Trennung von Staat und Religion erforderlich

BERLIN. (hpd) Verfassungsrechtlich verankert ist das Trennungsgebot in Art. 140 Grundgesetz (hier: Art. 137 WRV („Es besteht keine Staatskirche“). Ferner verlangen Art. 3 (3) (Antidiskriminierungsgebot), Art. 33 (3) und Art. 136 (1 bis 4) WRV (innerhalb Art. 140 GG), dass die weltanschauliche Orientierung eines Bürgers seine Rechte und Pflichten weder bedingen noch beschränken dürfen.

Darüber hinaus spricht Art. 137 (4) WRV vom – die Trennung bestätigenden – Selbstverwaltungs-recht der Religionsgesellschaften und Art. 138 (1) WRV fordert ausdrücklich die Ablösung bestehender Staatsleistungen.

Ein Kommentar von Prof. Uwe Lehnert

Alle genannten Verfassungsartikel betonen somit das Gebot der Trennung von staatlichen und religiösen Handlungs-bereichen, obwohl in der politischen Praxis diese Verfassungsgebote massiv verletzt oder gar völlig ignoriert werden. In der Verfassung werden zugleich staatlicher Religionsunterricht, Anstalts- und Militärseelsorge, theologische Fakultäten und Kirchensteuerrecht geregelt. Diese der Verfassung widersprechenden Bereiche sind aus unserer Sicht als Ausnahmetatbestände anzusehen und führen zu einer sog. „hinkenden Trennung“. Zukünftig gilt es, die vollständige Trennung nach und nach zu realisieren.

Politisch ist die Trennung im Sinne eines Rückzugs des Staates aus religiös-weltanschaulichen Belangen auch um des gesellschaftlichen Friedens zwingend geboten. Deutschland ist inzwischen eine multiweltanschauliche Gesellschaft geworden. Einerseits nimmt die Zahl der Konfessionsfreien – derzeit fast 40% – durch Säkularisierung weiter zu, gleichzeitig nimmt die Anzahl anderer, sich teilweise gegenseitig bekämpfender Religionen neben der bisher dominierenden christlichen durch Zuwanderung ebenfalls zu. Die bisher praktizierte Privilegierung einer bestimmten Religion ist daher endgültig überholt. Das Recht, eine Religion auszuüben, wie das Recht, keiner Religion angehören zu wollen, erfordert um des friedlichen Nebeneinanders willen, dass religiös motiviertes Handeln im Wesentlichen in den privaten Bereich zurückgedrängt wird. Die öffentliche Darstellung religiös-weltanschaulicher Gemeinschaften darf daher nur so weit gehen, als damit keine unzumutbare Beeinträchtigung der Rechte anderer verbunden ist.

Der Staat hat sich daher auf gesetzlicher Ebene so zu konstituieren und in der praktischen Politik so zu verhalten, dass er neutral gegenüber den religiösen und betont nicht-religiösen Weltanschauungen auftritt.

