Während die deutsche Politik und allen voran die Unionsparteien die Kirchen und andere Religionsgemeinschaften hofieren, widerspricht eine Positionierung für LGBTQ-Rechte auf einmal der Neutralitätspflicht.
Wir befinden uns im Pride Month – dem Monat, in dem nicht-heteronormative Menschen selbstbewusst feiern, wie sie sind. Daran beteiligten sich in der Vergangenheit auch Mitarbeiter des Bundestages, indem sie beim Christopher Street Day in Berlin mitliefen, während die Regenbogenflagge auf und vor dem Reichstagsgebäude wehte. Nicht jedoch diesmal. Dem Regenbogennetzwerk des Bundestags wurde die Teilnahme versagt, mit dem Verweis auf die "gebotene Neutralitätspflicht" und in einer weiteren Erklärung damit, "dass die 'notwendige politische Neutralität der Verwaltung' gewahrt werden müsse".
Die Entscheidung fällt in den Zuständigkeitsbereich von Bundestagspräsidentin Julia Klöckner, Parteiangehörige der CDU, mit vollem Namen: Christlich Demokratische Union. Schon der Name der Partei ist nicht neutral, sondern trägt die Bevorzugung einer Religion in sich – und das widerspricht der weltanschaulichen Neutralität, zu der der deutsche Staat und seine Vertreter verpflichtet sind. Die CDU und ihre bayerische Halbschwester CSU machen Politik aufgrund von christlichen Glaubensinhalten. Und das schlägt sich in konkreten politischen Realitäten wider, sei es bei der Weigerung, den Schwangerschaftsabbruch zu legalisieren oder beim Blockieren der Ablösung der Staatsleistungen.
Doch nicht nur die Union arbeitet nicht im Sinne der "gebotenen Neutralitätspflicht" und kungelt mit den Kirchen: Im Bundestag gibt es Gebetsfrühstücke, die Sternsinger kommen ins Kanzleramt, der Amtseid kann mit religiöser Formel abgelegt werden. Julia Klöckner leitete auf dem letzten Evangelischen Kirchentag als Theologin eine Bibelarbeit. Wo ist hier die staatliche Neutralitätspflicht?
Dabei ist die gesetzliche Lage recht eindeutig: "Es besteht keine Staatskirche", heißt es in Artikel 140 des Grundgesetzes und "Niemand darf wegen (…) seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden" in Artikel 3. Was außerdem in unserer Verfassung steht: "Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit" und "Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit" (beides Artikel 2), in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte ist in Artikel 7 zu lesen: "Alle haben Anspruch auf gleichen Schutz gegen jede Diskriminierung, die gegen diese Erklärung verstößt, und gegen jede Aufhetzung zu einer derartigen Diskriminierung".
Wenn man das mal in Realpolitik übersetzen will, so lässt sich die Beteiligung an einem Akzeptanzfest für queere Menschen gesetzlich wesentlich besser begründen als die Teilnahme von Politikern an religiösen Veranstaltungen oder das Werben für bestimmte Glaubensrichtungen – deren Inhalte nebenbei bemerkt wesentlich schlechter mit demokratischen Idealen zu vereinbaren sind als die eines Christopher Street Day. In einer Zeit, in der nicht-heterosexuelle Menschen Anfeindungen oder gar Gewalt von Rechtspopulisten erfahren (nicht zuletzt importiert aus den USA), während der traditionelle Islam ein Problem mit gleichgeschlechtlicher Liebe hat (man denke etwa an das Mobbing eines schwulen Lehrers an einer Berliner Grundschule), wäre ein Bekenntnis des Bundestages im Einsatz für die Offene Gesellschaft zu begrüßen.
Dass das positive Ausleben nicht-althergebrachter Geschlechterrollen und sexueller Vielfalt einer konservativ dominierten Regierung gegen den Strich geht, ist klar. Doch wer ein Land anführt, sollte über so etwas stehen können. Staatstragend geht anders.






