Evangelikale: Säkularismus größte Bedrohung

Nichtreligiöse Menschen sind derweil auch Hauptziel der beabsichtigten Bekehrung. Mit 73 Prozent erklärten fast drei Viertel der Befragten, dass sie hier die Top-Priorität („top priority“) sehen. Die muslimischen Gemeinschaften zugeordneten Menschen werden von 59 Prozent der Verkündiger des Evangeliums ebenfalls als wichtiges Missionierungsziel eingestuft, der Jesus-freie Glaube von Hindus beschäftigt immerhin noch 39 Prozent intensiv.

Wer will wen bekehren?

Stuart Bechman kommentierte für die Atheist Alliance International die Ergebnisse der „Pew“-Befragung. Er wies darauf hin, dass evangelikale und andere Führer der christlichen Religion häufiger davon sprächen, dass die in der Säkularisierung beteiligten Menschen das Christentum ausmerzen wollten. Dabei stellte er zunächst fest, dass die Gruppen organisierter Atheisten und anderer nichtreligiöser Menschen erheblich kleiner als die Gläubigengemeinschaften sind und nur mit einem Bruchteil des Etats evangelikaler Organisationen arbeiten. Im Gegensatz dazu stünden die Milliarden-Haushalte religiöser Vereinigungen, die von Steuerbefreiungen oder anderen staatlichen Zuschüssen profitieren. Es dürfe mit Fug und Recht erklärt werden, dass eher die hier beteiligten Organisationen des Christentums den Säkularismus ausmerzen werden als das umgekehrt der Fall wäre.

Zudem könnte es sein, dass die wahrgenommene Bedrohung wohl auch daher rührt, dass die Ansichten der nichtreligiösen und säkularen Gruppen überzeugender sind. Bechman fragte: Hält der christliche Glaube den vorgelegten Argumenten und Belegen einfach nicht stand? Schon die vor Jahrtausenden gegen den religiösen Glauben vorgelegten Argumente sind bis heute nicht effektiv von Apologeten der Religion und ihren Göttern widerlegt worden. Derweil sind sogar Bücher erschienen, welche die so bedrängten Gläubigen gegen einen „Angriff des säkularen Humanismus“ wappnen sollen. Stattdessen, so Bechham weiter, erhebe sich regelmäßig ein empörtes Getöse und der Versuch einer persönlichen Diskreditierung der Kritiker, bis Beobachter darüber die ursprünglich vorgebrachten Argumente vergessen haben.

Aufschrei von Bibelgläubigen in Deuschland

Vergleichbares war auch in Deutschland zuletzt gut zu beobachten, als der Entwurf eines kritischen Rundschreibens des SPD-Bundestagsabgeordneten Rolf Schwanitz anlässlich des von Kirchenpolitikern arrangierten Auftritts des katholischen Kirchenführers Benedikt XVI. im Deutschen Bundestag in die Medien lanciert worden ist.

Volker Kauder, Fraktionschef der Kirchenparteien CDU/CSU im Bundestag und ebenfalls bekennender Anhänger evangelikaler Organisationen, nannte das Dokument einen „Ausdruck von religiöser Intoleranz und politischer Unvernunft“, woanders wurde Schwanitz‘ Haltung als „Schande“ für die – derzeit ebenfalls von kirchlich gebundenen Politikern regierte – SPD verurteilt. Der Aufschrei von Bibelgläubigen erschreckte im Ergebnis viele der mit dem Rundbrief sympathisierenden Mandatsträger im Bundestag. Eine kritische und inhaltliche Auseinandersetzung mit den veröffentlichten Positionen: Fehlanzeige.

Im Zeitalter des Internet, so Bechman schließlich, sind die Wahrheiten der Religionen jedoch leichter als jemals zuvor zugänglich und die Öffentlichkeit erkenne immer mehr deren Schwindeleien, woraufhin sie ihre Gefolgschaft zum religiösen Glauben und ihren Führern aufkündigen. Das sei möglicherweise der Grund, warum Säkularismus als größte Bedrohung des evangelikalen Christentums gesehen wird und er könne nur hoffen, dass diese Einschätzung sich als zutreffend herausstellt.

Arik Platzek