Abbau kirchlicher Privilegien und Sonderrechte

  • Die bestehenden Konkordate und Kirchenverträge sind zu kündigen und – soweit noch im staatlichen Interesse liegend – durch zeitlich befristete Regelungen zu ersetzen. Die derzeit bestehenden Verträge mit der Kirche räumen ihr eine überproportionale Machtfülle ein und gestatten ihr, ihre religiösen Wertvorstellungen mittels staatlicher Unterstützung zu propagieren.
  • Das bisherige System des Kirchensteuereinzugs ist abzuschaffen und durch ein kircheneigenes Beitragssystem zu ersetzen.
  • Alle steuerlichen Vergünstigungen wie etwa die Befreiung von der Grundsteuer, Kapitalertragssteuer, Körperschaftssteuer oder Gewerbesteuer bei Geschäften, die die Kirchen betreiben, sind ersatzlos zu streichen. Gleiches gilt für die Befreiung von Gerichtskosten und Verwaltungsgebühren und die Übernahme von Anwaltskosten.
  • Die auf – z.T. überhaupt nicht mehr beleg- und begründbaren – historischen Rechtstiteln beruhenden erheblichen Zahlungen des Staates an die Kirchen sind einzustellen. Alle Ansprüche aufgrund von Enteignungen im 19. Jahrhundert gelten aufgrund der bisherigen Leistungen als befriedigt.
  • Finanzielle Zuwendungen des Staates und der Sozialkassen an sog. freie Träger sind nur statthaft, wenn die Einhaltung der verfassungsmäßigen Grundrechte wie Glaubensfreiheit, Koalitionsfreiheit oder Wahrung der Privatsphäre („fehlendes privates Wohlverhalten“ als Kündigungsgrund muss verboten werden!) gewährleistet ist. In diesem Zusammenhang ist das kirchliche Arbeitsrecht zu annullieren und die Sonderbestimmungen für kirchliche Einrichtungen im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (§ 9, Abs. 2) und im Betriebsverfassungsgesetz (hier § 118, Abs. 2) ebenfalls zu streichen. (Sonderrechte von religionsgemeinschaftlichen Tendenzbetrieben können bei überwiegender Selbstfinanzierung erhalten bleiben, sind aber auf Leitungs- und Verkündigungs-tätigkeiten zu beschränken.)
  • Die direkte und indirekte staatliche Finanzierung der Gehälter u.a. von Bischöfen und Kardinälen samt Nebenkosten, die Bezahlung der Ausbildung von Religionslehrern und Theologen, die Übernahme von Baulasten und andere Dienst- und Materialleistungen sind einzustellen.
  • Die überproportionale bzw. teilweise alleinige Vertretung der Kirchen als religiös-weltanschauliche Gemeinschaft in den Rundfunkräten, in Jugend- und Sozialausschüssen, in Ethikräten, Bundesprüfstellen oder z.B. fachlichen Gremien ist abzubauen und durch eine angemessene Vertretung der religiös-weltanschaulich relevanten Gruppen zu ersetzen.

Gleichbehandlung der Weltanschauungen

  • Wenn Einrichtungen der sog. freien Träger durch Staat und Sozialkassen finanziert werden, z.B. Krankenhäuser, müssen sie sowohl Dienstleistenden wie Nutzern allgemein zugänglich sein. Weltanschaulich Andersdenkende dürfen weder Benachteiligungen erfahren noch dem Zwang zum Eintritt in die jeweilige Religionsgemeinschaft ausgesetzt sein.
  • Rundfunkräte in den öffentlichen und privaten Rundfunk- und Fernsehanstalten müssen entsprechend der Stärke der religiös-weltanschaulichen Gruppierungen in der Gesellschaft besetzt werden, entsprechend ist mit den Sendezeiten zu verfahren, die den religiös-weltanschaulichen Gruppen zugeteilt werden. Die Kirchenredaktionen in den Sendern sind aufzulösen. Alternativ: Religiös-weltanschaulichen Gemeinschaften haben keinerlei Vertretungen in den Rundfunkräten, ihnen sind keine eigenen Redaktionen in den Sendern zu gestatten und keine regelmäßigen Sendezeiten einzuräumen.
  • Religionsunterricht ist als Unterrichtsfach an öffentlichen Schulen abzuschaffen und durch ein verbindliches wertevermittelndes Fach „Ethik“ bzw. „Lebensgestaltung – Ethik – Religionskunde“ zu ersetzen. Zusätzlich kann auf Wunsch Religions- oder Lebenskundeunterricht durch Weltanschauungsgemeinschaften außerhalb der regulären Unterrichtszeit angeboten werden.
  • Die theologischen Fakultäten an den Universitäten sind aufzulösen und bei Bedarf durch Religionswissenschaftliche Institute zu ersetzen. Theologie ist nur an Hochschulen zu betreiben, die von den Religionsgemeinschaften selbst eingerichtet und finanziert werden.
  • Sofern finanzielle Zuwendungen und steuerliche Begünstigungen an religiös-weltanschauliche Organisationen erteilt werden, sind sie allen in gleicher Weise zu gewähren.
  • Ein flächendeckendes und ausreichendes weltanschaulich neutrales Angebot im Bildungs-, Gesundheits- und Sozialbereich ist zu gewährleisten. Monopol- und Quasimonopolstellungen durch eine religiös-weltanschaulichen Gruppierung, wie derzeit schon zu beobachten, sind nicht zulässig (z.B. nur ein einziges Gymnasium oder Kindertagesstätte im Ort, beide religiös geleitet).
  • Bei Verträgen des Staates mit religiös-weltanschaulichen Gemeinschaften gilt das Gleichbehandlungsprinzip. Irgendwelche Bevorzugungen etwa aufgrund von Größe oder geschichtlicher oder kultureller Bedeutung sind nicht zulässig.