt, die vor der Verwandlung der Vereinigten Staaten von Amerika in einen christlichen Gottesstaat warnten. Ein jetzt veröffentlichtes Dokument bekräftigt die Befürchtungen in Bezug auf das Verbot von Abtreibungen als ersten Schritt. Im von Richter Samuel Alito im Februar verfassten und nun an die Medien durchgesickerten "draft opinion document" (Entwurf Meinungsdokument) wird das Urteil im Rechtsstreit Roe vs. Wade von 1973, welches einen Schwangerschaftsabbruch in den USA legalisiert, als generell falsch bezeichnet. Auch erklärt Alito darin, dass die Verfassung den Bürger*innen der Staaten nicht untersage, Abtreibung zu erlauben oder zu verbieten. Die Echtheit des Dokumentes bestätigte der Vorsitzende des Obersten Gerichtshofs, John Roberts.

Rasch nach der Veröffentlichung bildeten sich Proteste von Menschenrechtler*innen und Abtreibungsgegner*innen vor dem Sitz des Supreme Courts, des Obersten Gerichtshofes in Washington D.C.

Die Protestierenden der Pro Choice-Bewegung, die Schwangeren das Recht darauf erhalten wollen, sich für oder gegen die Reproduktion entscheiden zu können, riefen "Justices get out of my vagina" (Richter*innen, raus aus meiner Vagina) oder auch "Legal abortion once and for all" (Legale Abtreibung ein für alle Mal). Und das nicht ohne Grund. Gibt es doch zahlreiche Menschen, die an eine Zeit vor der Roe vs. Wade-Entscheidung erinnern. Eine Zeit, in der ungewollt Schwangere nach illegalen Abtreibungen ohne medizinische Begleitung und unter unhygienischen Bedingungen starben oder schwer erkrankten. Dem gegenüber standen die Pro Life-Protestierenden, die oftmals von einem Lebensrecht ab der Befruchtung ausgehen und Schwangerschaftsabbrüche als Mord einordnen.

Ihre "Hey, hey, ho, ho, Roe vs. Wade has got to go" (Hey, hey, ho, ho, Roe vs. Wade muss gehen)-Rufe spiegeln allerdings nicht die Überzeugung des Großteils der Bevölkerung wider. Denn die meisten US-Amerikaner*innen wünschen sich, an Roe vs. Wade festzuhalten. In einer Befragung von 2020 sprachen sich 69 Prozent für den Erhalt und nur 29 Prozent für eine Abschaffung aus. Eine überzeugende Mehrheit, für die reproduktive Rechte wichtig sind. Eine Mehrheit, die auch bereit ist, auf die Straße zu gehen, wie die Proteste in großen Städten wie Atlanta, Chicago, Denver, Los Angeles, Seattle und auch New York zeigen, obwohl New York bereits im Jahr 2019 die Gefahr, die diesbezüglich von Trump und anderen konservativen, von rechten und religiösen Gruppierungen ausgeht, erkannt und durch ein eigenes Gesetz zu reproduktiven Rechten gebannt hatte.

Obwohl die Mehrheitsverhältnisse in der Bevölkerung klar sind, zeigt sich das in der Besetzung der Richter*innen des Obersten Gerichtshofs nicht, sind doch die liberalen Richter*innen in der Unterzahl. Donald Trump hatte dafür gesorgt, dass dem von ihm eingesetzten konservativen Neil Gorsuch als Richter am Obersten Gerichtshof noch Brett Kavanaugh und Amy Coney Barrett zur Seite stehen. Trotz Zweifeln an seiner Eignung samt Vorwürfen sexueller Gewalt bekam Kavanaugh einen Posten am Supreme Court. Mit Kavanaugh zog ein Gegner von Abtreibungen – aber auch gleichgeschlechtlicher Ehe – in den Obersten Gerichtshof ein. Ihm folgte nach dem Tod der liberalen Richterin Ruth Bader Ginsburg die christliche Konservative Amy Coney Barrett.

Für den Vorsitzenden des Obersten Gerichtshofs, John Roberts, ist das durchgestochene Dokument ein Vertrauensbruch und zu verurteilen. Er hat Untersuchungen dazu in Auftrag gegeben.

Ein Grund zum Feiern ist das geleakte Richter-Papier natürlich bei christlichen, konservativen und rechten Gruppierungen, die Trump heute noch für seine Saat danken, die nun aufgeht. Unter ihnen der republikanische Abgeordnete Madison Cawthorn, der sich bei Trump direkt für den Angriff auf Roe vs. Wade bedankte und ähnlich wie sein berühmtes Vorbild den ein oder anderen Dreck am Stecken zu haben scheint.

Dagegen ist für einen großen Teil der Bevölkerung die so deutlich aufgezeigte Gefahr für reproduktive Rechte eine Katastrophe. Es droht ein Flickenteppich an Gesetzen, unterschiedlich von Bundesstaat zu Bundesstaat, von Verboten mit Ausnahmen kurzer legaler Fristen wie in Texas oder bei einer Schwangerschaft als Konsequenz sexualisierter Gewalt oder Gefahr für Leben und Gesundheit der Schwangeren bis hin zum Totalverbot. Etwa die Hälfte der Bundesländer hat bereits Gesetze verabschiedet, die in Kraft treten würden, sollte Roe vs. Wade fallen. Dies würde ungewollt Schwangere zu teuren Reisen an Orte mit Abtreibungsmöglichkeiten oder wieder zum Kleiderbügel auf dem Küchentisch zwingen.

Hinzu kommt, dass weitere gesellschaftliche Errungenschaften wie zum Beispiel die gleichgeschlechtliche Ehe in Gefahr sein oder Bundesstaaten sogar Verhütung komplett verbieten könnten. Eine der mahnenden Stimmen dazu kommt von US-Präsident Joe Biden. Er, selbst Katholik und eine Person, die privat Schwangerschaftsabbrüche ablehnt, plädiert für das Recht auf eine Wahl und hält seine Religion, sehr zum Missfallen der Bischöfe, weitestgehend aus der Politik heraus. Wobei für ihn eine Überwindung von Roe vs. Wade weit mehr bedeuten würde als die Frage nach reproduktiven Rechten. Biden weist darauf hin, dass Roe vs. Wade auch das Recht auf Privatsphäre (right to personal privacy) schützt. Damit ist ein Recht gemeint, welches die persönlichen Angelegenheiten vor Offenlegung oder Veröffentlichung schützt und der betroffenen Person das Recht, in Ruhe gelassen zu werden, garantiert.

Der Präsident kündigte an, den Kongress anzutreiben, Gesetze im Sinne von Roe vs. Wade zu erlassen. Zudem forderte er die Wähler*innen auf, bei den Kongresswahlen am 8. November 2022 diejenigen mit Stimmen zu bedenken, die das Recht auf Abtreibung stützen.

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