Vom 29. bis 31. Mai findet in Regensburg die "SkepKon", die Jahreskonferenz der Skeptikerorganisation GWUP, statt. Aus diesem Anlass stellt der hpd jede Woche einen Referenten und sein Thema im Interview vor. Heute: Ilse Jacobsen.
Ilse Jacobsen studierte Tiermedizin in Hannover und Pretoria (Südafrika). Anschließend promovierte sie im Fach Mikrobiologie, erwarb die Anerkennung als Fachtierärztin für Mikrobiologie und habilitierte sich ebenfalls in diesem Fachgebiet. Seit 2014 ist sie W3-Professorin für Mikrobielle Immunologie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena.
hpd: Worum geht es in Ihrem Vortrag?
Ilse Jacobsen: In der aktuellen Diskussion rund um den Geschlechtsbegriff taucht wiederholt die Annahme auf, dass das biologische Geschlecht ein Spektrum sei. Die Begründungen dafür zeugen jedoch regelmäßig von einem unzureichenden Verständnis der biologischen Zusammenhänge zwischen Chromosomen, Hormonen und Anatomie. Diese Zusammenhänge und ihre Bedeutung im medizinischen Kontext möchte ich vermitteln. Außerdem werde ich anhand von Beispielen deutlich machen, wie geschlechtsfreie Begriffe, die inkludierend sein sollen, tatsächlich zur Abwertung von Personengruppen führen können.
Wie sind Sie dazu gekommen, sich mit diesem Thema zu befassen?
Ich bin zufällig in Sozialen Medien auf Beiträge gestoßen, in denen sehr überzeugt behauptet wurde, dass das biologische Geschlecht ein Spektrum sei oder es drei, fünf oder mehr biologische Geschlechter gäbe. Aufgrund meines fachlichen Hintergrundes wurde mir schnell klar, dass die Argumentation oft auf Halbwissen und/oder mangelndem Verständnis physiologischer Zusammenhänge einerseits und fehlerhafter Definition des biologischen Geschlechtsbegriffs andererseits beruht. Ich war erstaunt, wie heftig die Reaktion auf meine rein sachlichen Einwände ausfiel. Wirklich schockiert hat mich aber ein Cover der medizinischen Fachzeitschrift The Lancet, auf dem der Begriff "bodies with vaginas" – also "Körper mit Vaginas" – als Synonym für "Frauenkörper" verwendet wurde.
Was ist die praktische oder gesellschaftliche Relevanz des Themas?
Das Thema biologisches Geschlecht ist Teil der aktuellen Diskussionen um Geschlechtsidentität und den Umgang mit Personen, die sich nicht als ihr biologisches Geschlecht identifizieren. Diese Diskussionen werden oft sehr emotional und unerbittlich geführt, auch mit Argumenten in Bezug auf Biologie, die einfach faktisch falsch sind. Das schadet nicht nur der Diskussion, sondern gerade auch den Betroffenen. Darüber hinaus halte ich es generell für hilfreich, wenn möglichst viele Menschen die Abläufe in ihren Körpern verstehen.
Warum sollten sich gerade Skeptiker für Ihr Thema interessieren?
Die Debatte rund um Geschlecht zeigt exemplarisch einen Trend, den man auch bei anderen Themen beobachten kann, den ich besorgniserregend finde: Es wird auf Basis von Halbwissen argumentiert, Fakten werden falsch wiedergegeben und Personen ohne einschlägiges Fachwissen inszenieren sich als vermeintliche Experten, denen geglaubt wird. Oder biologische Fakten werden korrekt wiedergegeben, dann aber mit einem nebulösem "das ist alles ganz fürchterlich kompliziert" relativiert. Eine sachliche, zielführende Diskussion, gerade zu emotionalen gesellschaftlichen Themen, ist aber nur dann möglich, wenn Fakten als Fakten akzeptiert werden.
Debatten über emotionale Themen entgleiten leicht. Haben Sie einen Tipp für die Besucher parat, damit wir damit konstruktiver umgehen können?
Es ist häufig hilfreich, sich nicht nur auf die Punkte zu konzentrieren, an denen die Meinungen auseinandergehen, sondern auch auszuloten, ob die verschiedenen Seiten nicht eigentlich ähnliche Ziele haben. Denn wenn beide Seiten das gleiche Ziel haben, sich aber nur uneins darüber sind, wie dieses Ziel am besten erreicht werden kann, ist es sehr viel leichter, die Sachebene nicht aus dem Blick zu verlieren.
Hier finden Sie Infos zur SkepKon 2025 und können Tickets bestellen.